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Sollen in Deutschland neben den Ärzten auch Apotheker Grippeimpfungen
durchführen dürfen? Das Thema ist umstritten: Der Deutsche Ärztetag im Mai
hat sich dagegen positioniert. Dabei gibt es gute Gründe dafür. Prof. Dr.
Uwe May, Studiendekan des Master-Studiengangs „International
Pharmacoeconomics, Health Economics & Market Strategies for Healthcare
Products“ an der Hochschule Fresenius stellt dazu Erkenntnisse seiner
aktuellen Studie vor.

„Würden wir den Impf-Switch zulassen, das heißt den Influenza-Impfstoff
aus der Verschreibungspflicht entlassen und die Apotheken-Impfung
zulassen, würde das die Impfrate deutlich steigern und die Zahl der
Erkrankungen signifikant senken“, so Prof. Dr. Uwe May bei der Vorstellung
seiner Studienergebnisse bei der Switch-Konferenz des Bundesverbandes der
Arzneimittel-Hersteller am 12. Juni in Berlin. „Ich sehe das auch als
marktnahe und am Leitbild des mündigen Bürgers ausgerichtete Alternative
zu einer möglichen Impfpflicht.“

Der Wissenschaftler hat ermittelt, dass eine Steigerung der Impfrate um 12
Prozent in Deutschland, die durch eine niedrigschwellige Apotheken-Impfung
realistisch erscheinen würde, pro Jahr 900.000 Grippeerkrankungen und rund
4.700 Krankenhausfälle verhindern würde. Es gäbe laut dieser Rechnung
zudem 41 durch Grippeerkrankung verursachte Todesfälle weniger. „Insgesamt
kommen wir außerdem auf knapp drei Millionen weniger
Arbeitsunfähigkeitstage im Jahr“, ergänzt May. Das entspricht
Kosteneinsparungen von über einer Milliarde Euro gegenüber dem heutigen
Szenario. Demgegenüber stünde natürlich ein Mehraufwand für die
Kostenträger in Höhe von knapp 340 Millionen Euro. Diesen bezeichnet der
Gesundheitsökonom als „moderat“ und hinsichtlich der Kosteneffektivität
als „zweckmäßig“ und „notwendig“.

Zum Beleg der Steigerung von Impfquoten bezieht sich May auf Statistiken
aus dem Ausland, in dem die Grippeimpfung in Apotheken praktiziert wird.
Zwei Beispiele: In Irland ist dies seit 2011 möglich. Seitdem sind die
Impfungen von 9.000 auf 78.000 im Jahr 2017 gestiegen. In Kanada stieg die
Impfrate allein im ersten Jahr nach Einführung bei den über 65-Jährigen um
knapp zehn Prozent sowie bei allen Patienten um 8,5 Prozent. „Vor diesem
Hintergrund erscheint mir das angenommene Szenario einer Steigerung der
Impfrate um 12 Prozent nicht unrealistisch“, prognostiziert May.

Die Ärzte in Deutschland, im Hinblick auf die durchschnittliche
Arbeitszeit und die durchschnittliche Zahl behandelter Patienten pro Woche
im internationalen Vergleich ohnehin schon deutlich an der Spitze, bekämen
Unterstützung bei der Verbesserung der Durchimpfungsrate. Prof. Dr. Uwe
May sieht die Apotheker als wichtige Aufklärungsinstanz: „Sie können
Informations- und Beratungsangebote bereitstellen und Informationsdefizite
zum Beispiel bezüglich der Impfrisiken abbauen. Auch das wirkt sich
positiv auf die Impfquote aus, ganz gleich, ob der Vorgang dann beim Arzt
oder Apotheker durchgeführt wird.“ Wobei er sicher ist, dass viele das
Angebot in der Apotheke wahrnehmen würden – aktuell sind lange Wartezeiten
beim Arzt immer noch eine große Hürde, sich impfen zu lassen. „Beide
würden also auf diese Weise entlastet, Arzt und Patient.“