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Der am 23. Januar vom sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer
in Hoyerswerda übergebene Förderbescheid in Höhe von 6,8 Millionen Euro
markiert den offiziellen Start für dasParkinsonNetzwerk Ostsachsen
(PANOS). Das seit mehreren Jahren vorbereitete Projekt hat das Ziel, die
deutlichen Defizite zu beseitigen, die bei der Versorgung von Menschen mit
Parkinson im ländlichen Raum bestehen. An PANOS beteiligt sind unter
anderem eine Selbsthilfeorganisation, niedergelassene Ärzte, die
Kassenärztliche Vereinigung, Krankenkassen, wissenschaftliche
Institutionen und Kliniken – darunter als einer der Initiatoren dieses
Projekts das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden.

Ziel ist es, durch ein digital unterstütztes Versorgungskonzept die
medizinische Betreuung von Parkinson-Patienten über bestehende
Sektorengrenzen hinweg neu zu strukturieren. Am Beispiel der Behandlung
von Parkinson-Patienten leistet das Netzwerk einen wesentlichen Beitrag
dafür, zukunftsfähige Konzepte zu etablieren, mit denen auch im ländlichen
Raum Menschen mit chronischen, komplexen Erkrankungen adäquat versorgt
werden können – gemeinschaftlich und effizient.

Rund 400 Parkinson-Patienten und deren Angehörige aus ganz Ostsachsen
sowie aus den Großräumen Chemnitz und Dresden kommen am Donnerstag (23.
Januar) in die Lausitzhalle Hoyerswerda, um sich über das innovative
Netzwerk PANOS zu informieren und der feierlichen Übergabe der
Fördermittel durch Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer
beizuwohnen. Kretschmer betont dabei: „Das Projekt ist eine wunderbare
Sache. Mit innovativen Angeboten wie dem Parkinsonnetzwerk stärken und
verbessern wir die medizinische Versorgung insgesamt bei uns. Das ist gut
für die gesamte Region, das ist vor allem gut für jeden einzelnen
betroffenen Patienten. Dankbar bin ich allen Beteiligten, die sich für das
Vorhaben eingesetzt haben und weiter daran arbeiten, dass es eine
Erfolgsgeschichte wird. Der Freistaat unterstützt ganz gezielt solche
neuen und klugen Ansätze, um eine hochwertige Versorgung gerade auch in
den ländlichen Regionen sicherzustellen.“ Kretschmer dankte ausdrücklich
auch dem Bund für die finanzielle Unterstützung.

„Der große Zuspruch der Patienten ist ein deutliches Zeichen für den
großen Bedarf und das Interesse der Betroffenen für eine verbesserte
Versorgungssituation, die insbesondere im ländlichen Raum dringend
benötigt wird. Die Frage, wie Patienten ungeachtet ihres Wohnorts nach dem
aktuellen Stand der Medizin versorgt werden können, beschäftigt die
Hochschulmedizin Dresden bereits seit vielen Jahren“, sagt Prof. Michael
Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Dresden: „Das
dabei erworbene Know-how erhält mit der umfassenden Einbindung digitaler
Konzepte im ParkinsonNetzwerk Ostsachsen eine neue Dimension. In
Verbindung mit der engen Vernetzung aller Akteure erhält das Projekt
bundesweiten Vorbildcharakter. Ohne die großzügige finanzielle Förderung
durch den Bund und den Freistaat wäre dieses Versorgungsmodell nicht
umsetzbar.“

Die Versorgung von Menschen mit chronischen, altersbezogenen Erkrankungen
stellt in Sachsen eine zentrale versorgungsmedizinische Herausforderung
dar. Hauptgründe hierfür sind der in Sachsen und anderen ostdeutschen
Bundesländern überproportional steigende Anteil alter Menschen in der
Bevölkerung, der mit der Zunahme bestimmter Erkrankungen wie Parkinson
einhergeht. Etwa die Hälfte der Betroffenen lebt im ländlichen Raum fernab
einer ausdifferenzierten medizinischen Infrastruktur. Bezogen auf die
Parkinson-Erkrankung wird sich in den kommenden zehn Jahren die
Patientenzahl in Sachsen verdoppeln: Von derzeit 32.000 – das entspricht
der Einwohnerzahl von Meißen – auf etwa 64.000 Einwohner – so viele
Menschen leben derzeit in Pirna.

