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Maria Brauchle (links) und Prof. Gerhard W. Sybrecht (rechts)  Foto: Mike Auerbach
Maria Brauchle (links) und Prof. Gerhard W. Sybrecht (rechts) Foto: Mike Auerbach

Die mit 5.000 Euro dotierte Forschungsförderung der DIVI-Stiftung im
Bereich der intensiv- und notfallmedizinischen Gesundheitsfachberufe geht
im Jahr 2019 an Maria Brauchle (im Bild links) aus Feldkirch in
Österreich. Die Diplom-Gesundheits- und Krankenpflegerin mit zahlreichen
Weiterbildungstiteln hat in einem internationalen Experten-Team eine
Befragung in Österreich, der deutschsprachigen Schweiz, Deutschland und
Luxemburg durchgeführt, um die Situation von Kindern als Besucher auf
Erwachsenen-Intensivstationen zu analysieren.

Denn noch ist sehr uneinheitlich geregelt, wann Kinder in Kontakt mit
kranken erwachsenen Angehörigen treten dürfen. Dabei gibt es keine
wissenschaftliche Fundierung für bestimmte Regeln in diesem Bereich.

Die Rohdaten der umfassenden Erhebung werden derzeit ausgewertet, die
Ergebnisse sollen im Herbst 2020 auf dem europäischen Fachkongress ESICM
(European Society of Intensive Care Medicine) präsentiert werden. „Mit
dieser Arbeit bringen Frau Brauchle und ihr Team mehr Transparenz in ein
noch unerforschtes Gebiet. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse und freuen
uns, sie bei diesem förderungswürdigen Projekt unterstützen zu können“,
sagte Stiftungsvorstand und Jury-Sprecher Professor Gerhard W. Sybrecht
(im Bild rechts) bei der Preisverleihung im Rahmen des Jahreskongresses
der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und
Notfallmedizin (DIVI) in Hamburg.

In Österreich, Deutschland, der Schweiz und Luxemburg gibt es viele
unterschiedliche Besuchsregelungen für Besuchende auf Intensivstationen.
Vor allem klare Empfehlungen für Kinder als Besuchende auf Erwachsenen-
Intensivstationen existieren nicht, auch nicht in der internationalen
Literatur. „Häufig ist nur ein sehr beschränkter Kontakt zwischen Kindern
und ihren erwachsenen kranken Angehörigen möglich. Es herrschen
offensichtlich viele Vorurteile: Zum Beispiel könnten Kinder durch den
Anblick eines entstellten Erwachsenen traumatisiert werden oder es
bestünde ein wechselseitiges Infektionsrisiko. Dabei gibt es für solche
Annahmen keine wissenschaftlichen Belege“, erklärt Maria Brauchle.

Kinder verlernen zunehmend, mit Akutsituationen umzugehen

Sie ist überzeugt davon, dass Kinder oft besser mit solchen schwierigen
Situationen umgehen können als vermutet. In ihrer jahrelangen Arbeit im
österreichischen Kriseninterventionsdienst des Roten Kreuzes hat die
diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin dies auch live erlebt. „In
unserer Spaßgesellschaft neigen wir immer mehr dazu, Kinder ständig vor
Leid und unangenehmen Situationen zu schützen. Dadurch verlernen sie aber
auch, später gesund und natürlich mit solchen Begebenheiten umzugehen.“
Zudem zeigen viele Studien, dass der zwischenmenschliche Kontakt mit
Angehörigen förderlich für die Genesung eines kranken Menschen ist. „Ich
frage mich auch: Mit welchem Recht halten wir Kinder, die ihre kranken
Angehörigen sehen wollen, von diesen fern?“, sagt Brauchle.

Mit internationalem Forscher-Team Ansichten, Strukturen und Barrieren zu
Besuchsregeln identifizieren

Deswegen wollte sie Licht in das Dunkel der ungeregelten Besuchszeiten
bringen: Mit einem Team aus internationalen Forscherinnen und Forschern
(Peter Nydahl, Kiel; Magdalena Hoffmann, Graz, Österreich; Michael Dewes,
Luxemburg; Marie-Madlen Jeitziner, Bern, Schweiz) unter dem Dach der DIVI-
Sektion Pflegeforschung und Pflegequalität hat sie im vergangenen Jahr
medizinisches Fachpersonal in Österreich, Deutschland, der
deutschsprachigen Schweiz und Luxemburg zum IST-Stand der
Angehörigenfreundlichkeit und der Besuchsregelungen befragt. Auf diesem
Wege finden sie heraus, welche Ansichten zu diesem Thema, welche
Strukturen sowie Prozesse und auch welche Barrieren existieren.

Ziele: Mehr Aufklärung und Empfehlungen über Fachgesellschaften entwickeln

Die DIVI-Fördermittel kann das Team gut im weiteren Projektverlauf
einsetzen. Nachdem die große Befragung abgeschlossen ist, werden die
Rohdaten nun bis April 2020 ausgewertet und Ergebnisse dann publiziert.
Einem breiteren Publikum soll die Arbeit auf internationalen
Fachkonferenzen im kommenden Jahr vorgestellt werden. „Gerne würden wir
auch eine mehrsprachige Homepage aufbauen. Hier sollen sich sowohl
Angehörige als auch medizinisches Fachpersonal zum Thema Besuchsregelungen
informieren können“, so Brauchle. Über die DIVI und andere Dachverbände
sollen zudem Empfehlungen entwickelt werden, wie man den Besuch von
Kindern auf Erwachsenen-Intensivstationen ideal regelt. Ganz wichtig ist
für Brauchle noch, eins zu betonen: „Gerade in Zeiten vom allgegenwärtigen
Pflegemangel bin ich unglaublich stolz darauf, was wir in diesem tollen
Team bis jetzt schon auf die Beine gestellt haben. Und ich freue mich auf
das neue Jahr.“

Forschungsförderung für intensiv- und notfallmedizinische
Gesundheitsfachberufe

Die DIVI-Stiftung vergibt seit 2017 jedes Jahr eine Forschungsförderung in
Höhe von 5.000 Euro für Projekte im Bereich der intensiv- und
notfallmedizinischen Gesundheitsfachberufe. Darunter fallen Berufe im
Gesundheitswesen, der Gesundheitsförderung, der medizinischen Therapie und
Diagnostik sowie der Rehabilitation. Eingesetzt werden kann die
finanzielle Zuwendung für Sachmittel und Aufwendungen, die bei der
Umsetzung dieser wissenschaftlichen Projekte helfen. Der Bewerbungsschluss
für den kommenden DIVI-Förderpreis ist der 30. September 2020. Mehr
Informationen dazu gibt es unter der Rubrik „Preise und Ausschreibungen“
auf der DIVI-Website.