Pin It

Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF) appelliert an Bundesregierung
Maßnahmen zur Verbesserung zu ergreifen / Kinderherzzentren müssen wegen
Pflegekräftemangels im Schnitt 30 Prozent der Intensivbetten sperren

Jährlich kommt es in Deutschlands Kinderherzkliniken zu über 23.300
Klinikaufnahmen für die Behandlung von angeborenen Herzfehlern. Gerade in
der kinderkardiologischen und kinderherzchirurgischen Intensivpflege sind
ein fundiertes Fachwissen und viel Erfahrung gefragt, um den hohen
Ansprüchen an die Versorgung schwerstkranker Neugeborener, Kinder und
Jugendlicher gerecht zu werden. Alarmiert vom derzeit auch in diesem
sensiblen Sektor grassierenden Pflegenotstand wendet sich die Deutsche
Herzstiftung (www.herzstiftung.de) und mit ihr fünf weitere bundesweit
tätige Patientenorganisationen auf dem Gebiet der angeborenen Herzfehler
mit einem Appell an die Bundesregierung: „Als Vertreter der Interessen von
Eltern herzkranker Kinder und Menschen mit angeborenem Herzfehler sehen
wir den Zustand im Bereich der Intensivpflege auf kinderkardiologischen
und kinderherzchirurgischen Intensivstationen als dramatisch und höchst
besorgniserregend. Wir appellieren deshalb an die Bundesregierung, sich
der Thematik Pflegenotstand anzunehmen und die Versorgung
intensivpflegebedürftiger Kinder schnellstmöglich zu normalisieren“,
betont Kai Rüenbrink, Sprecher des Aktionsbündnisses Angeborene Herzfehler
(ABAHF).

Kinderkardiologe: „Wir möchten kein Kind mit kritischem Herzfehler
abweisen“
Von mehreren Kinderherzzentren in Deutschland wird berichtet, dass im
Schnitt 30 Prozent der Betten wegen Pflegekräftemangels gesperrt sind.
Grund für den Pflegekräftemangel ist insbesondere die bereits vor Jahren
erfolgte Reduzierung von Ausbildungsplätzen in der Kinderkrankenpflege,
die sich aktuell im klinischen Alltag massiv auswirkt. „Angesichts
zahlreicher nicht besetzbarer Planstellen bleibt den Kliniken oft nichts
anders übrig, als Intensivbetten unbelegt zu lassen. Müssen Notfälle
aufgenommen werden, müssen oft lange geplante Operationen verschoben
werden. Für das Kind und die Eltern, die sich vom Arbeitgeber eigens haben
beurlauben lassen, ist das eine Katastrophe“, so ABAHF-Sprecher Rüenbrink.
Der Kinderherzspezialist Prof. Dr. med. Hans Heiner Kramer, emeritierter
Direktor der Klinik für angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie am
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, kann die
geschilderten Folgen des Pflegekräftemangels in Kinderkliniken aus eigenen
Umfragen in mehreren Kinderherzzentren nur bestätigen: „Der Pflegenotstand
in der Intensivstation führt zu einer täglichen Gratwanderung. Es ist
schwer, mit dieser Situation umzugehen, denn wir weisen kein Kind ab, das
mit einem kritischen Herzfehler zu uns kommen soll. Allerdings muss dafür
oft eine andere Operation, die weniger dringlich ist, verschoben werden“,
berichtet der Kinderkardiologie im Gespräch mit der Kinderherzstiftung der
Deutschen Herzstiftung. Durch Einrichtung einer sogenannten Intermediate-
Care-Station, eine hochleistungsfähige Zwischenstation, lassen sich
Patienten frühzeitiger von der Intensivstation verlegen und Intensivbetten
optimal nutzen.

Entscheidender Hebel liegt in verbesserter Ausbildung und
Arbeitsbedingungen
Um den zahlreichen herzkranken Kindern und deren Familien angesichts des
Pflegenotstands eine Stimme zu verleihen, gründete sich im Frühjahr 2018
die „Task Force Notfall Kinderintensivpflege“, der auch Mitglieder des
ABAHF angehören. Unter anderem forderte die Task Force in einem Brandbrief
an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verbesserte Ausbildungs- und
Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. Nun gilt es, die aktuellen
Entwicklungen der Pflegepolitik aufmerksam zu beobachten, um weiter darauf
reagieren zu können. „Die Pflege auf einer kinderkardiologischen
Intensivstation ist ein sehr anspruchsvoller Job. Beim Erkennen von
Verschlechterungen des klinischen Zustands mit drohendem Kreislauf-
Zusammenbruch der meist sehr jungen Patienten müssen die Pfleger und
Schwestern auf einem hohen intellektuellen Niveau arbeiten“, erläutert
Kramer. „Wir Ärzte müssen uns auf ihr Wissen und Können verlassen können.
Deswegen brauchen wir in der Kinderkardiologie und in der
Kinderherzchirurgie eine ausreichende Anzahl von
Kinderkrankenpflegekräften, die eine Intensivweiterbildung durchlaufen
haben. Das legt auch die Strukturrichtlinie Kinderherzchirurgie fest.

Für Kinderherzintensivstationen sind zwei Patienten pro Pflegekraft die
Obergrenze
Im April hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen, die
„Richtlinie Kinderherzchirurgie“ dahingehend zu ändern, dass nun ein
erforderliches Verhältnis von mindestens einer Pflegekraft je zwei
Patientinnen oder Patienten vorgegeben ist. „Das ist auch sinnvoll“,
betont der Kinderkardiologe Prof. Kramer. „Denn ist ein Kind frisch
operiert, braucht es auch nachts umfangreiche Betreuung. Selbst für die
beste Pflegekraft wäre es nicht zu schaffen, nachts drei Kinder zu
versorgen.“

Tipp: Ein Schwerpunktheft zum Pflegefachkräftemangel und zur aktuellen
Situation der Kinderintensivpflege in Kinderherzzentren mit
Hintergrundberichten und einem Interview von Christiane Süßel bietet die
kommende Ausgabe von herzblatt – Magazin für Menschen mit angeborenem
Herzfehler. Vorbestellungen für das kostenfreie Heft (Lieferzeitpunkt
Mitte Juni) können unter E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder per Tel.
unter 069 955128-400 (Stichwort: herzblatt 2/2019) vorgenommen werden.

Hinweis für Medienvertreter: Hintergrundinformationen der Redaktion
herzblatt zum Thema Pflegekräftemangel erhalten Sie auf Anfrage unter
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder unter Tel. 069 955128-114.

Das Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF)
Um in der Öffentlichkeit mit einer Stimme für eine bessere Versorgung von
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern und
deren Familien einzutreten und ihnen noch effektiver zu helfen, haben sich
2014 auf Initiative der Deutschen Herzstiftung e. V. sechs bundesweit
tätige Patientenorganisationen zum „Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler“
(ABAHF) zusammengeschlossen. Die Organisationen sind: Bundesverband
Herzkranke Kinder e.V., Bundesvereinigung Jemah e.V., Fontanherzen e.V.,
Herzkind e.V., Interessengemeinschaft Das Herzkranke Kind e.V. und die
Kinderherzstiftung der Deutschen Herzstiftung e.V.
Etwa 8.500 Neugeborene mit angeborenem Herzfehler kommen in Deutschland
jährlich zur Welt. Heute erreichen rund 90 % dieser Kinder dank der
Fortschritte der Kinderherzchirurgie und Kinderkardiologie das
Erwachsenenalter. Die Zahl der Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler
(EMAH) wird auf 300.000 geschätzt.