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Nach durchschnittlich 1,6 Prozent der operativen Eingriffe kommt es zu
Infektionen der Wunde. In den letzten Jahrzehnten ist es zwar gelungen,
dieses Risiko durch Hygienemaßnahmen und vorbeugende Medikamentengabe
deutlich zu senken. Mediziner der Berliner Charité haben nun jedoch einen
Faktor identifiziert, den Ärzte und Klinikpersonal nicht beeinflussen
können: das Wetter. Wie sie in einer Studie mit Daten aus 17 Jahren zeigen
konnten, treten Wundinfektionen in wärmeren Monaten häufiger auf als in
kühleren.

Die Ergebnisse erläutert der Studienleiter auf der Jahrespressekonferenz
der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM), die dem Thema
„Innere Medizin und Klimawandel“ gewidmet ist.

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In den Jahren 2000 bis 2016 wurden über das Krankenhaus-Infektions-
Surveillance-Systems (KISS) zwei Millionen Operationen dokumentiert. In
deren Folge ist es zu mehr als 32.000 postoperativen Wundinfektionen
gekommen. An KISS sind Krankenhäuser aus ganz Deutschland angeschlossen –
verwaltet wird das System über die Charité, wo Dr. med. Seven Johannes Sam
Aghdassi und seine Kollegen die Daten auswerteten.

Die Angaben zur Wundheilung aus dem KISS verknüpften die Mediziner mit
meteorologischen Messdaten des Deutschen Wetterdienstes, wie etwa der
Außentemperatur, dem Niederschlag und der Luftfeuchtigkeit. Da diese
Parameter stark miteinander korrelierten, konzentrierten sich die
Studienautoren bei der Analyse letztlich auf die monatliche
Durchschnittstemperatur. Wie sich zeigte, stand diese in einem deutlichen
Zusammenhang mit der Zahl der dokumentierten Wundinfektionen: „Grob gesagt
nahm mit jedem Grad, um das die Außentemperatur anstieg, das Risiko für
eine postoperative Wundinfektion um ein Prozent zu“, erklärt Aghdassi. Bei
der Analyse definierter Temperaturbereiche ergab sich zwischen der
kältesten Kategorie (weniger als 5 Grad Außentemperatur) und der wärmsten
(20 Grad oder mehr) ein Risikozuwachs von 13 Prozent.

Dabei schienen manche Bakterientypen stärker auf die Außentemperatur zu
reagieren als andere. Während sich die Zahl der Infektionen mit
grampositiven Erregern nur wenig änderte, nahmen Infektionen mit
gramnegativen Keimen – wie etwa E.coli-Bakterien – mit steigenden
Temperaturen deutlich zu. Auch waren oberflächliche Wundinfektionen
deutlich stärker temperaturabhängig als Infektionen in tieferliegenden
Wundbereichen.

Die Analyse, an der auch Wissenschaftler des Potsdam Instituts für
Klimafolgenforschung beteiligt waren, hat Aghdassi zufolge einen rein
explorativen Charakter. „Es handelt sich lediglich um einen ersten Schritt
in die Thematik hinein“, betont der Berliner Studienleiter. Entsprechend
möchte er die Schlussfolgerungen aus seiner Analyse zunächst nur als
Hypothese verstanden wissen. Eine Hypothese allerdings, die es angesichts
der im Zuge des Klimawandels zu erwartenden Temperatursteigerung weiter zu
untersuchen lohnt.

Das wird ebenso Thema der Pressekonferenz in Berlin sein, wie die Frage,
welchen Einfluss das Klima auf herzkranke Patientinnen und Patienten und
Menschen mit Allergien und Lungenerkrankungen hat.
“Klimawandel und Gesundheit” wird auch Thema beim 126. Internistenkongress
von 25. bis 28. April 2020 in Wiesbaden sein. Mehr Infos unter
<www.dgim2020.de>.


Quelle:
Aghdassi, S J S; Schwab, F; Hoffmann, P; Gastmeier, P: The Association of
Climatic Factors with Rates of Surgical Site Infections: 17 years‘ data
from hospital infection surveillance.
Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 529-36. DOI: 10.3238/arztebl.2019.0529
<https://www.aerzteblatt.de/int/archive/article/209077/The-association-of-
climatic-factors-with-rates-of-surgical-site-infections-17-years-data-
from-hospital-infection-surveillance
>

– Bei Abdruck Beleg erbeten –

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Jahrespressekonferenz der
Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) in Berlin
Innere Medizin und Klimawandel

Termin: Donnerstag, 13. Februar 2020, 12.00 bis 13.00 Uhr
Ort: Geschäftsräume der DGIM
Anschrift: Oranienburger Straße 22, 10178 Berlin (Mitte)

Themen und Referenten:

Klimawandel, Blutdruck und Flüssigkeitshaushalt: Was muss ich beachten?
Professor Dr. med. Jürgen Floege
Vorsitzender der DGIM 2019/2020 und Direktor der Klinik für Nieren- und
Hochdruckkrankheiten, rheumatologische und immunologische Erkrankungen an
der Uniklinik der RWTH Aachen

Herzkrank im Klimawandel: Wie schütze ich mich?
Professor Dr. med. Georg Ertl
Generalsekretär der DGIM und Kardiologe aus Würzburg

Lungenkrankheiten, Allergien und Klimaänderungen
Professor Dr. med. Christian Witt
Leiter des Arbeitsbereiches Ambulante Pneumologie, Charité –
Universitätsmedizin Berlin

Auswirkungen des Klimawandels auf die postoperative Wundheilung
Dr. med. Seven Johannes Sam Aghdassi
Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Charité – Universitätsmedizin
Berlin

Moderation: Pressestelle der DGIM, Stuttgart