Versorgungsmedizinische Kennzahlen aus dem Raum Ostsachsen weisen bereits
heute auf einen dringenden Handlungsbedarf hin: 56 Prozent aller am
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden behandelten Parkinson-
Patienten, werden als Notfall eingewiesen – ein Hinweis darauf, dass es
massive Probleme bei der Versorgung der Betroffenen gibt. Viele dieser
Einweisungen ließen sich durch eine rechtzeitig beginnende Therapie
vermeiden. Verschärft wird das Problem dadurch, dass in Ostsachsen derzeit
ein gleichberechtigter Therapiezugang nicht gewährleistet ist: Die
Wahrscheinlichkeit, in der Stadt Dresden eine Tiefen Hirnstimulation (THS)
zu erhalten, ist um den Faktor 6,2 höher als in umliegenden ländlichen
Regionen; im Landkreis Görlitz werden 40 Prozent der Parkinsonpatienten
ausschließlich durch Hausärzte statt durch Fachärzte für Neurologie oder
zusätzlich auf Parkinson spezialisierte Kollegen behandelt. Das steht im
Widerspruch zur international anerkannten Position, dass integrierte,
sektorenübergreifende und standardisierte Behandlungskonzepte die einzig
adäquate Form der Versorgung von Parkinson-Patienten sind. An diesem Punkt
setzt PANOS mit drei Kernzielen an: Die Sicherung eines rechtzeitigen und
gleichberechtigten Therapiezuganges, insbesondere für Patienten im
ländlichen Raum, sowie die konsequente Umsetzung digitaler und
versorgungsrelevanter Innovationen als Grundlage für ein effizienteres
Erbringen medizinischer Leistungen und eine nachhaltige
Zukunftsperspektiven in der flächendeckenden Krankenversorgung.

Als Teilnehmer der Podiumsdiskussion der feierlichen Übergabe des
Förderbescheids in Hoyerswerda sieht Dr. Klaus Heckemann,
Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, das
Projekt als wegweisendes Modell in der medizinischen Versorgung: „PANOS
ermöglicht Parkinsonpatienten den Zugang zu mehr
lebensqualitätsverbessernder Therapie – ganz besonders in ländlichen
Regionen. Zugleich ist dieses Projekt eine zielführende Maßnahme, die
knappe Ressource Arzt durch die Vernetzung und Bündelung der Expertise der
Mediziner von ambulantem und stationärem Sektor zum Wohle der
Parkinsonpatienten einzusetzen“.

Netzwerk steigert Effizienz und Qualität bei der Versorgung von Parkinson

Im Rahmen von PANOS wird in der Projektphase ostsachsenweit für alle
Beteiligten ein standardisierter Behandlungspfad eingeführt. Dies ist mit
dem Anspruch verbunden, versorgungsmedizinische Innovationen konsequent zu
integrieren. Das Netzwerk steht dabei für eine gemeinschaftliche
Versorgung durch niedergelassene, ambulant tätige, ärztliche Kollegen und
Spezialisten. Nur durch eine solche Arbeitsteilung lassen sich
kapazitätsbedingte Engpässe vermeiden, die immer dann entstehen, wenn die
Patienten ausschließlich durch die zumeist in Krankenhäusern tätigen
Parkinson-Spezialisten behandelt werden.

Deshalb haben sich die Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum
Dresden, die Klinik für Neurologie am Elblandklinikum Meißen und die
Klinik am Tharandter Wald Hetzdorf bereiterklärt, gemeinschaftlich die
Rolle von spezialisierten ambulanten Parkinsonzentren im Raum Ostsachsen
wahrzunehmen. Im Sinne eines intersektoralen, integrierten
Versorgungsnetzwerks kooperieren diese drei Krankenhäuser in der ersten
PANOS-Projektphase mit niedergelassenen, ambulant tätigen Ärzten. Zu einem
späteren Zeitpunkt ist geplant, weitere Leistungserbringer wie Ergo- und
Physiotherapeuten oder Logopäden einzubinden. Die Leistungsfähigkeit eines
solchen Netzwerks lebt von der aktiven Mitwirkung aller Beteiligten.
Deswegen wird ein aktives Netzwerkmanagement ein wesentliches Aufgabenfeld
von PANOS sein.

