Pin It

60. Deutscher Kongress für Endokrinologie der Deutschen Gesellschaft für
Endokrinologie (DGE), 15. bis 17. März 2017

Tumoren in der Nebenniere, einer kleinen, aber lebenswichtigen
Hormondrüse, könnten mit einem neuartigen nuklearmedizinischen Verfahren
mit radioaktiven Substanzen, die in winzigen Dosen eingesetzt werden,
besser diagnostiziert und zielgerichtet behandelt werden. Das könnte
helfen, zahlreiche unnötige Operationen zu vermeiden und Patienten mit
fortgeschrittenen Krebserkrankungen der Nebenniere wirksam zu behandeln,
wie Mediziner auf dem 60. Deutschen Kongress für Endokrinologie (15. bis
17. März 2017) in Würzburg im Rahmen eines Hauptsymposiums darstellen.

Die Nebennieren produzieren lebenswichtige Hormone, darunter das
körpereigene Kortison, das Stresshormon Adrenalin und Aldosteron zur
Blutdruckkontrolle. „Nebennierentumoren gehören zu den häufigsten Tumoren
des Menschen und sind meist harmlos“, sagt Professor Dr. med. Stefanie
Hahner, die sich am Universitätsklinikum Würzburg auf Erkrankungen der
Nebenniere spezialisiert hat. „Diese Tumoren bilden meistens keine Hormone
und bleiben auf die Drüse begrenzt“, so die DGE-Kongresspräsidentin.
Häufig werden sie zufällig bei einer Computer- oder Kernspintomographie
entdeckt. „Wir standen dann bislang vor der Frage, ob der Tumor bösartig
ist und entfernt werden muss oder nicht“, so Hahner. In mehr als der
Hälfte der Fälle stellte sich nämlich nachträglich heraus, dass der Tumor
gutartig und die Operation unnötig war, erklärt die Expertin.

Ein sogenannter SPECT-Tracer, den der Würzburger Radiochemiker Dr. Andreas
Schirbel hergestellt hat, soll dies in Zukunft verhindern. Dabei handelt
es sich um ein radioaktives mit Iod-123 markiertes Medikament.
„Iodmetomidat bindet an zwei nur in den Nebennieren vorhandenen Enzyme“,
erklärt Hahner: „Das Mittel reichert sich deshalb nur in den Zellen der
Nebenniere an.“ Mit der SPECT (Single-Photonen-Emissions-

Computer-
Tomographie)-Untersuchung machen die Mediziner dies sichtbar. In einem
weiteren nuklearmedizinischen Verfahren, der Positronen-Emissions-
Tomographie (PET) mit einem radioaktiven Blutzucker-Molekül, wird
zusätzlich der Energiestoffwechsel der Tumoren untersucht. „Die
Kombination der beiden Verfahren ermöglicht dabei eine für den Patienten
sehr schonende Charakterisierung des Tumors und könnte helfen unnötige
Operationen zu vermeiden“, erklärt Professor Dr. med. Matthias M. Weber,
Leiter des Endokrinen und Neuroendokrinen Tumorzentrums der Universität
Mainz. Ob die beiden Untersuchungen die Entscheidung über die Operation
weiter verbessern, wird nach Auskunft des DGE-Mediensprechers derzeit in
einer europaweiten Studie geklärt.

