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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.  DHS/Angela PfeifferDeutscher Herzbericht: Sterblichkeit durch Herzkrankheiten sinkt, leichter
Anstieg bei stationären Aufnahmen / Europa-Analyse: nur mittelmäßige Werte
für Deutschland in der Senkung der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit

Die Zahl der Sterbefälle durch Herzerkrankungen ist in Deutschland
insgesamt leicht gesunken, während die Neuerkrankungen (stationäre
Aufnahmen) zugenommen haben. Wie in den Vorjahren sterben bei Betrachtung
der Herzkrankheiten in der Summe mehr Frauen (110.915) als Männer
(97.061), wie der neue Deutsche Herzbericht 2016 belegt. Der Herzbericht
wird von der Deutschen Herzstiftung zusammen mit den ärztlichen
Fachgesellschaften für Kardiologie (DGK), Herzchirurgie (DGTHG) und
Kinderkardiologie (DGPK) alljährlich herausgegeben und kann kostenfrei
unter http://www.herzstiftung.de/herzbericht angefordert werden.
Insgesamt wurden 1.677.103 Männer und Frauen mit koronarer Herzkrankheit
(KHK)/Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen, Herzklappenerkrankungen,
Herzschwäche und angeborenen Herzfehlern 2015 in eine Klinik eingewiesen
(2014: 1.660.253). Leicht gesunken sind einzig die stationären Aufnahmen
wegen KHK/Herzinfarkt, bei den anderen Herzkrankheiten gab es Anstiege.
„Dieser Trend zeigt, dass zwar die Herzinfarkt-Erkrankungen sinken.
Gleichzeitig wächst trotz verbesserter Untersuchungs- und
Behandlungsmöglichkeiten die Zahl der Herzpatienten stetig, die der
medizinischen Versorgung und der Unterstützung durch Information und
Aufklärung bedürfen“, betont Prof. Dr. med. Thomas Meinertz,
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. „Bei den
Klappenerkrankungen sehen wir, dass die Patienten häufiger diagnostiziert
und behandelt werden, zwar eine Verbesserung ihrer Beschwerden erfahren,
aber auch nach einer Behandlung noch klappenkrank bleiben.“