Behandlungspfad bildet Grundlage einer definierten Aufgabenverteilung

Von dem zu schaffenden Behandlungspfad, der eine Vielzahl von Maßnahmen
und Abläufen festschreibt, profitieren die Patienten ab dem ersten Tag. Er
senkt die Zugangshürden für eine rechtzeitige und gleichberechtigte
Versorgung deutlich: Neben ihren behandelnden Neurologen oder Hausärzten
können sich Patienten selbst beim Netzwerk anmelden. Zudem werden sie
stärker in die laufende Versorgung eingebunden, in dem sie bestimmte
Aufgaben vor Arztterminen zuhause übernehmen werden. Dazu gehört das
kontinuierliche Erfassen von Symptomen – etwa in Form von Fragebögen, die
sie auf einem Tablet-PC ausfüllen, oder das Tragen von Kleidungsstücken,
in die Sensoren integriert sind. Der Einsatz dieser digitalen Technologien
erhöht hierbei die Effizienz der Maßnahmen. Zudem sorgt das präambulante
Monitoring dafür, dass anstehende Termine bei Ärzten und später auch bei
Therapeuten bedarfsgerechter plan- und strukturierbar sind. Auf Seiten der
Ärzte wird ein individuell auf den Patienten abgestimmtes, klar für den
jeweiligen Leistungserbringer zugeschnittenes Weiterbehandlungskonzept
entwickelt, das die Aufgaben zwischen dem niedergelassenen ambulanten
Bereich und der spezialisierten Betreuung an den klinischen Zentren
definiert.

Elektronische Patientenakte sichert gemeinsame Patientenbetreuung

Um den von und für PANOS entwickelten Behandlungspfad verlässlich wie
kontinuierlich umsetzen zu können, bedarf es einer von allen Akteuren
nutzbaren elektronischen Plattform, die im Rahmen des Projekts entwickelt
wird. Alle Leistungserbringer werden darauf zugreifen können, um ihre
Leistungen und Erkenntnisse zu dokumentieren und die von ihren
Fachkollegen ebenfalls in einfacher, verständlicher Form eingepflegten
Verlaufsparameter einsehen zu können. Die von PANOS entwickelte
elektronische Patientenakte bildet die Grundlage für eine bessere wie
effizientere gemeinschaftliche Patientenbetreuung.

Gerade die Parkinson-Erkrankung mit ihren gut durch digitale Sensoren zu
erfassenden Einschränkungen der Beweglichkeit eignet sich für die
Umsetzung von Monitoringkonzepten – sei es während ambulanter Termine oder
auch direkt zuhause bei den Patienten. Während sich ein weiteres
regionales Projekt (TelePark) mit dem telemedizinischen häuslichen
Monitoring von Parkinson-Patienten auseinandersetzt, soll im Rahmen von
PANOS der Fokus auf der Erprobung von digitalem Monitoring im Rahmen
ambulanter Termine an den drei Zentren liegen: Das hat großes Potential,
sowohl Qualität und Effizienz der Symptomerfassung und damit der
Versorgung zu verbessern – beides Kernziele von PANOS.

Parkinsonlotse als personelles Rückgrat des Netzwerks

Alle Patienten sollen im Rahmen von PANOS von einem spezialisierten und
sektorübergreifend tätigen Case Manager begleitet werden – dem
Parkinsonlotsen. Er sorgt dafür, dass alle Patienten einen persönlichen
Ansprechpartner bekommen. Jederzeit gut erreichbar kann der Lotse
sicherstellen, dass Probleme rechtzeitig erkannt werden. Zudem wird er
Bindeglied zwischen niedergelassenem ambulantem Sektor und spezialisierten
Parkinsonzentren sein. Der Parkinsonlotse erfüllt eine entscheidende
Funktion, da die gemeinsame elektronische Patientenakte nur funktioniert,
wenn individuelle Ansprechpartner den Patienten wie auch den
professionellen Leistungserbringern zur Verfügung stehen.

Patientenschule und Fortbildung als Basis standardisierter Behandlung

Patienten sollen sich aktiv in den Behandlungspfad einbringen, indem sie
selbstständig zuhause das präambulante Monitoring umsetzen oder im Falle
relevanter Verschlechterungen ihres Zustands in Eigeninitiative Kontakt
mit ihren Parkinsonlotsen aufnehmen. Voraussetzung dafür ist, dass die
Patienten in der Lage sind, diese Rolle auch wahrnehmen zu können: Im
Rahmen von PANOS wird erstmals in Deutschland eine standardisierte
Patientenschule für Parkinsonpatienten etabliert, die es in dieser Form
bereits für andere chronische Erkrankungen gibt. Betroffene in einer
Schulung zu befähigen, eine autonome partizipative Rolle als Patient
einzunehmen, ist gleichwertig zum Einsatz digitaler Sensoren zur
Symptomerfassung. Ergänzend dazu wird ein professionelles
Fortbildungscurriculum etabliert, um auch professionelle
Leistungserbringer optimal auf ihre Rollen und Aufgaben im Behandlungspfad
vorzubereiten.

