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Patientin Jutta Poisel und Oberarzt Prof. Raiskup halten zwei Bilder der Fotoausstellung in den Händen. Die linke Aufnahme zeigt, wie verschwommen die Sicht bei degenerierter Hornhautschicht ist.  Foto: Uniklinikum Dresden / Holger Ostermeyer
Patientin Jutta Poisel und Oberarzt Prof. Raiskup halten zwei Bilder der Fotoausstellung in den Händen. Die linke Aufnahme zeigt, wie verschwommen die Sicht bei degenerierter Hornhautschicht ist. Foto: Uniklinikum Dresden / Holger Ostermeyer

Nicht allein Organspenden bringen schwer kranken Menschen Lebensqualität
zurück. Auch das Transplantieren von Augenhornhäuten (Kornea) sorgt dafür,
dass nahezu erblindete Patienten wieder klar sehen können. Häufigste
Indikation für die Übertragung von Hornhautgewebe an der Klinik für
Augenheilkunde des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden ist die
Fuchs´sche Hornhaut-Dystrophie. Die dafür notwendigen Transplantate
bereitet die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) vor.
Die vom Dresdner Uniklinikum mit gegründete und als einer von fünf
Gesellschaftern getragene gemeinnützige GmbH begleitet auch die
vorhergehende Entnahme der Spenden.

Die Bereitschaft der Menschen, nach ihrem Tod Augenhornhäute oder anderes
Gewebe wie bestimmte Blutgefäße zu spenden, ist ungleich höher als die von
ganzen Organen. Dies spiegelt sich auch in der 2019-er Bilanz der DGFG
wider. Um Menschen den Weg von der Entnahme bis zur Transplantation zu
zeigen und Ihnen den Gedanken einer Gewebespende nahezubringen, hat die
DGFG die Fotografin Alexandra Bidian gebeten, diesen Prozess zu begleiten.
Daraus ist die Reportage „Wieder-Sehen“ entstanden, die in den kommenden
Monaten in der Uni-Augenklinik zu sehen ist.

Die DGFG konnte im vergangenen Jahr deutschlandweit 2.753 Gewebespenden
realisieren. 5.740 Patientinnen und Patienten wurden so zeitnah und sicher
mit einem Gewebetransplantat versorgt. Mit 347 Spenderinnen und Spendern
ist Sachsen das drittstärkste Bundesland in der Gewebespende im Netzwerk
der DGFG. Das Dresdner Uniklinikum ist dabei nicht nur bei der Zahl der
Spenden stark, sondern auch bei den Gewebetransplantationen: Insgesamt
wurden 2019 an der Augenklinik 110 Augenhornhäute transplantiert. „Diese
Zahlen erfüllen mich mit Genugtuung. Als einer der ersten Gesellschafter
der DGFG beziehungsweise seiner Vorgängerinstitution haben wir die
Grundlage für die positive Entwicklung bei der Gewebespende geschaffen.
Zum Teil war dies ein steiniger Weg, den wir zurückgelegen mussten. Wir
haben uns von dem Selbstverständnis leiten lassen, dass das Spenden von
Geweben oder Organen ein klares Zeichen für gesellschaftliches Engagements
ist – analog zur Motivation der Spender und deren Angehörige, die sich
bewusst für diese Gabe entschieden haben“, sagt Prof. Michael Albrecht,
Medizinischer Vorstand des Dresdner Uniklinikums.

Zwei Fotos im Erdgeschoss der Uni-Augenklinik lassen die Folgen der
Fuchs´schen Hornhaut-Dystrophie sichtbar werden: Statt klarer Konturen und
dem Farbenspiel von Blüten sehen Patienten mit einer starken Degeneration
der untersten Zellschicht ihrer Augenhornhäute von einem sommerlichen
Blumenstrauß gerade noch ein wolkig-weißes Gebilde. Menschen in diesem
Stadium können weder lesen, geschweige denn Autofahren oder sich
eigenständig in unbekanntem Gelände bewegen. Dieser Sehverlust lässt sich
mit einer Transplantation komplett rückgängig machen. Denn es ist eine nur
fünf Mikrometer (μm) – also fünf Hundertstel Millimeter – dünne innere
Zellschicht der Augenhornhaut, sogenannte Endothel, die krankheitsbedingt
zum Aufquellen von Hornhautgewebe führt und dadurch die Sicht schleichend
einschränkt.