Höchste Infarktsterblichkeit in ostdeutschen Ländern, aber positiver Trend
sichtbar
Die Zahl der Sterbefälle durch Herzerkrankungen ist in der Summe gesunken.
Starben 2012 insgesamt 215.143 Menschen an KHK/Herzinfarkt,
Herzrhythmusstörungen, Herzklappenerkrankungen, Herzschwäche und
angeborenen Herzfehlern, waren es 207.976 Sterbefälle im Jahr 2014,
darunter mehr als die Hälfte KHK-Patienten mit 121.166 Gestorbenen, davon
48.181 Herzinfarkttote (2012: 52.516, 1990: 85.625). Der aktuelle
Herzbericht belegt auch, dass weiterhin die ostdeutschen Bundesländer
Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern
eine Spitzenposition in der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit einnehmen, wenn
man KHK/Herzinfarkt, Herzschwäche, Klappenkrankheiten und
Rhythmusstörungen in der Summe betrachtet. Die niedrigste aufsummierte
Sterbeziffer weist demnach Berlin mit 169 Gestorbenen pro 100.000
Einwohnern (EW) auf, Sachsen-Anhalt die höchste mit 391 Gestorben pro
100.000 EW. Zwar ist in diesen Ländern – wie auch im westdeutschen
Saarland – weiterhin die Sterblichkeit am akuten Herzinfarkt am höchsten.
„Erfreulicherweise ist aber in diesen ostdeutschen Regionen ein positiver
Trend mit Sterblichkeits-Rückgängen insbesondere in Sachsen, Brandenburg,
Sachsen-Anhalt und Thüringen feststellbar“, betont Prof. Meinertz. Seine
Sterbeziffer konnte Sachsen innerhalb eines Jahres deutlich verringern:
von 93 Gestorbenen pro 100.000 EW (2013) auf 83 (2014). Auch in anderen
Gebieten wie Bayern, Rheinland-Pfalz, Hessen und Niedersachsen konnte die
Infarktsterblichkeit gesenkt werden. „Grund für diese Entwicklung können
verbesserte Abläufe im Rettungssystem, strukturelle Optimierungen in der
medizinischen Versorgung in den Kliniken und mehr Wissen über die
Herzinfarkt-Symptome sein. Dies darf jedoch nicht über den hohen Bedarf an
Präventionsmaßnahmen in der Bevölkerung hinwegtäuschen“, warnt Prof.
Meinertz. Wie der Herzbericht zeigt, treten in Bundesländern wie Sachsen-
Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit einer
überdurchschnittlich hohen Infarktsterblichkeit meistens auch die
wichtigsten Risikofaktoren für KHK/Herzinfarkt häufiger auf: Rauchen,
Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht und metabolisches Syndrom.
Analyse zur Herz-Kreislauf-Sterblichkeit in Europa: Deutschland ohne
Spitzenposition
Dass für Deutschland ein hoher Verbesserungsbedarf in der Bekämpfung der
Sterblichkeit und Erkrankungshäufigkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen
und der KHK besteht, belegt eine europaweite Ländervergleichsstudie
(Nichols M., et al., Cardiovascular disease in Europe: epidemiol. update
2016, European Heart Journal 2016). Untersucht wurden u. a. die
Sterblichkeitsraten zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt und zur KHK
in rund 50 europäischen Ländern. Die Übersichtsarbeit zeigt, dass
Deutschland, gemessen an der altersstandardisierten Herz-Kreislauf-
Sterblichkeitsrate (ASDR: Gestorbene Männer bzw. Frauen pro 100.000
Personen) allenfalls im Mittelfeld liegt (vergleichbar mit Griechenland
und Finnland). Die Abnahme der Sterblichkeit innerhalb von zehn Jahren
gelingt Deutschland deutlich schlechter als z. B. Frankreich, der
Niederlande, Spanien oder Großbritannien. Senkte Deutschland bei einer
ASDR von 477,2 (gestorbenen Männern pro 100.000) die Zehn-Jahres-
Sterblichkeit um 29,7%, senkten sie die Niederlande um 39,2% (ASDR: 332),
Frankreich um 34% (ASDR: 275,2), Spanien um 33,2% (ASDR: 292,4) und
Großbritannien um 42,2% (ASDR: 334,3). Ähnlich liegen die Verhältnisse bei
Frauen.

Versäumnisse in der Prävention Ursache für Ergebnisse?
Vergleichbar schwach im Ergebnis zeigt sich Deutschland im Ländervergleich
bei den verlorenen gesunden Lebensjahren aufgrund von Tod und einer
Erkrankung pro 1.000 Personen (Messgröße „DALY“, engl. für Disability-
adjusted life years): Auch hier sieht die Situation für Herz-Kreislauf-
Patienten in Deutschland mit 67 DALYs pro 1.000 Personen schlechter aus
als in anderen Ländern wie Frankreich (40), Italien (54), den Niederlanden
(42), Großbritannien (46) oder Slowenien (55). „Die Ergebnisse dieser
Übersichtsarbeit sind überraschend, geht man doch davon aus, dass
Deutschland bei den eingesetzten Diagnose- und Therapieverfahren der
Kardiologie und Herzchirurgie Spitzenwerte aufweist. An sich sollte man
erwarten, dass dieser hohe Einsatz zu einer Verminderung der Sterblichkeit
führt“, betont Prof. Meinertz. „An der Spitze steht Deutschland im Mangel
an Präventionsstrategien in der kardiovaskulären Medizin.“
Um die Ergebnisse in Deutschland zu verbessern, müssten neben den
Möglichkeiten der Apparatemedizin vor allem die Potenziale der
Gesundheitsvorsorge bereits bei den Klein- und Schulkindern in Angriff
genommen werden: durch gezielte kindernahe Aufklärung über
Lebensstilfaktoren wie gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung sowie die
Funktionsweise des Herz-Kreislauf-Systems. „Die zuständigen
Landesministerien und Behörden müssen zudem viel mehr in Vorsorgeprogramme
mit Gesundheits-Checkups, Ernährungs- und Bewegungsangeboten für
Erwachsene in Beruf und Familie investieren.“

Tipps und Infos zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhalten Betroffene bei der
Deutschen Herzstiftung per Tel. unter 069 955128400 oder unter
http://www.herzstiftung.de