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Membranmorphologie mit extrem dünner Schaumschicht, aber zugleich sehr hohem Materialtransport  © Fraunhofer IAP
Membranmorphologie mit extrem dünner Schaumschicht, aber zugleich sehr hohem Materialtransport © Fraunhofer IAP

Bei akutem Lungenversagen muss sofort gehandelt werden. In einer solchen
Notfallsituation wird der Patient oft mit einer Herz-Lungen-Maschine
beatmet. Dabei wird das Blut in einem Kreislauf außerhalb des Körpers über
Membranen mit Sauerstoff angereichert und Kohlendioxid abgereichert. Ein
Forscherteam am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP
hat neuartige Membranstrukturen entwickelt, die einen schnelleren
Gasaustausch ermöglichen, um die Blutoxygenation für den Erkrankten
schonender zu gestalten.

Schwerkranke Lungenpatienten, die an akutem Lungenversagen leiden, werden
mithilfe eines medizintechnischen Geräts beatmet – Fachleute bezeichnen
diesen Vorgang als extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO), einer
Alternative zur klassischen maschinellen Beatmung. Dabei wird Blut über
eine Kanüle aus dem Körper abgenommen, außerhalb des Körpers mit einem
Membran-Oxygenator mit Sauerstoff angereichert, von Kohlendioxid befreit
und über eine zweite Kanüle wieder in den Blutkreislauf eingeführt. Dieser
Vorgang ist für die Betroffenen außerordentlich belastend und kann nur
über einen kurzen Zeitraum durchgeführt werden.

Asymmetrische Membranstrukturen für einen hohen Sauerstoffaustausch

Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IAP in Potsdam haben es sich zum
Ziel gesetzt, diesen Prozess für Patienten schonender zu gestalten. Im
Auftrag der österreichischen Firma CCORE Technology entwickeln sie
Membranmorphologien, mit denen sich die Beatmungsunterstützung
intensivieren lässt. Kommerzielle Membranen verfügen über eine
symmetrische Struktur und sind für einen langsamen Sauerstoffaustausch
ausgelegt. »Wir konzipieren daher asymmetrische Strukturen, die aufgrund
ihrer Eigenschaften einen wesentlich schnelleren Gasaustausch ermöglichen
als konventionelle Membranen«, sagt Dr.-Ing. Murat Tutuş, Wissenschaftler
am Fraunhofer IAP. »Unser Alleinstellungmerkmal ist es, aus verschiedenen
Polymeren eine gezielte Membranstruktur herstellen zu können.«

Anders als symmetrische Membranen, die in sich homogen sind, zeichnen sich
die asymmetrischen durch ihre inhomogene, uneinheitliche Porosität aus.
Zur Trennschicht hin prägen kleine Hohlräume die Struktur, darunter
befinden sich große, nach unten hin offene Hohlräume. Das Gas kann über
die großen und offenen Hohlräume in die Nähe der Trennschicht schnell
konvektiv transportiert werden, wo es anschließend nur einen kurzen Weg
langsam diffussiv zur Trennschicht über die kleinen Blasen zurücklegen
muss. Anschließend treten die Gase über eine ultradünne Schicht in das
andere Medium über. »Unsere Membranen weisen eine abgestimmte Struktur aus
dem gewünschten Membranmaterial auf. So besitzt unsere Membran einerseits
eine außerordentlich hohe Gasdurchlässigkeit und weist eine hohe
mechanische Stabilität auf und andererseits ist das Membranmaterial inert
und weich zugleich, wie es idealerweise im Kontakt mit Blut sein sollte«,
erklärt der Ingenieur.

Die Struktur wurde zunächst im Standard-Fällverfahren in Flachmembranen
umgesetzt, um später eine einfache und kostengünstige Aufskalierung
umsetzen zu können. Um die gewünschte Morphologie zu erzielen, verwendete
das Forscherteam sowohl konventionelle als auch unkonventionelle Polymere
und passte die Prozessparameter entsprechend an. »Der Sauerstofftransport
wurde unter den vorgegebenen Bedingungen um den Faktor 4 erhöht. Dabei
zeigten die hergestellten Membranen eine Druckstabilität von mindestens 7
bar, in der Regel aber größer 10 bar TMP (Transmembrane pressure)«, so
Murat Tutuş.

Membran in der Aorta platzierbar

Im nächsten Schritt wollen die Forscher die extrakorporale in eine
intrakorporale Blutoxygenation überführen. Das heißt, die Membran aus
Hohlfasern soll so miniaturisiert werden, dass sie sich in der Aorta
platzieren lässt, die einen Durchmesser von etwa einem Zentimeter hat.
»Die Herausforderung besteht darin, Membranmorphologien zu erzeugen, die
über eine kleine Oberfläche einen sehr hohen Sauerstofftransport
gewährleisten können«, sagt Murat Tutuş. Über Flachmembranen lässt sich
das nicht realisieren, daher passen der Forscher und sein Team die
Struktur an Hohlfasermembranen an. Um dies umsetzen zu können, entsteht am
Institut in Zusammenarbeit mit dem Kollegen Dr. André Lehmann eigens eine
Hohlfaserspinnanlage, die Anfang 2020 ihren Betrieb aufnehmen wird.

Da sich die Membranmorphologien an gewünschte Vorgaben anpassen lassen,
eignen sich die Trennschichten ebenso für andere medizinische Anwendungen,
etwa für die Dialyse oder zur Bestimmung des Blutzuckers. Aber auch der
industrielle Einsatz ist denkbar, beispielsweise können die
Hohlfasermembranen für die Wasseraufreinigung oder als Luftfilter
adaptiert werden.