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„Milch ab Hof“ muss vor dem Verzehr abgekocht werden

Die Ergebnisse des Zoonosen-Monitorings 2019 zeigen, dass Rohmilch
potenziell krankmachende Keime enthalten kann. In bis zu 5 % der rund 360
untersuchten Rohmilch-Proben wurden Keime wie Campylobacter spp. und STEC
nachgewiesen. Etwa 10 % der Proben enthielten bestimmte multiresistente
Bakterien wie ESBL/AmpC-bildende E. coli. Das Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) rät daher, sogenannte
„Milch ab Hof“ vor dem Verzehr immer konsequent abzukochen, um
Krankheitskeime abzutöten.

Konsummilch wird in Deutschland vor der Abgabe an Verbraucher
grundsätzlich wärmebehandelt. Zoonoseerreger – also Krankheitserreger, die
vom Tier auf den Menschen übergehen können – stellen deshalb in dieser
Milch üblicherweise keine Gefahr dar. Ein gesundheitliches Risiko geht
aber von Rohmilch aus, wenn die Erhitzung ausbleibt, wie bei der
Herstellung von Rohmilchkäse und anderen Rohmilchprodukten.

Empfindlichen Verbrauchergruppen wie Kleinkindern, älteren und
immungeschwächten Menschen sowie Schwangeren wird deshalb geraten, auf den
Verzehr von Rohmilchprodukten generell zu verzichten.

Shiga Toxin-bildende E. coli (STEC)

Tankmilch, also unbehandelte Milch direkt vom Erzeugerbetrieb, war zu 4,9
% mit Shiga Toxin-bildenden E. coli (STEC) kontaminiert. Dies sind
Bakterien, die akute Darmentzündungen hervorrufen können, die zum Teil
einen schweren Verlauf nehmen. Insbesondere bei Kindern kann eine
Infektion mit STEC zur Ausbildung eines hämolytisch-urämischen Syndroms
(HUS) führen, das u. a. mit einem akuten Nierenversagen einhergeht. Die
Bedeutung von Rohmilch als mögliche Quelle für STEC-Infektionen des
Menschen wird dadurch unterstrichen, dass die gewonnenen Bakterien-Isolate
besonders häufig Träger des eae-Gens – einer der Hauptvirulenzfaktoren von
STEC – waren.

Mit 7,4 % positiver Proben wurden STEC zudem häufig in Schweinehackfleisch
nachgewiesen. Dieses Ergebnis bestätigt, dass auch rohes
Schweinehackfleisch kein geeignetes Lebensmittel für empfindliche
Verbrauchergruppen ist.

STEC wurden in 0,3 % der Proben von tiefgefrorener Petersilie und in 1,2 %
der Proben von frischem Babyspinat nachgewiesen. Unter den Isolaten aus
Babyspinat trat die weltweit bedeutendste STEC-Serogruppe O157 auf. Dies
unterstreicht die Bedeutung von pflanzlichen Lebensmitteln als eine
mögliche Quelle für STEC-Infektionen des Menschen. Sie werden häufig roh
verzehrt, so dass vor dem Verzehr keine Keimreduktion stattfindet.
Ursachen einer Kontamination von Obst und Gemüse mit STEC können
beispielsweise fäkal verunreinigtes Bewässerungswasser oder mit STEC
belasteter Dünger sein.

Campylobacter spp.

In Tankmilch aus Milchrinderbetrieben wurden Campylobacter spp. in 2,5 %
der untersuchten Proben nachgewiesen. Dieses Ergebnis bestätigt, dass
Rohmilch eine mögliche Quelle für eine Übertragung von Campylobacter spp.
auf den Menschen darstellt.

Die Nachweisrate von Campylobacter spp. in Proben von frischem
Hähnchenfleisch lag bei 46,4 % und damit in derselben Größenordnung wie in
den vorherigen Jahren. Die Ergebnisse des Zoonosen-Monitorings 2019 zeigen
zudem, dass bei der Reduzierung hoher Keimzahlen von Campylobacter auf
Schlachtkörpern von Masthähnchen nach wie vor keine Fortschritte erzielt
wurden. Der Anteil von Halshautproben mit Campylobacter-Keimzahlen von
über 1000 koloniebildenden Einheiten pro Gramm (KbE/g) war mit 23,4 % auch
nach Einführung des Prozesshygienekriteriums für Campylobacter im Jahr
2018 etwa gleich hoch wie in den Jahren zuvor.

Salmonellen

Die Ergebnisse der Untersuchungen in der Lebensmittelkette Mastschweine
zeigen, dass sich der Eintrag von Salmonellen in die Schlachthöfe über
Salmonella-positive Schweine in den letzten Jahren nicht verändert hat.
Etwa 6 % der Proben von Blinddarminhalt von Mastschweinen am Schlachthof
waren Salmonella-positiv und 3,4 % der Schweineschlachtkörper waren mit
Salmonella spp. verunreinigt. Frisches Schweinefleisch aus konventioneller
Produktion war zu 0,4 % mit Salmonellen belastet. Schweinefleisch aus
ökologischer Produktion wies mit 0,6 % eine vergleichbare
Kontaminationsrate auf. Die Ergebnisse der Typisierungsuntersuchungen
bestätigen, dass es zu einer Verschleppung von Salmonellen aus dem
Darminhalt auf die Schlachtkörper kommt, da die nachgewiesenen Salmonella-
Serovare auf den Schlachtkörpern und im Kot und Blinddarminhalt
mehrheitlich übereinstimmten.

