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Bernhard Schneider, Vorsitzender der ev. Heimstiftung  WLH
Bernhard Schneider, Vorsitzender der ev. Heimstiftung WLH

Mit dem Vortrag "Pflege heute  – wo stehen wir und wo sind die
Herausforderungen?" ging der erste Teil der Ringvorlesung des Jahres
2017/18 der Wilhelm Löhe Hochschule (WLH) zu Ende. Hochkarätige Referenten
gaben einen Einblick in die Herausforderungen der Pflege der Zukunft, wie
Prof. Dr. Thomas Beyer, Landesvorsitzender der AWO, oder Bernhard
Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung. Er stellte
in seinem Vortrag innovative Pflegekonzepte für die Zukunft vor.
Abgerundet wurde die Vortragsreihe von Prof. Dr. Sabine Engel von der KH
Paderborn, die auf konkrete Probleme von Angehörigen von Demenzkranken
einging. Die Reihe wird im Wintersemester fortgesetzt.

Pflege morgen hängt von der Fähigkeit der Akteure heute ab,
Komplettangebote für Pflege und Betreuung anzubieten und dabei
„Plattformlösungen“ für Pflege zu entwickeln, so die Positionierung von
Prof. Thomas Beyer, Vorstandsvorsitzender der AWO Bayern und Professor an
der Technischen Hochschule Nürnberg, der die Ringvorlesungsreihe „Pflege
2030 – wer pflegt morgen?“ der WLH für das Sommersemester abgeschlossen
hat.

In seinem Vortrag gab Thomas Beyer einen Überblick über die
Pflegestärkungsgesetze und ihre Auswirkungen für die Praxis. Vor allem das
Verhältnis von ambulanter zu stationärer Pflege wurde intensiv beleuchtet.
Die ambulante Pflege kann von den letzten Reformen stärker profitieren als
die stationäre, was in vielen Fällen auch dem erklärten Wunsch der
Gepflegten entspricht, möglichst lange zu Hause bleiben zu können. Dennoch
müssen auch die Schattenseiten einer Intensivierung ambulanter Pflege
bedacht werden. Der Großteil der ehrenamtlichen Pflege wird von Frauen
erbracht, die neben Belastungen durch die Pflegearbeit auch mit
Auswirkungen auf das rentenfähige Einkommen rechnen müssen. Auch gibt es
immer weniger Angehörige, die eine Pflege leisten können, sei es durch
Berufstätigkeit oder weil sie weit entfernt leben.
Mit wachsender Komplexität von Pflege, begründet durch wachsende
Fallschwere am Ende des Lebens oder durch die zunehmenden Angebote in der
Pflegewirtschaft, steige die Komplexität für pflegende Angehörige und für
Gepflegte, so Prof. Beyer. Er plädierte dafür, nicht stereotyp dem Prinzip
„ambulant vor stationär“ das Wort zu reden, sondern neue Angebots- und
Organisationsmodelle von Pflege und Versorgung zu fördern. Exemplarisch
stehen dafür neue Formen häuslich orientierter Pflege, die sich zwischen
den Polen organisierter und ehrenamtlicher Pflege bewegt, in dem bspw. das
Wohnen in eigenen Wänden mit ambulanten Dienstleistungen professioneller
Anbieter kombiniert werden kann. Ein wesentlicher Treiber wird durch die
Digitalisierung erfolgen, wo Klienten stärker „Angebote aus einer Hand“
oder „Plattformlösungen für die Pflege“ erwarten werden. Thomas Beyer
sieht Verbände oder große Anbieter in der Pflicht, hier neue Wege zu gehen
und tragfähig Lösungen zu entwickeln. Die Sozialwirtschaft dürfe nicht
glauben, dass sie von den Veränderungen durch den Digitalisierungsprozess
verschont bliebe, so das Fazit von Beyer.

Bernhard Schneider plädierte dafür, Organisationslösungen für eine
Pflegeversorgung zu entwickeln, die Teilhabe und Selbstbestimmung in den
Mittelpunkt stellen. Hier müssen stationäre Anbieter umdenken, um
flexibler auf Betreuungs- und Versorgungsbedarfe von gepflegten Menschen
als auch den pflegenden Angehörigen eingehen zu können. Daher könne eine
Ergänzung stationärer Strukturen um spezielle Wohngruppenmodelle, die sich
mit Angeboten ambulanter Versorgung und Betreuung verknüpfen können, eine
geeignete Zukunftsoption sein. Es gehe darum, den Sozialraum mit einem
gelungenen Mix aus professionalisierter Pflege, Förderung ehrenamtlicher
pflegerischer Strukturen und gelungenen Technikeinsatz weiterzuentwickeln.
In einer regen Diskussion wurde die Bedeutung einer Pflegeentwicklung
skizziert, die sowohl über Sektorengrenzen hinweg als auch ins Quartier
hinein angelegt ist. Die finanziellen Ungleichgewichte zwischen
Betreuungs- und Behandlungspflege im Vergleich von ambulanter und
stationärer Pflege seien daher nicht förderlich. Bernhard Schneider
stellte einige Innovationsprojekte der Evangelischen Heimstiftung vor, die
versuchen lebenslagenorientiert die Kompetenzen von Menschen mit
Betreuungs- und Pflegebedarf vor Ort zu fördern. Ein Entwicklungsansatz
dazu sei das Projekt ALADIEN, das Technik in der Wohnumgebung mit
Informationsstrukturen für professionelle Pflegekräfte und ehrenamtliche
Helfer koordinieren hilft.