Pin It

Ergänzung zur Elektro-Mobilität: Regenerativ erzeugtes Bio-LNG als Bus-
und LKW-Treibstoff kann CO2-Bilanz mehr als 65 % verringern oder sogar
negativ werden lassen

Biomethan aus landwirtschaftlichen Reststoffen ist in großen Mengen
verfügbar, die Infrastruktur steht und es eignet sich besonders als
Treibstoff für LKWs, Busse, Bau- und Landmaschinen – also für die
Fahrzeuge, bei denen die Elektromobilität nur schwer Einzug hält. Von
allen erneuerbaren Kraftstoffen weist Biomethan die beste
Treibhausgasbilanz auf. Wird es aus Gülle produziert, ist seine CO2-Bilanz
sogar negativ, weil Emissionen vermieden werden, die bei der Lagerung und
Ausbringung von unbehandelter Gülle entstehen. Welche Methoden das beste
Ergebnis erzielen, testen derzeit die Universität Hohenheim in Stuttgart,
das KIT in Karlsruhe sowie weitere Projektbeteiligte aus Industrie und
Praxis. Der erste Linienbus mit Biomethan rollt bereits auf der
schwäbischen Alb und in der Region Ravensburg.

Die verkehrsbedingten Emissionen von Kohlendioxid (CO2), Stickoxid und
Feinstaub in Deutschland sind zu hoch. Vor allem in städtischen
Ballungsgebieten ist dies deutlich zu spüren. Eine Ursache hierfür ist der
immer noch sehr geringe Anteil an erneuerbaren Energien im Verkehrssektor:
Einschließlich des Stromverbrauchs im Schienen- und Straßenverkehr lag ihr
Anteil von 2008 bis 2021 nur zwischen 5,0 und 7,6 Prozent.

„Eine vielversprechende und kostengünstige Alternative zu fossilen
Energieträgern wie Öl oder Gas sind alternative Kraftstoffe auf Basis von
Biomethan“, sagt PD Dr. Andreas Lemmer von der Landesanstalt für
Agrartechnik und Bioenergie an der Universität Hohenheim.

Kraftstoff Biomethan führt zu deutlicher Reduzierung des CO2-Ausstoßes

„Dies gilt vor allem für Bereiche, in denen die fortschreitende
Elektromobilität nur schwer Einzug halten wird, wie im Schwerlastverkehr
oder bei Bau- und Landmaschinen. Hier kann die verstärkte Verwendung von
Biomethan – sei es als Bio-CNG (komprimiertes Biomethan) oder Bio-LNG
(verflüssigtes Biomethan) – zu einer deutlichen Reduzierung des
CO2-Ausstoßes führen“, fährt der Experte fort.

„Mit regenerativ erzeugtem Bio-LNG als LKW- und Landmaschinen-Treibstoff
kann der CO2-Ausstoß im Schnitt um mehr als 65 Prozent verringert werden“,
fasst  PD Dr. Lemmer seine Forschungsergebnisse zusammen. „Verwenden wir
ausschließlich Gülle als Ausgangsmaterial, dann ist die CO2-Bilanz sogar
negativ.“

Zweistufige Druckfermentation für höhere Methanproduktion

Gleich in zwei Projekten beschäftigen sich er und seine Arbeitsgruppe mit
der Umsetzung in die Praxis: Im Verbundprojekt probioLNG (Innovative
Prozesskette zur ressourceneffizienten Erzeugung von Bio-LNG) bauten sie
gemeinsam mit weiteren Projektbeteiligten aus Wissenschaft, Industrie und
Praxis eine Pilotanlage zur Bio-LNG-Erzeugung auf. Das Vorhaben wird vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Diese Anlage wurde gemeinsam mit dem KIT konzipiert und ist auf der
Forschungsstation „Unterer Lindenhof“ der Universität Hohenheim
stationiert. Sie ermöglicht es erstmals, neue Verfahren der
Biogasherstellung und Aufbereitung zu einer vollständigen Prozesskette zu
kombinieren. Der Clou dabei: eine zweistufige Druckfermentation.

