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Koordiniert vom Helmholtz-Zentrum Hereon arbeiten Forschung und Industrie
gemeinsam an einer umweltfreundlicheren Herstellung von Leichtbauteilen
für die Automobilindustrie. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und
Klimaschutz (BMWK) geförderte Verbundprojekt „S3-ALU“ wird den Ersatz von
reinem Aluminium durch recyceltes Aluminium testen, welches den
CO2-Fußabdruck pro Fahrzeug um 55 Prozent senken könnte.

22.000 Tonnen CO2 - das ist der Fußabdruck der täglichen in Deutschland
produzierten SUVs. Ein Teil davon geht auf das verwendete Material zurück:
Aluminium beziehungsweise Primäraluminium. Diese reine Form des Aluminiums
wird direkt aus dem Rohstoff Bauxit hergestellt und ist dank ihrer
Vorteile in Bezug auf Gewicht und Korrosionseigenschaften der
Hauptbestandteil von Legierungen in der Automobilproduktion. Ein
Zusammenschluss aus Forschung und Industrie untersucht jetzt die
Möglichkeit, das bisher verwendete Primäraluminium durch
Sekundäraluminium, also unreineres, recyceltes Aluminium, zu ersetzen –
ohne die vorteilhaften Eigenschaften zu verlieren.

Das Einsparpotential ist dabei enorm: Um eine Einheit Sekundäraluminium
herzustellen, werden nur fünf Prozent der Energie verbraucht im Vergleich
zur Herstellung von Primäraluminium. Übertragen auf die
Automobilproduktion bedeutet das eine Einsparung von 0,7 Tonnen CO2 pro
Fahrzeug beziehungsweise 700.000 Tonnen CO2 für die SUV-Jahresproduktion
in Deutschland. Aluminium wird immer häufiger in elektrischen Fahrzeugen
verwendet, um beispielsweise das Gewicht der Batterie auszugleichen. Das
verschärft die Notwendigkeit, klimafreundlichere Alternativen wie
Sekundäraluminium hinsichtlich seiner Anwendung zu untersuchen und zu
optimieren. Aktuelle Prognosen zeigen, dass das Einsparpotenzial bei
aluminiumintensiven Bauweisen bei bis zu 1,7 Tonnen CO2 pro Fahrzeug
liegt.

Der digitale Zwilling

Mithilfe eines digitalen Zwillings sollen verschiedene Zusammensetzungen
von Sekundäraluminium modelliert werden, um den bestmöglichen Ersatz für
das Original zu finden. So müssen die vielen Materialvarianten nicht alle
in Experimenten durchgetestet werden, sondern werden zeit- und
ressourcensparend im Modell erforscht. Vorherige Untersuchungen haben
bereits gezeigt, dass kleine Verunreinigungen des Primäraluminiums
auftreten und dennoch für den sicheren Einsatz des Werkstoffs akzeptabel
sind. Die Frage ist jedoch, wie groß kann bzw. darf der Anteil von
recyceltem Aluminium werden und in welcher Zusammensetzung? Die Antwort
kann der digitale Zwilling liefern.

„Die Entwicklung eines digitalen Zwillings, also einer mehrskaligen
physikalischen Abbildung des zu untersuchenden Materials – der Alu-
Sekundärlegierung – wird die experimentellen Bemühungen deutlich verkürzen
und es ermöglichen, die zur Verfügung stehenden Schrotte uneinheitlicher
Qualität in Bezug auf den möglichen Einsatz in der Materialherstellung
beziehungsweise der Produktion zu bewerten“, erklärt Eugen Gazenbiller,
Doktorand am Hereon-Institut für Oberflächenforschung.

Das Verbundprojekt „S3-ALU: Simulationsmethodiken zur Bewertung von
Bauteilen und Systemen für nachhaltigen Leichtbau mit Sekundär-Aluminium“
wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) über drei
Jahre mit 2 Millionen Euro gefördert. Projektpartner aus der Forschung
sind das Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE), Access e. V. und
das Helmholtz-Zentrum Hereon, dessen Institut für Oberflächenforschung das
Projekt koordiniert. Aus der Industrie sind die Volkswagen AG, Bode – die
Tür GmbH und LGL Bad Langensalza GmbH beteiligt.

Hintergrund: Digitaler Zwilling

Ein digitaler Zwilling ist eine virtuelle Darstellung eines realen
Prozesses, Objekts oder Materials mit einer wechselseitigen Verbindung.
Das heißt, dass Änderungen am realen Objekt nahezu in Echtzeit in den
digitalen Zwilling einfließen. Im nächsten Schritt kann der digitale
Zwilling unterschiedlichen Rahmenbedingungen ausgesetzt werden und so
wiederum potenzielle „Was-wäre-wenn"-Szenarien des realen Objekts
darstellen. So können zum Beispiel Materialien und Werkstücke zunächst
digital in verschiedenen Situationen getestet werden, ohne Durchlauf des
vollständigen Produktionsprozesses.