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Welttag der Patientensicherheit am 17.09.2020

Neben Fachkompetenz und standardisierten Abläufen gehört auch
Sozialkompetenz bei Ärzten und Pflegenden zu einer sicheren
Patientenversorgung. Denn Experten zufolge gehen 70 Prozent der
Zwischenfälle in der Medizin auf einen Mangel an kognitiven und
zwischenmenschlichen Fertigkeiten zurück (1). Doch das Training von
zwischenmenschlichen Fähigkeiten, sogenannten Human Factors, spielt in der
Ausbildung und in den Kliniken immer noch eine untergeordnete Rolle.
Darauf macht die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie
(DGOU) anlässlich des Welttages für Patientensicherheit am 17. September
2020 aufmerksam.

„Das Training von zwischenmenschlichen Fähigkeiten ist eine wichtige Säule
der Patientensicherheit“, sagt DGOU-Präsident Prof. Dr. Dieter C. Wirtz.
Das Prinzip „Sicherheitsfaktor Mensch“ diskutieren Experten am 17.
September 2020, u. a. von DGOU und Lufthansa Aviation Training (LAT), in
einem Web-Seminar. Interessierte können ab 17:00 Uhr an der kostenfreien
Online-Veranstaltung teilnehmen.

Die Ursachen für Zwischenfälle in der Medizin sind vielfältig: Zeitdruck,
mangelnde Kommunikation, Personalmangel, Stress und Überforderung (2).
„Arbeiten unter Zeitdruck führen in jedem Tätigkeitsfeld zu einer erhöhten
Fehlerquote“, sagt Human-Factors-Experte Martin Egerth von Lufthansa
Aviation Training Switzerland AG. Es gibt jedoch Strategien, mit deren
Hilfe sich Häufigkeit und Fehlerketten reduzieren lassen. Schon vor Jahren
haben sich DGOU und LAT zusammengeschlossen, um die Sicherheitskultur in
der Medizin nachhaltig zu verbessern. „Von- und miteinander lernen mit der
Erfahrung aus der Luftfahrt“ heißt die Idee, die hinter dem noch jungen
Kursformat „IC - Interpersonal Competence Training“ steht. Auch wenn
Parallelen nicht offensichtlich sind, haben Piloten und medizinisches
Fachpersonal einiges gemeinsam: Beide haben das Leben von Menschen in der
Hand. „In der Luftfahrt gehören Human Factors Trainings inzwischen zur
Routine. Eine ähnliche Entwicklung wollen wir in der Medizin anstoßen“,
sagt Diplom-Psychologe Egerth.

Das in der Luftfahrt bewährte Human-Factors-Training wurde von Piloten,
Psychologen und Ärzten für die Medizin weiterentwickelt. Es steht
inzwischen für alle medizinischen Berufsgruppen und Fächer zur Verfügung.
Die Trainings werden von jeweils einem Mediziner und einem Human-Factors-
Experten von LAT geleitet. Sie zeigen Ärzten und Pflegenden anhand von
Beispielen aus dem medizinischen Alltag, wie sie in kritischen Momenten
richtig mit Kollegen und Patienten kommunizieren und wie sie trotz hoher
Arbeitsbelastung ihre Handlungssicherheit und Entscheidungsfähigkeit
stärken. „Auch ein junger Assistenzarzt muss das Recht haben, einem
erfahrenen Ober- oder Chefarzt eine kritische Nachfrage zu einem
Behandlungsfall oder Vorgehen zu stellen, ohne Repressalien zu
befürchten“, sagt Egerth. „Die offene Kultur, wie sie die Luftfahrt heute
hat, ist in der Medizin noch nicht vorhanden. Je besser ein Team
miteinander kommuniziert und agiert, desto seltener werden Fehler. Das
lässt sich trainieren“, sagt Human-Factors-Trainer und DGOU-
Vorstandsmitglied Prof. Dr. Bertil Bouillon, Direktor der Klinik für
Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie Klinikum Köln-Merheim.
Die Teilnehmer lernen, Probleme anzusprechen, Feedback zu geben und
aufzunehmen, Führungseigenschaften auszubauen, ihre psychische
Widerstandsfähigkeit zu verbessern, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu
schaffen und sich gegenseitig zu motivieren. „Eine gelebte Sicherheits-
und Kommunikationskultur gibt nicht nur dem Patienten ein gutes Gefühl und
beschleunigt seine Genesung, sondern wirkt sich auch auf die Zufriedenheit
der Mitarbeiter aus“, sagt Bouillon. Das alles erhöhe die
Patientensicherheit.

Das IC-Training haben seit 2016 mehr als 2000 Ärzte durchlaufen. Im
Weißbuch Schwerverletztenversorgung der Deutschen Gesellschaft für
Unfallchirurgie (DGU) werden Kurse zur Stärkung der Interpersonellen
Kompetenz inzwischen im Rahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung
empfohlen. Denn gerade an Schnittstellen zwischen Präklinik, also vor
Eintreffen des Schwerverletzten im Krankenhaus, Schockraum und OP ist
verzahntes Handeln zwischen verschiedenen Berufsgruppen notwendig. Eine
gute Teamarbeit unter Leitung einer Führungskraft mit entsprechenden
Führungsqualitäten und einer effektiven Kommunikation ist daher für die
Performance interdisziplinärer und interprofessioneller Teams ebenso
wichtig wie eine strukturierte und fundierte Entscheidungsfindung und der
professionelle Umgang mit Stress.

Referenzen:
1) Weißbuch Schwerverletztenversorgung (3. erweiterte Auflage, 2019)  (1.9
MB)
2) Umfrage zur Patientensicherheit von DGOU und LAT aus 2015

Veranstaltungshinweis:
Kostenfreies Webinar am 17.09.2020, 17:00 – 18:15 Uhr
Sicherheitsfaktor Mensch. Ein holistischer Ansatz zur Erhöhung der
Patientensicherheit
Anmeldung: www.eventbrite.de/e/sicherheitsfaktor-mensch-ein-holistischer-
ansatz-fur-patientensicherheit-registrierung-116388203249


Weitere Informationen:
www.dgou.de
www.interpersonal-competence-training.com