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Wenn sich im Bad die Fugen krümmen: Viele Menschen nehmen es hin, wenn im
Alter die Sehkraft nachlässt und das Lesen schwerer fällt. Häufigste
Ursache für eine schwere Sehbehinderung bei älteren Menschen in
Industrienationen ist die altersabhängige Makuladegeneration (AMD). Hier
haben sich die Behandlungsmöglichkeiten für die feuchte AMD-Form in den
zurückliegenden Jahren deutlich verbessert. Die DOG Deutsche
Ophthalmologische Gesellschaft rät älteren Menschen dringend, bei den
ersten Zeichen der Erkrankung einen Augenarzt zu konsultieren. Auf der
Vorab-Pressekonferenz anlässlich des DOG-Kongresses stellen Experten die
neuen Behandlungsansätze vor.

Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD), an der in Deutschland 5,8
Millionen Menschen leiden, entwickelt sich langsam über viele Jahre. „Ein
erster Hinweis sind Schwierigkeiten beim Lesen oder beim Erkennen von
Gesichtern und Details“, berichtet DOG-Präsident Professor Dr. med. Thomas
Kohnen. „Die Patienten sehen beispielsweise ihre Armbanduhr, es fällt
ihnen aber immer schwerer, die Uhrzeit zu erkennen.“ Typisch ist auch ein
„Verzerrtsehen“. Beim Blick auf die Fliesen sind die Fugen sind nicht mehr
parallel, sondern zur Mitte hin gebogen.

Diese Phänomene sind die Folge einer Funktionsstörung im sogenannten
Gelben Fleck (lateinisch: Macula lutea) der Netzhaut. Das nur wenige
Quadratmillimeter große Areal ist für das Detailsehen zuständig. Der
Augenarzt kann die Erkrankung nach Erweiterung der Pupille mit einem
Augenspiegel leicht erkennen.

„Im Frühstadium kommt es zu charakteristischen Ablagerungen, den
sogenannten Drusen“, erläutert Privatdozentin Dr. med. Monika Fleckenstein
von der Universitäts-Augenklinik Bonn. Die Sehkraft sei dann noch nicht
stark eingeschränkt. Später können jedoch die Sinneszellen absterben.
Dabei unterscheiden die Augenärzte zwei Verlaufsformen. Bei der „feuchten“
AMD tritt Flüssigkeit in die Netzhaut aus, und es bilden sich krankhafte
Blutgefäße. Bei der häufigeren „trockenen“ AMD kommt es stellenweise zu
einem Pigmentverlust, was der Netzhaut das Aussehen einer Landkarte
verleiht. Die Augenärzte sprechen in diesem Fall von einer geographischen
Atrophie.

Die feuchte AMD kann heute mit Medikamenten behandelt werden, die die
Bildung der Blutgefäße unterdrücken. Die Behandlung erfolgt durch
Injektion von Antikörpern, die einen Wachstumsfaktor für Blutgefäße
(vascular endothelial growth factor, VEGF) blockieren „Die anti-VEGF-
Therapie war ein Meilenstein in der Behandlung von Patienten mit feuchter
AMD“, sagt DOG-Expertin Fleckenstein. Das Fortschreiten der Erkrankung
kann in vielen Fällen gestoppt, ein weiterer Verlust der Sehstärke
deutlich verzögert werden.

Die Injektionen müssen jedoch regelmäßig wiederholt werden, was die
Patienten und die Angehörigen, die sie zum Termin begleiten müssen, häufig
stark belastet. Anfangs erfolgten die Behandlungen in der Regel monatlich,
in jedem Fall mussten die Patienten monatlich kontrolliert werden.
Inzwischen wird die Behandlung flexibler an die Bedürfnisse der einzelnen
Patienten angepasst. Die Augenärzte nennen dies „Treat-and-Extend“ oder
„T&E“. „Ergebnisse großer Datenauswertungen vor allem aus Großbritannien
und Australien legen nahe, dass mit T&E ebenso gute Ergebnisse erzielt
werden wie mit den bisherigen Behandlungsschemata“, sagt Fleckenstein.
„Für die Patienten fallen deutlich weniger Arzttermine an.“

Auch werden derzeit Medikamente getestet, die eine bessere Wirkung haben
könnten. „Die neueren Wirkstoffe besitzen eine geringere Molekülgröße und
dringen nach den Injektionen wahrscheinlich besser in die Netzhaut ein“,
berichtet Fleckenstein. Die Expertin hält es für möglich, dass die
Neuentwicklungen Brolucizumab und Abicipar pegol, die derzeit in großen
klinischen Studien getestet werden, die Zahl der notwendigen Arzttermine
weiter senken werden. „Einer Pressemitteilung der Firma Novartis zufolge
sind unter der Therapie mit Brolucizumab bei der Hälfte der Patienten nur
noch alle zwölf Wochen Injektionen notwendig“, so Fleckenstein.

Auch für die trockene AMD-Variante besteht Hoffnung auf zukünftige
Behandlungsmöglichkeiten. „Ob bestimmte Wirkstoffe, die beispielsweise
Entzündungsreaktionen hemmen oder das Absterben von Sinneszellen
verhindern, das Fortschreiten der geographischen Atrophie bremsen können,
wird derzeit in klinischen Studien untersucht“, berichtet Fleckenstein.
Leider sei bei der Behandlung der trockenen AMD aber noch kein Durchbruch
wie bei der feuchten Form erzielt worden. „Grundsätzlich gilt für die
feuchte AMD, dass bei einer frühzeitigen Therapie die besten Ergebnisse
erzielt werden“, betont Fleckenstein.

Auf einer Pressekonferenz am 21. September 2017 in Berlin zur DOG 2017
erläutert Dr. Monika Fleckenstein die Vorteile dieser neuen
Therapieansätze.