„Im Vergleich zur üblichen Biogasproduktion trennen wir zwei Schritte
räumlich, zeitlich und prozesstechnisch voneinander“, beschreibt Elena
Holl, Doktorandin in der Arbeitsgruppe. Zunächst zerlegen Mikroorganismen
in der sogenannten Hydrolyse feuchte Biomasse, wie beispielsweise Gülle,
organische Reststoffe oder Energiepflanzen in kleinere Moleküle. Im
zweiten Schritt wandeln spezielle Mikroorganismen diese Bausteine in
Methan um.

„Durch die Trennung der beiden Vorgänge können wir die Bedingungen, wie
beispielsweise Temperatur und pH-Wert, ideal an die Bedürfnisse der
verschiedenen Mikroorganismen anpassen und so die Methanproduktion
deutlich erhöhen“, erklärt Elena Holl. Diese steigt noch weiter, wenn
zusätzlich Wasserstoff eingeleitet wird: „Auf diese Weise erzeugen wir
Biogas mit einem Methangehalt von über 90 Volumenprozent“, so die
Wissenschaftlerin.

Biomethan im Linienbusverkehr

Mit einer der vielen Verwendungsmöglichkeiten des so erzeugten Biomethans
befasst sich das Verbundprojekt „NEOBus – negative Emission ÖPNV“, das vom
Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-
Württemberg (MLR) gefördert wird: Biomethan als klimafreundlicher
Treibstoff für Linienbusse im ÖPNV.

Dafür kann es in zwei Varianten eingesetzt werden, die die Forschenden
miteinander vergleichen: Wird Methan mit einem Druck von 350 bar
verdichtet, entsteht Bio-CNG, das in gasförmiger Form gespeichert werden
kann. Bei der Herstellung von Bio-LNG hingegen wird Methan auf -162 °C
abgekühlt und dadurch verflüssigt. Es kommt als gekühlter, flüssiger
Treibstoff zum Einsatz.

Das verflüssigte Methan dient als Kraftstoff für einen Bio-LNG-Hybridbus,
den ein Busunternehmer auf der Strecke Münsingen-Reutlingen im
Praxisalltag testet. Parallel wird an der Biogasanlage der Firma Duelli
eine neuartige Gasaufbereitung erprobt und das so erzeugte Bio-CNG in
einem Bus in der Region Ravensburg eingesetzt.

Dabei führt der Biomethan-Kraftstoff nicht nur zu geringeren
Treibhausgasemissionen, auch der Ausstoß von Schadstoffen nimmt ab. So
reduziert verflüssigtes Methan den Ausstoß von Stickoxiden im Vergleich zu
einem Euro VI Dieselbus um 60 Prozent, während die Feinstaubbelastung im
Vergleich zu konventionellen Dieselbussen um 90 Prozent sinkt.

Biomethan als Kraftstoff: Zukunftsmusik oder schon bald Gegenwart?

PD Dr. Lemmer sieht in der Biomethanproduktion auch eine gute zusätzliche
Einnahmequelle für landwirtschaftliche Betriebe: „Der Zusammenschluss von
Verkehrsunternehmen mit einem oder mehreren lokalen
Biogasanlagenbetreibern eröffnet im ländlichen Raum ein vielversprechendes
Geschäftsmodell für beide Seiten.“

„Biomethan ist einer der wenigen erneuerbaren Energieträger, der bereits
derzeit in großer Menge zur Verfügung steht, der auf eine vorhandene
Infrastruktur zurückgreifen kann und der bei intelligenter Herstellung die
beste Treibhausgasbilanz aller erneuerbaren Treibstoffe aufweist“, ist der
Experte überzeugt.

Weitere Informationen
Website des Projektes probioLNG: https://www.probiolng.de/
Expertenliste Bioenergie: https://www.uni-hohenheim.de/expertenliste-
bioenergie