Prof. Frederik Raiskup ist einer der Experten, die bei der Fuchs´schen
Hornhaut-Dystrophie routinemäßig nicht mehr ganze Augenhornhäute
transplantiert, sondern die hauchdünnen Lamellen. Unter dem Mikroskop
setzt er einen nur drei Millimeter langen Schnitt am äußersten Rand der
veränderten Hornhaut, um mit feinen Instrumenten an deren Unterseite zu
kommen. Wenige Minuten sind nötig, um die degenerierte Zellschicht zu
entfernen. Danach wird das von der DGFG aufbereitete und in einer sehr
feinen Kanüle – auch Injektor genannt – ein aufgerolltes Transplantat
unter die restliche Hornhaut geschoben und entrollt. Aufgrund seiner
kurzen Dauer belastet dieser Eingriff Patienten nur sehr gering: Im
Gegensatz zur herkömmlichen Transplantation aller Hornhautschichten ist
ist es möglich, den Eingriff in örtlicher Betäubung vorzunehmen. Das ist
auch deshalb entscheidend, weil es vor allem ältere Menschen sind, deren
Sehvermögen sich aufgrund der Fuchs´schen Hornhaut-Dystrophie verringert.
In Deutschland sind etwa fünf Prozent der 70 bis 80-Jährigen betroffen.
Ein noch größerer Vorteil dieser Form der Gewebetransplantation ist eine
äußerst geringe Abstoßungsrate. Während sie bei der Übertragung ganzer
Hornhäute zwischen vier und 20 Prozent liegt, sind es bei der 2006
etablierten lamellären Transplantationstechnik lediglich ein bis drei
Prozent. Geradezu beglückt sind viele transplantierte Patienten davon,
dass sie bereits während des knapp einwöchigen Klinikaufenthalts häufig
bis zu 70 Prozent ihrer Sehfähigkeit zurückgewinnen. Bei der Übertragung
ganzer Hornhäute dauert es nicht selten ein Jahr bis zur klaren Sicht.

Wartezeit auf Augenhornhäute beträgt nur wenige Wochen
Im Durchschnitt werden pro Jahr rund 7.000 Hornhauttransplantationen in
Deutschland vorgenommen. „Mehr als jede zweite Hornhaut kommt von der
DGFG. Wir können mittlerweile bei der Hornhauttransplantation die meisten
Anfragen innerhalb weniger Wochen erfüllen“, sagt GGFG-Geschäftsführer
Martin Börgel. Unter den vermittelten Hornhäuten waren 383
Hornhautlamellen (LaMEK) für die DMEK-Operation (Descemet Membrane
Endothelial Keratoplasty); 82 davon wurden am Universitätsklinikum Dresden
transplantiert. Bei einer lamellären Transplantation ersetzen Ärzte nur
eine dünne Schicht der Hornhaut, wodurch sich die Sehfähigkeit der
Patienten deutlich schneller erholt und das Infektionsrisiko minimal
bleibt.

Auch im Universitätsklinikum Dresden konnte die DGFG zum Großteil
Augenhornhautspenden realisieren: Drei Menschen spendeten kardiovaskuläre
Gewebe, wie Herzklappen und Blutgefäße. 51 der insgesamt 52 Spendenden
gaben ihre Augenhornhaut. Trübt sich die Augenhornhaut wegen einer
Erkrankung oder Verletzung kann eine Augenhornhauttransplantation
Patienten vor der Erblindung bewahren. Doch Hornhauttransplantate sind nur
begrenzt verfügbar: Hinter jedem Transplantat steht ein verstorbener
Mensch, der sich zu Lebzeiten für die Gewebespende nach dem Tod
entschieden hat. Oft treffen auch die Angehörigen die Entscheidung.

Zusammen mit dem Universitätsklinikum macht die DGFG mit einer
Fotografieausstellung auf die Möglichkeiten der Hornhauttransplantation
aufmerksam. Mithilfe von Spendengeldern konnte die DGFG in 2019 eine
Fotowanderausstellung initiieren, die mittlerweile in allen fünf
Gesellschafterkliniken der DGFG zu sehen ist, so auch in der Augenklinik
des Universitätsklinikums Dresden. Fotografin Alexandra Bidian begleitete
für die Reportage „Wieder-Sehen“ eine Patientin mit Fuchs‘scher
Endotheldystrophie auf ihrem Weg vom trüben Blick zurück zum klaren Sehen.
Die Motive der Reportage zeigen, wo das Spendergewebe herkommt, wie es
aufbereitet und gelagert wird und welche Schritte außerdem bis zur
erfolgreichen Transplantation notwendig sind.

DGFG-Bilanz 2019: Ein starkes Jahr für die Gewebespende

Erneut konnte die DGFG mehr Gewebespenden realisieren: In 2019 spendeten
insgesamt 2.753 Menschen ihr Gewebe. In 2018 waren es 2.732 Menschen. „Den
Spendenden und ihren Angehörigen gilt unser besonderer Dank“, betont
Martin Börgel. Insgesamt gingen 39.132 Meldungen potenzieller Spenderinnen
und Spendern aus den Kliniken im Netzwerk bei der DGFG ein. Nach deren
Prüfung auf medizinische Kontraindikationen führten die an 31 Standorten
tätigen rund 50 Koordinatorinnen und Koordinatoren 7.565 Gespräche, um
über die Möglichkeit der Gewebespende aufzuklären. 2.997-mal wurde einer
Gewebespende zugestimmt. Die durchschnittliche Zustimmungsquote zur
Gewebespende lag damit bei 40 Prozent: Gewebespende wird als
gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen.

