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Patientin Ute Hinz profitierte vom hohen Betreuungsschlüssel auf den Intensivstationen und spricht auf der von Prof. Thea Koch organisierten Veranstaltung „Intensivmedizin – Der Mensch im Fokus.  Holger Ostermeyer / Uniklinikum Dresden
Patientin Ute Hinz profitierte vom hohen Betreuungsschlüssel auf den Intensivstationen und spricht auf der von Prof. Thea Koch organisierten Veranstaltung „Intensivmedizin – Der Mensch im Fokus. Holger Ostermeyer / Uniklinikum Dresden

Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden ist eines von wenigen
hochspezialisierten Krankenhäusern, die Patienten mit schwersten Formen
des Lungenversagens behandeln können. Diese Fälle sind ein Beleg für die
weiter zunehmende Rolle der Intensivmedizin in der stationären
Krankenversorgung. Da diese Disziplin in der Öffentlichkeit häufig als
seelenlose Apparatemedizin wahrgenommen wird, haben die anästhesiologische
Fachgesellschaft und der Berufsverband die Kampagne „Zurück ins Leben“ auf
den Weg gebracht.

Als eine der Mitinitiatoren veranstaltet Prof. Thea Koch, Direktorin der
Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie des Dresdner Uniklinikums,
am Mittwoch, dem 11. Oktober, ab 18 Uhr eine Informationsveranstaltung mit
dem Thema „Intensivmedizin – Der Mensch im Fokus“ im Diagnostisch-
Internistisch-Neurologischen Zentrum (Haus 27).

Ute Hinz' Leben hing am seidenen Faden: Selbst das künstliche Koma, in das
sie die Intensivmediziner versetzt haben und die damit verbundene
künstliche Beatmung reichte nicht aus, um die sich weiter verschärfende
Lungenentzündung in den Griff zu bekommen. Wer der 50-Jährigen heute
gegenübersitzt, mag gar nicht glauben, dass sie sechs Wochen
intensivmedizinisch betreut werden musste. Nach einem dreimonatigen
Aufenthalt in einer Rehaklinik und einer Zeit der beruflichen
Wiedereingliederung arbeitet sie heute wieder in ihrem Beruf als
Firmenkundenbetreuerin.

„Viele Menschen verbinden die Intensivstation (ITS) mit einer seelenlosen
Apparatemedizin“, sagt Prof. Thea Koch. „Doch das stimmt so gar nicht. Auf
keiner Station ist der Betreuungsschlüssel so hoch wie auf einer ITS.“
Hier kommt auf ein bis zwei Patienten eine speziell ausgebildete
Pflegekraft. Dieser Personalschlüssel gilt rund um die Uhr. So kann auch
eine persönliche Beziehung entstehen, weil es eben nicht nur darum geht,
die Vitalwerte der Patienten zu kontrollieren, ihnen Medikamente zu geben,
sie zu lagern und zu waschen. Selbst im Koma nehmen Patienten Berührungen
wahr. Deshalb ist der persönliche Umgang ebenso wichtig wie die Kontakte
zu den Angehörigen.

Der Lebensgefährte von Ute Hinz kam jeden Mittag auf die ITS, um bei ihr
zu sein, mit ihr zu sprechen, sie zu streicheln – ganz egal, ob sie darauf
reagieren konnte oder nicht. Wenn sie sich heute an diese Situationen
erinnert, wird die sonst so entschieden auftretende Frau emotional: „Einen
größeren Liebesbeweis gibt es nicht“, sagt die Dresdnerin. Der Umgang mit
einem Patienten, der auf der Intensivstation versorgt wird, ist für viele
Menschen eine Herausforderung. Deshalb gehört es zur selbstverständlichen
Aufgabe des von Marco Reinhardt geleiteten Pflegeteams sowie der
behandelnden Ärzte, die Besucher zu ermuntern, den ihnen nahestehenden
Personen auch dann regelmäßig nahe zu sein, wenn sie aufgrund des Komas
keine deutlichen Reaktionen zeigen.
Bei Ute Hinz war die Zeit auf der ITS ein Auf und Ab. Mehrmals war ihr
Zustand so kritisch, dass sie wieder ins künstliche Koma versetzt werden
musste. Eine Situation, die auch der Patientin den Lebensmut nahm. Um das
Leben der 50-Jährigen zu retten, nutzten die Anästhesisten, die sogenannte
Extrakorporale Membranoxygenierung – ECMO. Diese Therapieform fand
Anwendung, weil die Lungenfunktion von Ute Hinz so stark eingeschränkt
war, dass ihr Organismus nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt
wurde. Mit Hilfe des Geräts wurde so das Blut von Ute Hinz außerhalb des
Körpers mit Sauerstoff angereichert und von CO2 befreit. Nur zwei Zentren
in Sachsen bieten diese Therapie mit einem spezialisierten ECMO-Team, das
am Uniklinikum von Privatdozent Dr. Peter Spieth geleitet wird an. Gerade
weil nur wenige Patienten diese hochspezielle Therapie benötigen – das
Dresdner Uniklinikum zählte 2016 insgesamt 35 Fälle – macht es Sinn, diese
Versorgung auf wenige Zentren zu konzentrieren.