Innovative digitale Patientenakte steht Ärzten und Patienten offen

Das Institut für Angewandte Informatik (InfAI) e.V. ist im Projekt PANOS
für die Entwicklung der digitalen Anwendungsplattform und der technischen
Infrastruktur verantwortlich. Die digitale Plattform ist eine Innovation
im Bereich der Telemedizin, da sie Patienten und verschiedene medizinische
Fachbereiche im klinischen und ambulanten Sektor vernetzt und koordiniert.
Ein zentraler Bestandteil der Plattform ist die Realisierung einer
digitalen Patientenakte. Mit dieser erhalten Ärzte und Spezialisten alle
relevanten medizinischen Inhalte über den Patienten aus „einer Hand“ und
können mit Hilfe einer passenden Benutzeroberfläche über Patientendaten
verfügen. Für die Patienten entstehen auf der anderen Seite Möglichkeiten,
in Kommunikation mit einem persönlichen Case Manager zu treten, Termine
für Besuche bei Spezialisten zu erstellen, auf Schulungsmaterial
zuzugreifen und an repetitiven Befragungen zur Symptomatik und zum
Krankheitsverlauf teilzunehmen. So wird der Alltag sowohl für die
Patienten als auch für Fachkräfte vereinfacht. Die Integration
sensorischer Daten soll perspektivisch ein verbessertes, automatisiertes
Monitoring der Patienten ermöglichen und im Forschungskontext zur Analyse
von Krankheitszusammenhängen beitragen.

Hintergrundinformation Parkinson

Die Parkinson-Erkrankung ist nach der Alzheimer-Demenz die zweithäufigste
neurodegenerative Erkrankung. Hauptmerkmal ist der Untergang bestimmter,
den Botenstoff Dopamin produzierender Nervenzellen. Der Mangel dieses
Hormons im Gehirn führt bei den Betroffenen zu fortschreitenden
Einschränkungen der Motorik: Alle Bewegungsabläufe werden kleiner und
langsamer – Ärzte sprechen von einer Unterbeweglichkeit. Zusätzlich kann
eine Vielzahl sogenannter nichtmotorischer Symptome auftreten. Dazu können
Störungen des autonomen Nervensystems gehören, deren Symptome
beispielsweise Verstopfung und Probleme der Blutdruckregulation sind oder
psychiatrische Störungen in Form von verändertem Verhalten,
Halluzinationen oder Depression sowie Gedächtnisstörungen.

Eine Besonderheit macht Parkinson-Patienten besonders empfindlich
gegenüber versorgungsmedizinischen Defiziten: Im Gegensatz zu anderen
neurodegenerativen Erkrankungen wie beispielsweise Alzheimer-Demenz ist
die Parkinson-Erkrankung auch langfristig außerordentlich gut behandelbar.
Daraus ergibt sich eine besondere gesellschaftliche Verpflichtung, diese
Patienten entsprechend zu versorgen. Dies eröffnet den Akteuren im
Gesundheitswesen gleichzeitig die Chance, auf die besonderen Bedürfnisse
dieser Patienten zugeschnittene erfolgversprechende Versorgungskonzepte zu
entwickeln.

Parkinson-Patienten adäquat zu versorgen ist mit der Herausforderung
verbunden, dass sich im Krankheitsverlauf der Bedarf nach immer
komplexeren Therapien ergibt. Dazu gehören der aufwändige Einsatz einer
Pumpentherapie zur kontinuierlichen Gabe von Medikamenten oder der Einsatz
der THS, die in der Regel von Spezialisten initiiert werden. Studien haben
wiederholt gezeigt, dass eine kontinuierliche Mitbehandlung durch
Parkinson-Spezialisten Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Therapie
ist. Auf diese Weise lassen sich Komplikationen bis hin zu vermeidbaren
Todesfällen reduzieren.

PANOS-Partner
Patientenvereinigung: Deutsche Parkinsonvereinigung (dPV); Kliniken:
Universitätsklinikum Dresden, Elblandklinikum Meißen, Klinik am Tharandter
Wald Hetzdorf; Wissenschaftliche Institute – TU Dresden: Institut für
Wirtschaftsinformatik, Zentrum für Medizinische Informatik (ZMI), Zentrum
für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV); Universität Leipzig:
Institut für Angewandte Informatik (InfAI, An-Institut der Universität
Leipzig); TU Chemnitz: Professur für Bewegungswissenschaften; Deutsches
Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE, Dresden, Bonn); Institut
für Angewandte Versorgungsforschung (inav, Berlin); Krankenkassen: AOK
PLUS, IKK classic; Berufsständige Organisationen: Kassenärztliche
Vereinigung Sachsen (KVS), Sächsische Landesärztekammer (SLÄK);
Unternehmen: Was Hab Ich gGmbH (Dresden).