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Fischhaut-Matrix. Das Material stammt vom Dorsch und wird in entzellularisierter Form in verschiedenen Größen angeboten  (Foto: Anna Reiss)
Fischhaut-Matrix. Das Material stammt vom Dorsch und wird in entzellularisierter Form in verschiedenen Größen angeboten (Foto: Anna Reiss)

Manche Wunden werden von Beginn an als chronisch angesehen, da ihre
Behandlung eine Therapie der bestehenden Grunderkrankung erfordert. Hierzu
zählen das diabetische Fußsyndrom, Wunden bei peripherer arterieller
Verschlusskrankheit (pAVK) oder einem sog. „offenen Bein“ (Ulcus cruris
venosum) aufgrund einer chronisch venösen Insuffizienz. Aber auch eine
akute Wunde nach einer Operation oder einem Unfall kann sich mit einem oft
schleichenden, langwierigen Verlauf zu einer chronischen Wunde entwickeln.

„Wir alle kennen das Prinzip der Wundheilung“, bringt Prof. Dr. Dr. h.c.
Diethelm Tschöpe die Sache auf den Punkt. „Nur eine Wunde, die sich
verschließt, kann heilen.“ Nun gibt es leider Wunden, bei denen der
Heilungsprozess so sehr gestört ist, dass sie sich über Wochen und Monate
hinaus nicht schließen. Manfred Voigt (81) hatte so ein Problem mit einer
Verletzung, die am Fuß zwischen den Zehen auftrat.  Zunächst war das nur
lästig. Je länger es dauerte, umso mehr beeinträchtigte die offene Wunde
jedoch seine Lebensqualität. „Alle zwei Tage musste der Verband gewechselt
werden, über Monate hinaus trat keine Besserung ein.“

Sehr häufig ist eine Diabeteserkrankung die Ursache für eine gestörte
Wundheilung. Aufgrund von Empfindungsstörungen (Polyneuropathien) werden
Wunden mitunter zu spät bemerkt und infizieren sich. „Je länger sich die
Wundheilung verzögert, umso größer wird das Problem“, beschreiben die
Oberärztinnen Dr. Tania-Cristina Costea und Dr. Katharina Kuczewski den
typischen Verlauf.

Das Wundheilungszentrum des Diabeteszentrums am HDZ NRW, Bad Oeynhausen,
untersucht u.a. auch die biochemischen Veränderungen, die chronische
Wunden aufweisen und die eine heilende Zellaktivität im Bindegewebe
beeinträchtigen. Beim Diabetischen Fußsyndrom kann das zur Amputation
einzelner Zehen, des Vorfußes oder des Gelenks führen. „Zwar geht die Zahl
der großen Amputationen zurück, aber die Anzahl der Minoramputationen hat
zugenommen“, sagt Prof. Tschöpe, Direktor des Diabeteszentrums. Je mehr
Zeit vergeht, umso größer wird das Infektionsrisiko, die Amputation droht.

Wer deshalb länger als drei Monate an einer offenen Wunde leidet, sollte
sich in die Hände von Experten begeben. Vorzugsweise helfen solche
Einrichtungen, die als ambulantes oder stationäres Wundheilungszentrum
zertifiziert sind. Manfred Voigt hat das erst nach einem Jahr getan. Und
freute sich sehr, dass schon nach vier Wochen eine Lösung gefunden war.

Effekte nach sieben Tagen sichtbar

Geholfen hat ihm eine neue Therapie mit einem Transplantat, das aus
Fischhaut gewonnen wird und die Hautzellen offensichtlich besonders dazu
anregt, wieder zu wachsen. Die zellfreie Collagenmatrix sieht ein bisschen
aus wie ein Knäckebrot, sie wird überlappend auf die gesäuberte Wunde
gelegt und mit einem Verband fixiert. Sowohl erste Forschungsergebnisse
als auch die Erfahrungen im klinischen Alltag deuten an, dass diese Art
der Zellmigration und –proliferation möglicherweise gegenüber anderen
Therapieformen überlegen sein könnte. Das skandinavische Produkt stammt
vom dort beheimateten atlantischen Dorsch. Das Material ist ähnlich wie
die menschliche Haut mit Poren durchsetzt und wirkt antibakteriell. Diese
Merkmale scheinen ebenso wie die enthaltenen Omega-3-Fettsäuren die
Stammzellvermehrung und Wundheilung zu fördern.

„Weitere Studienergebnisse müssen abgewartet werden“, betont Professor
Tschöpe, der bisher bei allen im Diabeteszentrum behandelten Patienten
erfolgreiche Wundverschlüsse verzeichnet, dabei aber nicht außer Acht
lässt, dass eine individuelle Begutachtung der Wunde das A und O der
Therapie ist.

Welche Behandlungsform am besten geeignet ist, hängt von der Art und Tiefe
der Wunde ab, von der möglichen Grunderkrankung des Patienten, aber auch
vom Ort der Verletzung. „An der Achillessehne ist es im Vergleich zum
Fußballen oder Bein denkbar schwieriger, eine Gewebebrücke anzusiedeln,
weil hier so gut wie kein Bindegewebe vorhanden ist.“

Oberste Ziele der modernen Wundheilungsverfahren sind der Wundverschluss
und Gliedmaßenerhalt. Große Vorteile bestehen in ihrer wiederholten
Anwendungsmöglichkeit, auch eine Kombination verschiedener Methoden ist je
nach individueller Wundsituation möglich. „Erste Effekte der Wundheilung
sind in der Regel nach sieben Tagen schon zu erkennen, wenn die Wundränder
beginnen, sich zu schließen.“

In vielen Fällen helfen bereits viel Ruhe und ein korrekt angelegter
Vakuumverband, um die Durchblutung anzuregen und die Wunde zu entlasten.
Abgestorbenes Gewebe kann mit einer Madentherapie bereinigt, vorhandenes
mit Stammzellen angeregt werden. Bei venösen Wunden hat sich die
Kaltplasmabehandlung als wirksam erwiesen. Für Manfred Voigt hat die
langwierige Geschichte mit seinem Fuß nach fast einem Jahr endlich ein
gutes Ende genommen: „Beim nächsten Mal gehe ich gleich zum Spezialisten!“