Pin It

Bei Frauen, die ihr Einkommen über einen längeren Zeitraum als ungerecht
empfinden, besteht ein stark erhöhtes Risiko, dass sie an
Stresserkrankungen wie zum Beispiel Depressionen, Diabetes mellitus oder
Herzproblemen erkranken. Bei Männern, die sich unfair entlohnt fühlen, ist
dieses Risiko geringer. Das belegt nun eine Studie auf Basis der Daten der
für Deutschland repräsentativen Langzeitstudie Sozio-oekonomisches Panel
(SOEP) am DIW Berlin. Die Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift
„Das Gesundheitswesen“ veröffentlicht.

Um herauszufinden, wie sich ein als ungerecht empfundenes Einkommen auf
die Gesundheit auswirkt, analysierte eine Gruppe von Gesundheits- und
SozialwissenschaftlerInnen der Hochschule Ravensburg-Weingarten die Daten
von 5.657 erwerbstätigen Männern und Frauen, die zwischen 2005 und 2013 im
Rahmen der Langzeitstudie SOEP immer wieder befragt wurden. Diese machten
unter anderem seit 2005 alle zwei Jahre Angaben darüber, welche
Einkommenshöhe sie als gerecht einschätzen würden. Darüber hinaus
beantworteten sie seit 2009 alle zwei Jahre die Frage danach, ob ein Arzt
eine stressassoziierte Erkrankung diagnostiziert habe. Zu diesen
Erkrankungen zählen neben Depressionen, Diabetes mellitus und
Herzproblemen auch Asthma und Bluthochdruck.

Das Ergebnis der Studie zeigt: Je länger die Befragten ihr Einkommen als
ungerecht bewerteten, desto häufiger wurde bei ihnen eine
stressassoziierte Erkrankung diagnostiziert. Bei den betroffenen Männern
war dieser Zusammenhang jedoch wesentlich schwächer ausgeprägt als bei den
Frauen.

„Das größte Risiko, an einer stressassoziierten Krankheit zu erkranken,
besteht für Frauen, die in Vollzeit arbeiten und sich dauerhaft ungerecht
entlohnt fühlen“, sagt die Sozialwissenschaftlerin Claudia Boscher, eine
der Autorinnen und Autoren. Schon wenn diese Frauen ihr Einkommen im Laufe
der SOEP-Befragung nur einmal als ungerecht bewertet hatten, war die
Wahrscheinlichkeit, dass sie im anschließenden Untersuchungszeitraum die
Diagnose einer Stresskrankheit angaben, signifikant höher als bei Frauen,
die ihr Einkommen dauerhaft als gerecht empfunden hatten.

STICHWORT SOEP

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten
laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP wird im
DIW Berlin als Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland unter dem
Dach der Leibniz-Gemeinschaft vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) und den Ländern gefördert. Für das SOEP werden seit 1984
jedes Jahr vom Umfrageinstitut Kantar Public (zuvor TNS Infratest
Sozialforschung) in mehreren tausend Haushalten statistische Daten
erhoben. Zurzeit sind es etwa 30.000 Personen in etwa 15.000 Haushalten.
Die Daten des SOEP geben unter anderem Auskunft über Einkommen,
Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit. Weil jedes
Jahr dieselben Personen befragt werden, können nicht nur langfristige
gesellschaftliche Trends, sondern auch die gruppenspezifische Entwicklung
von Lebensläufen besonders gut analysiert werden.

DIE STUDIE:

Boscher C., Arnold L., Lange A. und Szagun B., Die Last der
Ungerechtigkeit. Eine Längsschnittanalyse auf Basis des SOEPs zum Einfluss
subjektiv wahrgenommener Einkommensgerechtigkeit auf das Risiko einer
stressassoziierten Erkrankung, in: Das Gesundheitswesen, Thieme-Verlag,
2017.

https://www.thieme-
connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0043-107876