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Zwischen Telemedizin und Smartphone-App:
Wie digitale Technik die Patientenversorgung verändert
Daten quasi in Echtzeit über große Entfernungen auszutauschen –
mithilfe moderner Kommunikationsmittel ist das heute selbstverständlich
geworden. Damit eröffnen sich auch für die medizinische Versorgung völlig
neue Möglichkeiten: Patienten mit chronischen Erkrankungen, wie etwa
Bluthochdruckpatienten, Asthmatiker oder Diabetiker, können die für ihren
Krankheitsverlauf relevanten Messwerte zeitnah an ihren Arzt übermitteln.

Darüber, welche Chancen die Telemedizin bietet, aber auch welche Risiken
mit einer zunehmenden Digitalisierung verbunden sind, diskutieren Experten
der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) bei einer
Pressekonferenz im Rahmen ihres Jahreskongresses am 1. Mai 2017 im
Mannheimer Rosengarten.

Die Möglichkeiten zur telemedizinischen Überwachung sind gekoppelt an die
Entwicklung von Messgeräten, die einfach zu handhaben sind und
zuverlässige Messwerte liefern. Solche Geräte stehen inzwischen für eine
Vielzahl von Messungen zur Verfügung, etwa um Blutdruck, Gewicht,
Blutzucker, Puls oder den Peak-Flow zu erfassen. „Die sehr gute
Datenqualität erleichtert eine zeitnahe und ortsungebundene
Therapiesteuerung und erhöht die Sicherheit von Patient und Arzt“, sagt
Professor Dr. med. Martin Middeke, Leiter des Hypertonie-Zentrums München.
Für sein Fachgebiet, die Bluthochdruckbehandlung, gebe es bereits eine
Fülle von Studiendaten, die belegen, dass sich die Telemedizin positiv auf
die Blutdruckeinstellung und die Versorgung von Hypertonikern auswirke.

Neben der Übermittlung von Messdaten vom Patienten zum Arzt – dem
Telemonitoring – umfasst die Telemedizin auch die Therapiesteuerung und
die Kommunikation mit dem Patienten: Per Telefonanruf, SMS oder über
E-Mail wendet sich der Arzt an den Patienten, um steuernd in die Therapie
einzugreifen – etwa um die antihypertensive Medikation anzupassen. Den
zuweilen geäußerten Vorwurf, die Telemedizin schwäche aufgrund der
räumlichen Distanz das Arzt-Patient-Verhältnis, möchte Middeke daher nicht
gelten lassen. „Ich erlebe es als Vorteil, die Alltagssituation des
Patienten besser beurteilen und regelmäßig darüber kommunizieren zu
können“, sagt der Münchener Internist. Das Verhältnis zu seinen Patienten
werde dadurch deutlich gestärkt.

Während die Telemedizin definitionsgemäß die ärztliche Tätigkeit am und
mit dem Patienten über eine räumliche Distanz hinweg umfasst und so eine
enge Interaktion zwischen Patient und Arzt gewährleistet, sind Patienten
bei der Anwendung von Gesundheits-Apps weitgehend auf sich allein
gestellt. Diese elektronischen Anwendungen, die im Internet zu
Zehntausenden zum Herunterladen bereit stehen, werden von vielen
Medizinern daher deutlich kritischer betrachtet. „Apps, die Ernährungs-
und Fitnesstipps geben oder bei der optimalen Einstellung des Blutzuckers
helfen sollen, können nützlich sein. Sie können aber auch viel Schaden
anrichten“, sagt Professor Dr. med. Dr. h. c. Ulrich R. Fölsch,
Generalsekretär der DGIM aus Kiel. Daher sei es dringend nötig,
Qualitätskriterien für Gesundheits-Apps festzulegen. Auch sollten Ärzte
über die aktuellen digitalen Entwicklungen auf ihrem Fachgebiet auf dem
Laufenden gehalten werden. In welcher Form das geschehen kann und wer die
ständig neu auf den Markt drängenden Apps nach welchen Standards bewertet
– Eckpunkte hierzu soll eine Arbeitsgruppe innerhalb der DGIM erarbeiten,
die im Mai 2017 im Rahmen eines Symposiums erstmals zusammentreten wird.