Treibende Kraft für diese Entwicklung sind diejenigen, die im Auftrag der
DGFG Gewebespenden in den Krankenhäusern koordinieren. „Sie unterstützen
die Kliniken da, wo es nötig ist: vor Ort beim Spenderscreening, dem
Angehörigengespräch, der Gewebeentnahme sowie bei der Klärung
beispielsweise von datenschutzrechtlichen Belangen”, so Börgel. Von
inzwischen 31 Standorten aus realisieren die Koordinatorinnen und
Koordinatoren die Gewebespende an über 100 Krankenhäusern deutschlandweit.
Im offenen Netzwerk der DGFG kooperieren zahlreiche Universitätskliniken,
kommunale und konfessionelle Krankenhäuser, aber auch große
Klinikverbünde. 13 Gewebebanken im Netzwerk ermöglichen eine bestmögliche
Versorgung von Patientinnen und Patienten in ganz Deutschland.

Spende von Herzklappen und Blutgefäßen: Neues Programm zeigt Erfolge

2019 konnte die DGFG 31 Spenden kardiovaskulärer Gewebe bei Herz-
Kreislauf-Verstorbenen vornehmen – mehr als dreimal so viele wie im Jahr
zuvor. Bei dieser Form der Spende entnehmen die Koordinierenden gemeinsam
mit einem Arzt das Herz mitsamt der Herzklappen oder auch die großen
Blutgefäße. Dadurch war es der DGFG in 2019 möglich, insgesamt 166
Herzklappen und 111 Gefäße zur Transplantation zu vermitteln. Der Bedarf
dieser Gewebe in der Transplantationsmedizin ist nach wie vor sehr hoch.
Herzklappen und Blutgefäße stammten bisher aus der Organspende. Die DGFG
hatte daher 2017 ein Programm zur Spende kardiovaskulärer Gewebe (KVG) von
Herz-Kreislauf-Verstorbenen initiiert. Denn auch bei der Spende dieser
Gewebe spielt der Hirntod keine Rolle. Herzklappen und Gefäße können noch
bis zu 36 Stunden nach Todeseintritt entnommen werden.

Amnion aus der Plazentaspende: Das Wunder in der Wundheilung

In 2019 konnte die DGFG 39 Plazentaspenden im Rahmen geplanter
Kaiserschnittgeburten realisieren (28 in 2018). Aus der Plazenta wird die
Amnionmembran gewonnen, die Ärzte vor allem in der Ophthalmologie zur
Behandlung der erkrankten Augenoberfläche verwenden, sowie in der
gynäkologischen Chirurgie, Mund-Kiefer-Chirurgie sowie als temporären
Hautersatz bei thermischen Verletzungen und Wundheilungsstörungen.
Insgesamt 1.802 „Wundpflaster“ kamen 2019 aus diesen Spenden Patienten
deutschlandweit zugute.

Fast jeder verstorbene Mensch kann Gewebe spenden

Gewebe, die nach dem Tod gespendet werden können, sind neben
Augenhornhäuten, Herzklappen und Blutgefäßen auch Knochen, Sehnen, Bänder
und Haut. Aus der Lebend-Gewebespende kommt die Amnionmembran. Der Anteil
der Menschen unter den Organspendenden, die Gewebespenderinnen und
-spender sind, ist insgesamt sehr gering. Die Hirntoddiagnostik spielt bei
der Gewebespende keine Rolle: 2.386 Gewebespendende und damit knapp 90
Prozent sind an einem Herz-Kreislauf-Stillstand verstorben.

Gesetze regeln die Abläufe einer Gewebespende

Die DGFG fördert seit 1997 die Gewebespende und -transplantation in
Deutschland. Auf Basis des Gewebegesetzes von 2007 sind alle Tätigkeiten
und Ablaufprozesse der Gewebespende gesetzlich geregelt. Für alle
Gewebezubereitungen gilt das Handelsverbot. Die DGFG vermittelt ihre
Transplantate über eine zentrale Stelle mit einer bundesweiten Warteliste.
Jede medizinische Einrichtung in Deutschland kann Gewebe von der DGFG
beziehen. Als unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft wird die DGFG
ausschließlich von öffentlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens
getragen: Gesellschafter sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Dresden, das Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule
Hannover, die Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-
Klinikum Neubrandenburg. Die DGFG ist in ihrer Aufbaustruktur, der
Freiwilligkeit der Unterstützung durch die Netzwerkpartner und ihrer
Unabhängigkeit von privaten oder kommerziellen Interessen einzigartig in
Deutschland.