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Der Wechsel von Tag und Nacht bestimmt unseren Lebensrhythmus – und das
nicht nur im Hinblick darauf, wann wir müde werden und wann wir aufwachen.
Auch die Körpertemperatur, der Energiestoffwechsel, die Ausschüttung
verschiedener Hormone und die Aktivität von Immunzellen zählen zu den
Körperfunktionen, die sich, orientiert am 24-Stunden-Takt, verändern. Dass
gesundheitsrelevante Prozesse so eng mit dem Schlaf-Wach-Rhythmus verzahnt
sind, kann auch therapeutisch genutzt werden.

Wie die sogenannte Chronotherapie dabei helfen kann, die Wirkung von
Medikamenten zu verbessern oder chronischen Erkrankungen vorzubeugen,
darüber wird der Lübecker Neurobiologe Professor Dr. rer. nat. Henrik
Oster auf einer Pressekonferenz anlässlich des 124. Kongresses der
Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) in Mannheim
sprechen.

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Ohne äußere Einflüsse schwingt der innere Taktgeber nicht immer genau im
24-Stunden-Rhythmus. Beim einen kann der Takt bei 23, beim anderen eher
bei 25 Stunden liegen. Wissenschaftler sprechen daher von zirkadianen,
also nur ungefähr der Länge eines Tages entsprechenden Rhythmen. „Man weiß
heute außerdem, dass es nicht nur eine innere Uhr gibt, sondern dass es
sich um ein hierarchisch organisiertes System handelt“, erklärt Henrik
Oster. Übergeordneter Schrittmacher ist der Nucleus suprachiasmaticus im
Zwischenhirn. Er ist dicht an den Sehnerv geschmiegt und kann so die
zirkadianen Rhythmen auf den Hell-Dunkel-Rhythmus abstimmen. Aber auch
jede Körperzelle verfügt über Gene, die im Tagesrhythmus aktiv werden.

So zuverlässig die innere Uhr arbeitet, so flexibel reagiert sie auf
Veränderungen: Sich auf die Sommerzeit einzustellen oder einen
reisebedingten Jetlag zu überwinden, gelingt in der Regel innerhalb
weniger Tage. Halten die Störungen jedoch an – etwa durch häufige
Nachtschichten oder auch durch ausgeprägte Schlafstörungen – kann dies die
Gesundheit der Betroffenen stark beeinträchtigen. „Chronische Störungen
des zirkadianen Systems erhöhen das Risiko für Stoffwechselerkrankungen
wie Diabetes, aber auch für Krebserkrankungen“, sagt Henrik Oster, der das
Institut für Neurobiologie an der Universität Lübeck leitet. Auch
neuropsychiatrische Erkrankungen wie Depressionen, Schizophrenie und
Alzheimer träten häufiger auf.

Eines der Ziele, die chronotherapeutische Ansätze verfolgen, ist daher die
Stabilisierung des inneren Rhythmus. „Das kann etwa durch eine
Lichttherapie geschehen, oder durch einen festen Aktivitäts- und
Essensrhythmus“, erläutert Oster. Auch über Medikamente kann das
zirkadiane System beeinflusst werden. Klinisch erprobt sind bislang
allerdings lediglich Wirkstoffe, die auf die Hormone Cortisol und
Melatonin und die von ihnen angestoßenen Stoffwechselwege wirken. „Mehr
als jeder dritte Bundesbürger leidet an Schlafstörungen oder anderen
Störungen des zirkadianen Rhythmus“, sagt Professor Dr. med. Cornel C.
Sieber, Vorsitzender der DGIM und Kongresspräsident des 124.
Internistenkongresses. Angesichts dieses Ausmaßes komme der Erforschung
chronobiologischer Zusammenhänge und möglichen, daraus abgeleiteten
Therapieformen eine große Bedeutung zu.

Mit dem zweiten chronotherapeutischen Ansatz verknüpft sich die Hoffnung,
die Wirkung von Medikamenten optimieren zu können, indem man die Einnahme
auf den zirkadianen Rhythmus abstimmt. Auch die Nebenwirkungen
nebenwirkungsreicher Medikamente – etwa in der Krebstherapie – sollten so
möglichst gering gehalten werden. Bisherige Studien haben jedoch noch
nicht zu konkreten Empfehlungen geführt. „Vermutlich muss neben der
Tageszeit auch der Chronotyp der Patienten berücksichtigt werden – also
salopp gesagt, ob sie eher Früh- oder eher Spätaufsteher sind“, gibt
Henrik Oster zu bedenken. Das mache den Studienaufbau zusätzlich
kompliziert.

Terminhinweis:

Mittags-Pressekonferenz der DGIM anlässlich des 124. Internistenkongresses
in Mannheim
Termin: Dienstag, 17. April 2018, 12.30 bis 13.30 Uhr
Ort: Dorint Kongress Hotel Mannheim (Johann Sebastian Bach)
Anschrift: Friedrichsring 6, 68161 Mannheim

Plenarvortrag von Professor Henrik Oster beim 124. Internistenkongress:
„Altern – Auch die innere Uhr tickt mit“
Termin: 17. April, 11:45 bis 12:15, Saal 11
Ort: Congress Center Rosengarten
Anschrift: Rosengartenplatz 2, 68161 Mannheim