Dank der ECMO-Therapie konnte sich die durch Bakterien angegriffene Lunge
der Patientin innerhalb von nur sechs Tagen so weit erholen, dass sie
wieder selbst atmen konnte. Nicht nur die Behandlung, sondern auch die
darauffolgende Entwöhnung von der maschinellen Beatmung bedarf der
Expertise eines besonders qualifizierten Teams. Parallel war es gelungen,
die Entzündung, die neben der Lunge auch andere innere Organe angegriffen
hatte, mit Medikamenten zu stoppen. „Es handelte sich um eine eigentlich
gut bekämpfbare Infektion“, sagt Oberarzt Spieth, also nicht um einen der
Erreger, der gegenüber Antibiotika resistent ist. Auch hatte Ute Hinz die
Infektion ‚ambulant‘ also nicht erst während der Behandlung, sondern
bereits zu Hause erworben. Und doch hatte sich die Entzündung rasend
schnell ausgebreitet, so dass die 50-Jährige in höchster Lebensgefahr
schwebte.

Ute Hinz war froh, als sie nach sechs Wochen die Intensivstation verlassen
konnte. Schon damals versprach sie, einmal zurückzukommen, um sich bei dem
ITS-Team zu bedanken: „Ich fühlte mich sehr gut betreut. Es war immer
jemand für mich da“, erinnert sie sich. Tatsächlich ist die Betreuung auf
diesen Stationen so persönlich, wie sie woanders im Krankenhaus gar nicht
möglich ist, denn hier ist neben den ausgebildeten Pflegekräften ständig
auch ein Facharzt präsent. Tagsüber kommen Physiotherapeuten und bei
Bedarf weiteres Fachpersonal auf die ITS, um die Patienten zu betreuen.
Trotzdem hinterlässt das lange Liegen seine Spuren: Die Muskulatur von Ute
Hinz hatte sich durch die wenige Bewegung erheblich abgebaut. Die drei dem
Klinikaufenthalt folgenden Monate verbrachte sie deshalb in einer Reha-
Klinik, um ihre frühere Leistungsfähigkeit wiederzugewinnen.

Patienten wie Ute Hinz die unter schwersten Entzündungen leiden, sind nur
ein Teil der Patienten, für die im Dresdner Uniklinikum insgesamt 125 ITS-
Betten zur Verfügung stehen. Mehr als die Hälfte der
intensivtherapiepflichtigen Patienten kommt nach großen Operationen –
zumeist im Bereich des Brust- und Bauchraums oder des Gehirns – für einige
Tage auf eine der Intensivstationen. Ein weiterer Teil der Patienten sind
Opfer schwerer Unfälle. Prof. Thea Koch ist sich sicher, dass die
Intensivmedizin weiter an Bedeutung gewinnen wird. Denn die Patienten
werden immer älter und die Medizin bietet immer mehr Möglichkeiten, sie
erfolgreich zu behandeln – chirurgisch wie internistisch. In nicht wenigen
Fällen ist die Intensivmedizin wichtiger Teil einer interdisziplinären
Therapie.

