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Übergewicht und Adipositas sind zum Massenphänomen geworden: Fast
jeder vierte Bundesbürger weist einen Body-Mass-Index über 30 auf und gilt
somit als adipös – und die Zahlen steigen weiter. Beim Kampf gegen die
Fettsucht und ihre gravierenden gesundheitlichen Folgen sehen medizinische
Fachgesellschaften auch die Politik in der Pflicht. In einem
Positionspapier fordern sie die noch zu bildende Bundesregierung auf,
einen nationalen Aktionsplan Adipositas zu entwickeln und dabei alle
relevanten Fachgesellschaften mit einzubinden.

Zu den Unterzeichnern zählen auch die Deutsche Gesellschaft für
Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) und das
Deutsche Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM). Beide
Organisationen betonen die Verknüpfung von starkem Übergewicht und
psychischen Erkrankungen.

„Wer Adipositas nur als Problem des Einzelnen sieht, der sich eben nicht
beherrschen kann, greift zu kurz“, sagt Professor Dr. med. Harald Gündel,
Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der
Uniklinik Ulm und Mediensprecher der DGPM. Von der
Weltgesundheitsorganisation WHO werde die Adipositas als chronische
Krankheit eingestuft und müsse auch als solche anerkannt werden.
Unstrittig ist, dass das starke Übergewicht große gesundheitliche Risiken
mit sich bringt: Betroffene entwickeln deutlich häufiger
Stoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte
Krebsarten. Auch wird der Bewegungsapparat durch die große Körpermasse
dauerhaft überbeansprucht. Allein diese körperlichen Probleme führen zu
hohen beruflichen Ausfallzeiten und letztlich zu einer verringerten
Lebenserwartung.

Starkes Übergewicht ist aber auch eng verknüpft mit psychischen
Krankheiten wie Depressionen oder Angstzuständen. Oft sind diese Probleme
eine Folge des geringen Selbstwertgefühls und der sozialen Ausgrenzung,
mit der adipöse Menschen zu kämpfen haben. Wie die psychosomatischen
Fachgesellschaften betonen, können die kausalen Beziehungen aber auch
genau umgekehrt sein: In diesen Fällen ist das starke Übergewicht Ausdruck
einer psychischen Störung oder Krise. „Wir leben mit einem ständigen
Überangebot von kalorienreichen Nahrungsmitteln, die unser natürliches
Belohnungssystem ansprechen“, erläutert Professor Dr. med. Stephan Zipfel
vom Universitätsklinikum Tübingen, Vorstandsvorsitzender des DKPM. Dieser
ständigen Versuchung zu widerstehen, gelingt selbst psychisch Gesunden
nicht immer. Und wer psychisch labil ist oder gerade eine Lebenskrise
durchmacht, beginnt umso leichter mit dem sogenannten „Frust-Essen“. Zu
den anerkannten Risikofaktoren für die Entstehung einer Adipositas zählen
neben manifesten psychischen Störungen auch schlichter Schlafmangel,
Stress oder die Einnahme bestimmter Medikamente.

„Eine der besonderen Herausforderungen stellt die Entwicklung geeigneter
Präventionsmaßnahmen von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter und in
der Jugend dar. Hierbei können auch innovative Medien, wie digitale
Lernspiele zu Themen der Ernährung, Bewegung und Bewältigung von
psychosozialem Stress beitragen“, erläutert Zipfel. Die Weichen hier
(wieder) anders zu stellen sei ein langwieriger Prozess.
Psychotherapeutische Ansätze wie etwa eine Verhaltenstherapie könnten zwar
zumindest kurzfristige Erfolge bringen, doch gebe es kaum langfristig
wirksame Präventions- und Therapiekonzepte. Selbst eine operative
Magenverkleinerung hilft nicht allen Patienten dauerhaft. Hier wünschen
sich die Unterzeichner des Positionspapiers eine bessere
Forschungsförderung und ein Mandat, die gewonnene Expertise direkt in den
politischen Prozess einbringen zu können. „Adipositas ist prinzipiell
vermeid- und behandelbar“, davon ist Professor Gündel überzeugt – das
gelte jedoch nur, wenn man den Betroffenen auch langfristig die
therapeutische Hilfe zuteilwerden lasse, die sie benötigten. Die
Rahmenbedingungen hierfür herzustellen, sei Aufgabe der Politik.

Wünschenswert wäre nach Ansicht der Autoren, die der EMDR
zugrundeliegenden Mechanismen in weiteren Studien genauer zu erforschen,
um den Effekt der geteilten Aufmerksamkeit noch besser für therapeutische
Behandlungen nutzbar machen zu können.

Forderungen an die Bundesregierung:
-       Die Einbindung relevanter Fachgesellschaften in die gesundheits-
und wissenschaftspolitischen Entscheidungsprozesse zum Thema Adipositas
-       Einen nationalen Aktionsplan Adipositas
-       Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung von Menschen mit
Adipositas
-       Weitere Stärkung der Adipositas- Forschung in Deutschland
-       Einen Bundesbeauftragten für Adipositas und Prävention

Weitere Informationen finden Sie hier:
<http://www.dsck.de/fileadmin/downloads/20180115_Positionspapier_Adipositas.pdf>