Eine weitere sehr wichtige Anwendung des neuentwickelten Iodmetomidat
könnte der Einsatz als Strahlentherapeutikum bei Patienten mit
fortgeschrittenem Krebs der Nebennieren sein. „Da Iodmetomidat
ausschließlich in der Nebenniere angereichert wird, erzielen wir mit
Iod-131 markiertem Iodmetomidat im Tumor eine sehr hohe Strahlendosis,
während der Rest des Körpers verschont wird“, so die Würzburger
Endokrinologin Hahner.
Diese „innere Bestrahlung“ des Tumors wäre als Behandlung für die
Patienten mit Nebennierenrindenkrebs sehr viel schonender als die bisher
notwendige Chemotherapie und könnte durch den Einsatz einer weiteren in
Würzburg entwickelten Substanz, das IMAZA, noch einmal deutlich verbessert
werden. Die Aufnahme dieses Radiopharmakons ist laut Hahner 10-fach höher
als die von Iodmetomidat. Die DGE-Experten Hahner und Weber hoffen daher,
dass diese neuen nuklearmedizinischen Entwicklungen die
Behandlungsmöglichkeiten von Patienten mit metastasiertem
Nebennierenkarzinom in der Zukunft deutlich verbessern werden.

Literatur:
Kreissl MC, Schirbel A, Fassnacht M, Haenscheid H, Verburg FA, Bock S, et
al.: [¹²³I]Iodometomidate imaging in adrenocortical carcinoma. J Clin
Endocrinol Metab. 2013 Jul;98(7):2755-64
Hahner S, Kreissl MC, Fassnacht M, Haenscheid H, Bock S, Verburg FA, et
al.: Functional characterization of adrenal lesions using [123I]IMTO-
SPECT/CT. J Clin Endocrinol Metab. 2013 Apr;98(4):1508-18.
Hahner S, Kreissl MC, Fassnacht M, Haenscheid H, Knoedler P, Lang K, et
al.: [131I]iodometomidate for targeted radionuclide therapy of advanced
adrenocortical carcinoma. J Clin Endocrinol Metab. 2012 Mar;97(3):914-22
Herrmann LJ, Heinze B, Fassnacht M, Willenberg HS, Quinkler M, Reisch N,
et al.: TP53 germline mutations in adult patients with adrenocortical
carcinoma. J Clin Endocrinol Metab. 2012 Mar;97(3):E476-85
Fassnacht M, Terzolo M, Allolio B, Baudin E, Haak H, Berruti A, et al.:
FIRM-ACT Study Group: Combination chemotherapy in advanced adrenocortical
carcinoma. N Engl J Med. 2012 Jun 7;366(23):2189-97
Hahner S, Stuermer A, Kreissl M, Reiners C, Fassnacht M, Haenscheid H, et
al.: [¹²³I]Iodometomidate for molecular imaging of adrenocortical
cytochrome P450 family 11B enzymes. J Clin Endocrinol Metab. 2008 Jun,
93(6):2358-65
Hahner S1, Caoili E2, Else T3.: 5th International ACC Symposium: Imaging
for Diagnosis and Surveillance of Adrenal Tumors--New Advances and Reviews
of Old Concepts. 2016 Feb;7(1):40-3. doi: 10.1007/s12672-015-0245-y. Epub
2015 Dec 18.

Terminhinweise:
Pressekonferenz anlässlich des 60. Deutschen Kongresses für Endokrinologie
der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
Termin: Mittwoch, 15.03.2017, 11:00 bis 12:00 Uhr
Ort: Congress Centrum Würzburg (CCW); Raum 7-9
Anschrift: Kranenkai, Eingang B, 97070 Würzburg

S11: Molecular imaging and theranostic approaches in endocrinology
Targeting adrenal enzymes and receptors for molecular imaging and therapy
of adrenal tumours, Stefanie Hahner, Würzburg
Termin: Freitag, 17.03.2017, 16:30 bis 18:00 Uhr

Endokrinologie für die Praxis – Update 2017
Was soll ich tun bzw. lassen bei einem zufällig entdeckten
Nebennierenknoten – die neuen Europäischen Leitlinien, Felix Beuschlein,
München
Termin: Mittwoch, 15.03.2017, 15:55 bis 17:20 Uhr

Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den
Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen – zum
Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in
Hoden und Eierstöcken – „endokrin“ ausgeschüttet, das heißt nach „innen“
in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben „exokrine“ Drüsen wie
Speichel- oder Schweißdrüsen ihre Sekrete nach „außen“ ab.