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Medizinische Versorgung von Flüchtlingen im Fokus: Was kann und darf die
Migrationsmedizin leisten?

Mannheim – In den vergangenen zwei Jahren sind rund eine Million Menschen
als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Diese müssen nicht nur akut
versorgt, sondern auch langfristig in das deutsche Gesundheitssystem
integriert werden.
Aber nicht immer ist klar, welche Leistungen von welchem Kostenträger
übernommen werden und ob etwa vor der Behandlung eine Kostenzusage
eingeholt werden muss.

Diese und weitere Fragestellungen rund um die medizinische Betreuung
geflüchteter Menschen beleuchtet Dipl.-Med. Petra Albrecht von der
Sächsischen Landesärztekammer in Dresden auf der Pressekonferenz der
Korporativen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin
(DGIM) am 30. April in Mannheim. Sie findet im Rahmen des 123.
Internistenkongress vom 29. April bis 2. Mai in Mannheim statt.

„Die medizinische Versorgung von geflüchteten Menschen ist in Deutschland
gesetzlich stark reguliert“, sagt Bianca Wittig, Sprecherin der
Korporativen Mitglieder der DGIM aus Wiesbaden. Dennoch gebe es große
Interpretationsspielräume und die Regelungen würden regional sehr
unterschiedlich umgesetzt. „Die vor Ort geltenden Regelungen – etwa dazu,
welche Behandlung wo vorgenommen werden sollte und welcher Kostenträger
zuständig ist – können oftmals nicht rasch geklärt werden“, nennt Petra
Albrecht von der Sächsischen Landesärztekammer ein Beispiel. In Sachsen
haben sich daher verschiedene Ministerien, die Landesärztekammer, die
Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenhausgesellschaft auf eine
landesweit gültige Interpretationshilfe zum Asylbewerberleistungsgesetz
verständigt.
In dieser wird dargelegt, auf welche Leistungen Flüchtlinge Anspruch haben
und in welchen Fällen eine Kostenzusage notwendig ist.

Oft geht wertvolle Zeit auch dadurch verloren, dass Vorbefunde oder die
Ergebnisse der Erstuntersuchung nicht vorliegen. Hier könnten die Abläufe
nach Albrechts Ansicht noch wesentlich verbessert und der bürokratische
Aufwand reduziert werden. Eine zentrale Stellung kommt dabei den
Gesundheitsämtern zu. „Sie führen nicht nur die Erstuntersuchung durch,
sondern kontrollieren auch die Unterbringungseinrichtungen, beurteilen die
Anträge auf Kostenübernahme und übernehmen teilweise die Impfungen der
Flüchtlinge“, zählt Petra Albrecht auf.

Ein zentrales Problem bei der Behandlung von Migranten sind
Kommunikationsprobleme. „Die Kosten für Dolmetscher werden von den
Kostenträgern jedoch nur im ambulanten Bereich und auf Antrag übernommen“,
erläutert Amtsärztin Albrecht. Für Kliniken, in denen viele Flüchtlinge
behandelt werden, ist es daher wichtig, die Logistik zu klären und zum
Beispiel Dolmetscher, Flüchtlingslotsen oder auch mehrsprachige
Informationsbroschüren zur Verfügung zu stellen.

Die Behandlung leichterer Fälle direkt in den Erstaufnahmeeinrichtungen
ist oft eine sehr ressourcenschonende Möglichkeit, zumal dort auch
Dolmetscher vor Ort sind. Bundesweit gibt es daher immer noch viele,
zumeist ehrenamtlich organisierte Sprechstunden und
Erstaufnahmeeinrichtungen. Auch die Einrichtung spezieller
Flüchtlingspraxen mit fest angestellten Dolmetschern trägt dazu bei,
Kosten zu senken und Behandlungsabläufe zu beschleunigen. „Solche Praxen
sind aber abhängig von finanzieller Unterstützung durch die betreffenden
Kreise und kreisfreien Städte und die Landesregierung“, sagt Petra
Albrecht. Leider werde in diesem Bereich – ebenso wie bei der personellen
Ausstattung der Gesundheitsämter – oft an der falschen Stelle gespart.

Auch wenn viele bürokratische Abläufe noch verschlankt und die
Behandlungskriterien noch weiter vereinheitlicht werden könnten –
insgesamt sieht die Amtsärztin die Migrationsmedizin auf einem guten Weg.
„Wir beobachten, dass sich zunehmend eine geordnete Zusammenarbeit
zwischen Kliniken, niedergelassenen Ärzten und Gesundheitsämtern
etabliert“, sagt sie.

Die Versorgungslage geflüchteter Menschen, noch bestehende Probleme und
Lösungsmöglichkeiten sind ein Thema auf der Pressekonferenz am 30. April
in Mannheim. Weitere Informationen zum Kongress finden Interessierte hier:
www.dgim2017.de.