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Autonom fahrende LKW werden in der Zukunft auf den Straßen unterwegs sein.
Dabei stellt sich die Frage, wie der technisch einwandfreie Zustand des
Trailers vor Fahrtantritt überprüft werden kann, wenn es keinen Fahrer
mehr gibt. Dies betrifft insbesondere die Komponenten, die für die
Verkehrssicherheit und fahrdynamische Stabilität verantwortlich sind. Auch
die Fahreigenschaften des Gespanns, die der Fahrer während der Fahrt
erfühlt und seine Fahrweise darauf einstellt, müssen automatisiert erfasst
und durch den Autopiloten berücksichtigt werden. Im Forschungsprojekt
»IdenT« unter Federführung der BPW Bergische Achsen KG haben Forscherteams
eine Lösung für diese Fragestellungen erarbeitet.

Der Kern der Lösung ist ein EDGE Device auf dem Trailer, der mithilfe
eines Sensornetzwerks verschiedene Messgrößen wie Beschleunigungen,
Drücke, oder Kamerabilder erfasst. Auf dem Rechner läuft ein digitaler
Online-Zwilling, der die Daten in Echtzeit in einem Fahrdynamikmodell des
Trailers verarbeitet. Besondere Fahrsituationen, die einer umfassenderen
Analyse bedürfen, werden erkannt und automatisch an einen Cloud-basierten
Offline-Zwilling zur detaillierteren Auswertung übergeben.

Entwicklung von MKS-Modellen für digitalen Offline-Zwilling

Forschende aus dem Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und
Systemzuverlässigkeit LBF haben im Forschungsprojekt »IdenT -
Identifikation dynamik- und sicherheitsrelevanter Trailerzustände für
automatisiert fahrende Lastkraftwagen« Mehrkörpersimulation (MKS)-Modelle
für einen digitalen Offline-Zwilling entwickelt und implementiert. Er
dient zur numerischen Simulation betriebsfestigkeitsrelevanter
Fahrsequenzen, die von dem Online-Zwilling während der Fahrt auf Basis
spezifischer Messsignale identifiziert werden. Gemessene und vom Online-
Zwilling identifizierte Zeitreihen und Parameter werden auf ein Cloud-
System gesendet, auf dem der gesamte Prozess des Offline-Zwillings
getriggert wird. Dieser besteht aus verschiedenen Funktionen, die von den
Projektpartnern entwickelt und zusammen in eine Prozesskette integriert
wurden. Zentrales Element ist ein detailliertes MKS-Modell des LKW-
Trailers, das für die Simulation jedes Abschnittes automatisiert an den
aktuellen identifizierten Zustand des realen Fahrzeugs mit entsprechenden
Funktionen angepasst wird. Im Anschluss jeder Simulation berechnen
zusätzliche Funktionen die Prognose des Betriebsfestigkeitszustandes
ausgewählter Komponenten.

Wesentliche Größen für die Validierung des digitalen Zwillings sind die
Kopplungskräfte am King Pin, über den der Trailer an die Zugmaschine
angehängt wird. Die Modelle wurden mit diesen Messdaten abgeglichen, so
dass diese Schnittkräfte zukünftig durch Modelle zuverlässig bestimmt
werden.

Schnittkraftmessung am King Pin

Im Rahmen von »IdenT« wurde eine Messplattform aufgebaut, die die
angreifenden Kräfte und Momente am King Pin im Fahrbetrieb erfasst. Die
Messplattform besteht aus Kraftmesszellen und ist dafür vorgesehen im
Entwicklungsprozess oder zu Validierungszwecken eingesetzt zu werden.
Beispielsweise werden mit dem Messaufbau Belastungsdaten ermittelt oder
genaue Daten zur Abstimmung der Bremssysteme des Trailers erfasst.

KI-basierte Identifikationsalgorithmen monitoren Elastomerlager

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Fraunhofer LBF
befassten sich auch mit der Identifikation des Zustands der Fahrwerk-
Elastomerlager und verfolgten zwei parallele Ansätze. Auf einer Seite
wurden Physik-basierte Identifikationsalgorithmen entwickelt, die ein
vereinfachtes mechanisches Modell der Achse mit Algorithmen zur Parameter-
Identifikation kombinieren. Das ermöglicht die Schätzung der mechanischen
Eigenschaften der Elastomerlager, die im Zusammenhang mit dem Zustand der
Elastomerlager stehen. Auf der anderen Seite wurden KI-basierte
Identifikationsalgorithmen implementiert, die einen direkten Zusammenhang
zwischen verfügbaren Messdaten und dem Elastomerlager-Zustand bilden.
Beide Ansätze lieferten im Projekt die gewünschten Informationen.

Autarke Sensoren aus dem Fraunhofer LBF

Ein Teil des Sensornetzwerkes ist ein Modul, das als Achskapsel eines
Trailer-Rades installiert wird. Ein kleiner Generator, der durch die
Raddrehung gespeist wird, liefert genug Energie für die Versorgung von
Sensoren, einem leistungsstarken Controller und verschiedenen
Funkschnittstellen wie Bluetooth oder LoRaWAN. Der Achskapselsensor kann
als Teil des Sensornetzes Daten für die digitalen Zwillinge sammeln oder
als Stand-Alone Einheit Sensordaten erfassen, auswerten und per Funk
verschicken.