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Es ist ein echter Fall. Zugetragen hat sich das Drama in den letzten
Wochen: Vermutlich dachte die Patientin aus Nordrhein-Westfalen, alles
richtig gemacht zu haben. Schließlich hatte sie im Gegensatz zu vielen
anderen eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung. Doch nun liegt
sie im Koma und muss höchstwahrscheinlich gegen ihren eigenen Wunsch
weiterleben. Nicht konkret genug seien die Angaben auf den von ihr
ausgefüllten Formularen, lautete das Urteil des Bundesgerichtshofs.

„Dieser tatsächliche Fall ist leider kein Einzelfall“, sagt Professor
Stefan Kluge, Präsidiumsmitglied der Deutschen Interdisziplinären
Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und Präsident des 16.
DIVI-Kongresses. „Laut einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs kann
eine Patientenverfügung nur dann in Kraft treten, wenn sie sehr präzise
und konkret umgesetzt werden kann.

Doch was heißt das? Ist es nicht eindeutig, wenn der Patient schreibt, er
wünscht für den Fall, dass das Gehirn durch Krankheit oder Unfall einen
schweren Dauerschaden erleidet, keine lebensverlängernden Maßnahmen? Nein,
das ist es nicht! Intensivmedizinische Behandlungen müssen exakt benannt
werden. Dazu gehören Maßnahmen wie die künstliche Ernährung oder eine
künstliche Beatmung. Ebenso wie etwa in der Behandlungssituation, bei der
sich jemand im Wachkoma befindet oder im Endstadium einer unheilbaren
Krankheit. „Wenn nur ein Punkt fehlt, dürfen wir Ärzte nicht eingreifen“,
erklärt Professor Kluge, der auch Direktor für die Klinik für
Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf ist. „Deshalb
lohnt es sich, seine Patientenverfügung noch einmal genau durchzugehen.“
Für den Patienten ist es wichtig zu wissen: Die Patientenverfügung muss
nicht medizinisch perfekt formuliert, aber eben konkret und aussagefähig
sein.

Liegt keine Patientenverfügung vor, wie es bei 70 Prozent aller
Bundesbürger nach wie vor der Fall ist, muss der „mutmaßliche Wille“
ermittelt werden. Nötig dafür ist allerdings außerdem eine
Vorsorgevollmacht. „Ehepartner oder Familienangehörige wähnen sich oft auf
der sicheren Seite und glauben sich gegenseitig vertrauen zu können“, sagt
der Experte. „Doch dem ist nicht so. Bei Handlungsunfähigkeit bestellt das
Gericht einen Betreuer und dieser muss nicht unbedingt ein naher
Verwandter sein.“ Wer also nicht möchte, dass sich ein Fremder um seine
Belange kümmert, sollte dies mit einer Vorsorgevollmacht verhindern.

Mit der Vorsorgevollmacht ist es möglich, eine Person des Vertrauens zu
ermächtigen, alle persönlichen und gesetzlichen Entscheidungen zu treffen,
wenn man selbst dazu nicht mehr in der Lage ist. Ein handschriftlich
verfasster Text oder ein Formular genügen. „Es ist ratsam, das
Schriftstück dem Hausarzt vorzulegen, um eventuelle Unklarheiten zu
beseitigen“, sagt der Hamburger Intensivmediziner. „Das gilt auch für die
Bereitschaft zur Organspende.“

In den meisten Fällen setzen sich Ehepartner gegenseitig als
Bevollmächtigte ein. „Das ist verständlich, es geht ja schließlich um
uneingeschränktes Vertrauen“, führt Professor Kluge aus. „Doch im hohen
Lebensalter kann es Sinn machen, noch eine weitere, jüngere Person zu
bevollmächtigen. Ideal sind erwachsene Kinder. Denn es ist möglich, dass
der in der Regel selbst schon ältere Ehepartner mit der Verantwortung
überfordert ist oder sogar vor ihm stirbt.“ Übrigens: Niemand muss sich
einen teuren Anwalt nehmen, um eine korrekt formulierte Vorsorgevollmacht
oder eine Patientenverfügung aufzusetzen. Auch eine Beglaubigung oder
Beurkundung ist laut Gesetz nicht vorgeschrieben. Sehr gute Anleitungen
mit Textbausteinen, die den neuesten gesetzlichen Anforderungen
entsprechen, bietet das Bundesjustizministerium (<www.bjm.de>).

DIVI-Kongress 2016 „Präzision und Komplexität“

Das Thema „Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung“ spielt auch auf dem
diesjährigen DIVI-Kongress eine wichtige Rolle, der vom 30.11. bis zum
02.12.2016 in Hamburg stattfindet. „Wir freuen uns mit rund 6000
erwarteten Teilnehmern über einen neuen Besucherrekord“, sagt
Kongresspräsident Professor Stefan Kluge. „Damit ist der DIVI-Kongress der
größte Kongress einer Fachgesellschaft im deutschsprachigen Raum zum Thema
Intensiv- und Notfallmedizin und untermauert den immer wichtiger werden
Stellenwert dieses Fachbereichs.“

Wie in den vorangegangenen Jahren bietet der DIVI-Kongress 2016 wiederum
das gesamte Spektrum der Intensiv- und Notfallmedizin in verschiedenen
Formaten an. Dazu gehören wissenschaftliche Symposien, Workshops und
Fortbildungskurse. Weitere wichtige Elemente des Programms sind der
durchgehende Pflegekongress sowie der durchgehende Strang zu
notfallmedizinischen Themen, der den Stellenwert der Notfallmedizin
unterstreicht. Ein besonderer Schwerpunkt wird erneut auf
praxisorientiertes Handeln gelegt. Es werden insgesamt über 60 spannende
und innovative Workshops angeboten, welche durch Simulatoren, Schauspieler
und diverse reale Diagnostik- und Therapiegeräte den besonderen Charakter
echter Hands-On Kurse haben und die Vielfalt der Intensiv- und
Notfallmedizin widerspiegeln.

Eine schöne Tradition ist mittlerweile der DIVI-Charity Walk and Run,
dessen Erlös an die Organisation „Kinderhilfe Organtransplantation, KiO
eV. geht. Die Schirmherrschaft für diesen Lauf hat das Vorstandsmitglied
des KiO e.V. Herr Hartwig Gauder übernommen, Olympiasieger im Gehen, der
auch den Startschuss gibt.

Kongressteilnehmer können am Simulationstraining des Kommandos Schnelle
Einsatzkräfte Sanitätsdienst und des Kommandos Sanitätsdienst des
Bundeswehrkrankenhauses Hamburg teilnehmen. Die Hamburger Feuerwehr führt
Übungen vor (Rettung eines übergewichtigen Menschen / Höhenrettung).
Weitere Information zum Kongress, allen Themen und Veranstaltungen unter
<www.divi2016.de> im Internet.

DIVI weltweit einzigartig

Die 1977 gegründete DIVI ist ein weltweit einzigartiger Zusammenschluss
von mehr als 2000 Anästhesisten, Neurologen, Chirurgen, Internisten,
Kinder- und Jugendmedizinern sowie Fachkrankenpflegern und entsprechenden
Fachgesellschaften: Ihre fächer- und berufsübergreifende Zusammenarbeit
und ihr Wissensaustausch machen im Alltag den Erfolg der Intensiv- und
Notfallmedizin aus. Insgesamt bündelt die DIVI damit das Engagement von
mehr als 30 Fachgesellschaften und persönlichen Mitgliedern. Mehr unter
<www.divi.de>.