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Viele Mütter mit Diabetes mellitus Typ 1 möchten ihr Kind gemäß den WHO-
Empfehlungen stillen, um ihm den besten Start ins Leben zu ermöglichen.
Doch häufig treibt sie die Angst um, dass sie durch nächtliches Stillen
unterzuckern. Eine Studie zeigt hingegen, dass diese Sorge bei achtsamer
Therapie unbegründet ist. Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes ziehen
daraus sogar gesundheitliche Vorteile, betont die Deutsche Diabetes
Gesellschaft (DDG). Die Fachgesellschaft spricht sich für eine Stärkung
von multiprofessionellen Diabetesambulanzen aus, die Frauen mit Diabetes
schon zu Beginn ihrer Schwangerschaft betreuen, offene Fragen der
werdenden Mütter klären und zum Stillen motivieren.

Gestillte Kinder erkranken seltener an Diabetes Typ 1 und 2 und leiden im
Laufe ihres Lebens weniger an Übergewicht als Kinder, die mit der Flasche
ernährt werden. „Auch viele junge Mütter mit Diabetes möchten, dass ihr
Kind von diesen gesundheitlichen Vorteilen profitiert“, erklärt Professor
Dr. med. Ute Schäfer-Graf, Sprecherin der DDG Arbeitsgruppe „Diabetes und
Schwangerschaft“. „Doch dabei schwebt immer die Angst vor Unterzuckerungen
beim nächtlichen Stillen mit.“ Bisher wurde diesen Müttern stets geraten,
zusätzliche Kohlehydrate in der Nacht einzunehmen, um nicht zu
unterzuckern. Eine Studie aus Dänemark zeigt nun, dass dies nicht
notwendig ist.1

In der Untersuchung verglichen die Autoren den Blutzuckerstatus von 43
stillenden Müttern mit 32 nicht-stillenden Frauen mit Diabetes Typ 1.
Dabei erhielten die Stillenden keine Extra-Kohlenhydrate, wie es sonst
angeraten wird. Das Ergebnis: Während der sechsmonatigen Beobachtung
konnten keine klinisch relevanten Unterschiede zwischen den Gruppen
bezüglich des Unterzuckerungsrisikos festgestellt werden.

„Sicherlich sind die Studienergebnisse aufgrund der geringen Probandenzahl
nicht eindeutig“, erläutert Schäfer-Graf, die auch Leiterin des
Diabeteszentrums für Schwangere am St. Joseph-Krankenhaus in Berlin ist.
„Dennoch reichen sie aus, um zu verdeutlichen, dass Mütter mit einem
Diabetes Typ 1 keinesfalls vor dem Stillen zurückschrecken müssen.“
Voraussetzung sei allerdings, dass stillende Mütter sich sehr genau an den
aktuellen Insulinbedarf halten, regelmäßig den Blutzucker messen und die
Menge der Kohlehydrataufnahme beachten.

Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes – dem sogenannten
Gestationsdiabetes (GDM) – profitieren sogar vom Stillen: „Diese
Patientinnen haben ein mindestens 7-fach erhöhtes Risiko, nach der
Entbindung an einem dauerhaften Diabetes Typ 2 zu erkranken“, verdeutlicht
Schäfer-Graf. Neuere Studien zeigten jedoch, dass sie durch das Stillen
dieses Risiko senken können.2 Dabei scheint die Stilldauer entscheidend
für den schützenden Effekt zu sein: Je länger sie dem Kind bestenfalls nur
Muttermilch anbieten, desto deutlicher sinkt das Risiko.

„Frauen mit Diabetes müssen während und nach der Schwangerschaft sicher
begleitet werden“, so die DDG Präsidentin Professor Dr. med. Monika
Kellerer. „Dafür müssen multiprofessionelle Ambulanzen und
Diabetesschwerpunkteinrichtungen sowie Perinatalzentren mit besonderer
Expertise in der Betreuung von Schwangeren mit Diabetes besser gefördert
werden.“ Nur in diesen Zentren könnten Frauen hoch qualifiziert betreut,
individuell auf ihre Bedürfnisse geschult werden und erhalten adäquates
Wissen über technologische Hilfsmittel, wie einer Insulinpumpe.
Strukturierte Vorsorgeprogramme für Mutter und Kind nach einer
Schwangerschaft mit Diabetes existieren hingegen noch nicht. „In
Anbetracht steigender Gestationsdiabetes- und Typ-2-Erkrankungen muss sich
dies ändern“, fordert Kellerer. „Solche Programme könnten uns eine große
primärpräventive Chance bieten, den jährlich 40.000 an Gestationsdiabetes
erkrankenden Müttern sowohl einen späteren Typ-2-Diabetes als auch ein
damit einhergehendes Risiko für Herzkreislauferkrankungen zu ersparen.“

Literatur:

1Ringholm L et al., Breastfeeding at night is rarely followed by
hypoglycaemia in women with type 1 diabetes using carbohydrate counting
and flexible insulin therapy. Diabetologia. 2019 Mar;62(3):387-398. doi:
10.1007/s00125-018-4794-9. Epub 2019 Jan 3.
<https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=Breastfeeding+at+night+is+rarely+followed+by+hypoglycaemia+in+women+with+type+1+diabetes+using+carbohydrate+counting+and+flexible+insulin+therapy>

2Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2020
<https://www.deutsche-diabetes-
gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Stellungnahmen/Gesundheitspolitik/Gesundheitsbericht_2020.pdf>

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Über die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG):
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ist mit mehr als 9.000
Mitgliedern eine der großen medizinisch-wissenschaftlichen
Fachgesellschaften in Deutschland. Sie unterstützt Wissenschaft und
Forschung, engagiert sich in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert
Behandlungseinrichtungen und entwickelt Leitlinien. Ziel ist eine
wirksamere Prävention und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes, von der
fast sieben Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu diesem
Zweck unternimmt sie auch umfangreiche gesundheitspolitische Aktivitäten.