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Die dermatologische Forschung auf dem Gebiet der Allergie ist in den
vergangenen Jahren um Meilen vorangeschritten. Die akute Lebensbedrohung
bei Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut als Folgesymptom schwerer
Arzneikomplikationen konnte  deutlich gesenkt werden.  Besonders neu ist,
dass sich heute auch komplexe Allergien mit Antikörpern und spezifischen
Immuntherapien gut behandeln lassen. Zu den interessantesten Beobachtungen
gehören neue Erkenntnisse zur Verknüpfung von neurologischen und
allergologischen Reaktionen.

Der Ausdruck ‚Allergie’ wurde vor gut 100 Jahren geprägt und bedeutet
‚anders reagieren’. Allergien im engeren Sinne sind normale Immunantworten
mit zwei Besonderheiten: (1) Die Immunantwort ist nicht gegen einen
Krankheitserreger gerichtet, sondern gegen eigentlich harmlose
Umweltstoffe, wie Katzenhaare, Gräser, Nickel im Schmuck oder Medikamente.
Sie richtet sich somit gegen Stoffe, mit denen wir natürlichen Kontakt
haben oder haben wollen. (2) Die Immunreaktion ist so stark, dass sie den
Menschen bedroht.

Wirksame Therapien bei akuten allergischen Krankheitsbildern
Die Dermatologie ist die Disziplin, die i.d.R. Allergien behandelt und
darin umfangreiche Erfahrungen besitzt. Die meisten Allergien betreffen
die Haut und Schleimhäute, manchmal zusammen mit inneren Organen. Zu den
bedrohlichsten Erkrankungen zählt die toxisch epidermale Nekrolyse (TEN),
eine früher oft tödlich verlaufende Allergie, die sich meist gegen
Medikamente richtet. Heute sind die wichtigsten Auslöser und die
Patientengruppen, die besonders häufig eine TEN entwickeln, bekannt. Zudem
verfügt die Dermatologie über eine meist wirksame Therapie.

Impfungen gegen Hausstaubmilben bei Asthma und Ekzemen?
Nachdem erst für die Psoriasis und dann für Tumoren neue wirksame
Behandlungen entwickelt wurden, stehen neuerdings Therapien, Antikörper-
Behandlungen und spezifische Impfungen (Hyposensibilisierungen) für
komplexe Allergien zur Verfügung. Bekannt ist die Hyposensibilisierung zur
Behandlung von Heuschnupfen sowie Bienen- und Wespengiftallergien. Jetzt
wurde gezeigt, dass sich eine Hyposensibilisierung gegen Hausstaubmilben
zur Behandlung von Asthma eignen kann (JAMA, N Engl J Med). Selbst einige
Formen des atopischen Ekzems, die häufigste Ekzemerkrankung, können durch
eine Hyposensibilisierung verbessert werden. „Diese Erkenntnisse sind
aufregend, weil sie erstmalig zeigen, dass komplexe Krankheiten durch eine
spezifische ‚impf-ähnliche’ Behandlung gebessert werden können,“
begeistert sich Prof. Dr. Martin Röcken von der Universitäts-Hautklinik
Tübingen.

Interleukine verstehen
Durch das zunehmende Verständnis von Interleukinen (IL-; flüssige
Botenstoffe) wurden innovative Behandlungen bei Juckreiz und atopischem
Ekzem entwickelt (zweimal N Engl J Med). Neu ist, dass ein Antikörper
gegen IL-31 Juckreiz hemmen kann. Dies beweist, wie eng neurologische und
allergologische Reaktionen beim Menschen miteinander verknüpft sind.
Klinisch noch wichtiger ist, dass die Blockade des gemeinsamen Rezeptors
von IL-4 und IL-13 das schwere atopische Ekzem deutlich verbessern kann.
So kann erstmalig eine krank-machende Immunantwort ohne Schwächung des
Immunsystems ‚umgeleitet’ werden. Ausgehend von diesen bedeutenden
Erkenntnissen in der Dermatologie wird die Wirkung dieser innovativen
Behandlungen aktuell bei weiteren Erkrankungen wie dem Asthma untersucht.

Autor:
Prof. Dr. med. Martin Röcken
Direktor der Universitäts-Hautklinik
Universitätsklinikum Tübingen
Eberhard-Karls-Universität
Liebermeisterstr. 25
72076 Tübingen
Präsidiums-Mitglied der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft e.V.

Jahrestagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG)
Auf der diesjährigen Jahrestagung der DDG gehören Allergien und ihre
innovative Behandlung zu den Schwerpunktthemen. Experten der Dermatologie
teilen aktuellste Erkenntnisse aus der Forschung für die Praxis mit. Sie
sind am Austausch mit Kollegen aus der Praxis interessiert. Die 49.
Jahrestagung der DDG findet vom 26. - 29. April 2017 im Berliner CityCube
statt. Mehr als 3.000 Hautärzte werden erwartet.

Eine gesundheitspolitische Fragestunde findet am 27. April 2017 um 17:15
Uhr im City Cube Berlin statt.