Um Patienten und ihre Angehörigen entsprechend aufzuklären und ihnen die
Ängste und Bedenken zu nehmen, hat die Klinik eine Broschüre mit dem Titel
„Die Intensivstation – ein Wegbegleiter für Angehörige“ aufgelegt, dessen
Konzept im Rahmen der Kampagne „Zurück ins Leben“ entstand. Dasselbe Ziel
hat die Informationsveranstaltung mit dem Thema „Intensivmedizin – Der
Mensch im Fokus“, die stattfindet am

Mittwoch, dem 11. Oktober, ab 18 Uhr
im Diagnostisch-Internistisch-Neurologischen Zentrum (Haus 27)
des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden,
Fetscherstraße 74, 01307 Dresden
(Eingang über die Hauptpforte Fiedler-/Ecke Augsburger Straße).

„Wir möchten Interessierten die Arbeitsweise und Abläufe auf unserer
Intensivstation verständlich darstellen und aufzeigen, warum der Einsatz
hochtechnischer Innovationen in der Intensivtherapie unumgänglich, aber
nicht das Hauptmerkmal unserer Arbeit mit den Patienten ist“, sagt die
Direktorin der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie. Auf der
Veranstaltung kommen auch Ute Hinz und ihr Lebenspartner zu Wort. Sie
schildern, wie sich die anfangs aussichtslos erscheinende Situation zum
Positiven wenden kann. Die Leiter der Intensivstation Prof. Dr. Maximilian
Ragaller und PD Dr. Peter Spieth sowie der pflegerische Leiter Marco
Reinhardt erklären an diesem Abend, wie Angehörige den Patienten in dieser
Krisensituation effektiv helfen können, zeigen aber auch auf, welche
psychologischen und seelsorgerischen Hilfsmöglichkeiten den Betroffenen
zur Verfügung stehen. Weiterhin werden Herr Dr. Ulf Bodechtel aus der
Klinik Bavaria Kreischa sowie die Allgemeinmedizinerin Frau Prof. Dr.
Antje Bergmann rund um das Thema der anschließenden Rehabilitation und der
ambulanten Nachsorge informieren.

Hintergrundinformation zur Kampagne „Zurück ins Leben“
„Zurück ins Leben" ist eine Kampagne des Berufsverbandes Deutscher
Anästhesisten e.V., der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und
Intensivmedizin e.V. sowie der Stiftung Deutsche Anästhesiologie e.V. Ziel
der Kampagne ist die  Aufklärung, Motivation und Würdigung der
Intensivmedizin. Denn die Intensivmedizin entspricht nicht dem
landläufigen Klischee einer abstrakten Apparatemedizin. Vielmehr stehen
der Patient und seine Angehörigen im Fokus. Menschliche Zuwendung und
Individualität der Patienten spielen in der intensivmedizinischen
Versorgung durch Ärzte und Pflegekräfte eine wichtige Rolle.
Die Intensivmedizin ist ein medizinisches Fachgebiet, das sich mit der
Diagnostik und Therapie akut lebensbedrohlicher Zustände und Krankheiten
befasst. Dies geschieht meist in besonders ausgestatteten Stationen eines
Krankenhauses, den sogenannten Intensivstationen, die baulich und
gerätetechnisch aufwendig ausgestattet sind. In größeren Krankenhäusern
oder Spezialkliniken gibt es oft mehrere fachspezifische Intensivstationen
– beispielsweise für Patienten mit akuten Herzproblemen und
internistischen Erkrankungen, die sogenannte „Stroke Unit“ für Patienten
mit einem Schlaganfall oder Intensivstationen für chirurgische Patienten,
die nach einer Operation dort weiterbetreut werden. Die Intensivstationen
in Deutschland zählen pro Jahr mehr als zwei Millionen behandelte
Menschen. Rund ein Fünftel der Patienten müssen im Rahmen ihres
Aufenthalts beatmet werden. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt
etwa zehn Tage.

Mehr als 20.000 Betten auf Intensivstationen sind verfügbar. Rund 1.200
der mehr als 2.000 Krankenhäuser haben Intensivbetten. Phasenweise können
Kapazitäten auf den Intensivstationen knapp werden, was zu längeren
Transporten von Patienten in das nächste Krankenhaus mit freien Betten
führen kann. Deutschlandweit hat die Intensivmedizin einen Anteil von etwa
20 Prozent an den Krankenhauskosten. Durch immer bessere medizinische und
technische Möglichkeiten – wie zum Beispiel der vorübergehende maschinelle
Organersatz - werden die Behandlungsfälle immer aufwendiger, gleichzeitig
die Chance für das Überleben aber auch immer größer.