Listeria monocytogenes

Importierter Fisch aus Aquakultur (Tilapia und Pangasius) war mit 33,1 %
positiver Proben sehr häufig mit Listeria monocytogenes kontaminiert und
stellt somit grundsätzlich ein Risiko für eine Infektion des Menschen mit
diesem Erreger dar. Die Ergebnisse unterstreichen die Empfehlung,
importierten Fisch aus Aquakultur nur vollständig durchgegart zu verzehren
und bei der Zubereitung des Fischs eine gute Küchenhygiene einzuhalten, um
Kreuzkontaminationen von verzehrfertigen Lebensmitteln wie Salat zu
vermeiden.

ESBL/AmpC-bildende E. coli

In 10,1 % der Proben von Tankmilch wurden ESBL/AmpC-bildende E. coli
mittels selektiver Verfahren nachgewiesen. ESBL/AmpC-bildende Bakterien
zeichnen sich dadurch aus, dass sie Enzyme bilden, die die Wirksamkeit von
Penicillinen und Cephalosporinen herabsetzen bzw. aufheben können, sodass
die Bakterien unempfindlich gegenüber diesen Antibiotika sind. Die
Ergebnisse unterstreichen, dass Rohmilch vor dem Verzehr durchzuerhitzen
ist, zumal nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand davon
auszugehen ist, dass diese resistenten Keime auch über Lebensmittel auf
den Menschen übertragen werden können.

In Kottupfern von Wildenten und Wildgänsen wurden ESBL/AmpC-bildende E.
coli in 9,8 % der Proben nachgewiesen. Damit untermauern die Ergebnisse,
dass diese Resistenzeigenschaften auch außerhalb von Nutztierhaltungen in
der Umwelt vorkommen. Die Frage, inwieweit dies die Folge eines Eintrages
aus der Nutztierhaltung oder ggf. aus anderen Quellen ist, lässt sich auf
Grundlage der vorliegenden Ergebnisse nicht beantworten.

Antibiotika-Resistenzlage

Bei den Antibiotikaresistenzuntersuchungen zeichneten sich im Hinblick auf
eine Verringerung des Vorkommens von Resistenzen bei Bakterien-Isolaten
aus den Lebensmittelketten Mastschweine, Mastkälber und Jungrinder sowie
aus Tankmilch und frischem Rindfleisch im Zoonosen-Monitoring 2019 keine
Fortschritte ab. Auffallend war, dass anders als bei Putenfleisch im
Zoonosen-Monitoring 2018 keine deutlichen Unterschiede in den
Resistenzraten der E.-coli-Isolate aus konventionell und ökologisch
erzeugtem Schweinefleisch auftraten (34 % vs. 28 %).

Der Anteil resistenter E.-coli-Isolate lag bei Proben aus dem
Blinddarminhalt von Mastkälbern und Jungrindern bei 47 %, in Tankmilch bei
18,4 % und in frischem Rindfleisch bei 20,3 %. In Bezug auf Cephalosporine
der dritten Generation waren die E.-coli-Isolate aus Tankmilch häufiger
resistent als die Isolate von Mastkälbern und Jungrindern sowie aus
Rindfleisch, was mit dem häufigen Einsatz von Cephalosporinen bei
Milchrindern mit Euterentzündung (Mastitis) in Zusammenhang stehen könnte.
Die E.-coli-Isolate aus importiertem Fisch aus Aquakultur waren fast
ausschließlich resistent gegenüber (Fluor)chinolonen, wobei die
Resistenzrate gegenüber Ciprofloxacin (58,8 %) deutlich höher war als
gegenüber Nalidixinsäure (20,6 %). Diese hohen Resistenzraten sind
problematisch, da es sich bei den Fluorchinolonen um Antibiotika handelt,
die für die Behandlung beim Menschen besonders wichtig sind.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Anstrengungen, den
Antibiotikaeinsatz durch Verbesserungen der Tiergesundheit zu senken,
weiter verstärkt werden müssen, um auf diesem Wege eine Reduktion der
Resistenzraten zu erreichen. Ein Schwerpunkt hierbei sollte die Reduktion
des Einsatzes kritischer Antibiotika sein, insbesondere jener von der WHO
als „Highest Priority Critically Important Antimicrobials“ (HPCIA)
klassifizierten Substanzen.

Bei der Interpretation der Ergebnisse der Resistenzuntersuchungen muss
beachtet werden, dass die minimalen Hemmkonzentrationen (MHK) anhand der
epidemiologischen Cut-Off-Werte bewertet wurden. Diese bestimmen den
Anteil mikrobiologisch resistenter Isolate und geben frühzeitig Hinweise
auf eine beginnende Resistenzentwicklung, erlauben aber keine unmittelbare
Aussage über die Wahrscheinlichkeit eines Therapieerfolges mit einem
bestimmten Antibiotikum.

Zoonosen-Monitoring 2019

Für das Zoonosen-Monitoring 2019 haben die Überwachungsbehörden der
Bundesländer 6.792 Proben auf allen Ebenen der Lebensmittelkette genommen
und auf das Vorkommen der wichtigsten über Lebensmittel übertragbaren
Erreger untersucht. Insgesamt 2.545 Bakterien-Isolate wurden in den
Nationalen Referenzlaboratorien am Bundesinstitut für Risikobewertung
(BfR) auf ihre Resistenz gegen ausgewählte Antibiotika untersucht.

Der vollständige Bericht zum Zoonosen-Monitoring 2019 ist online abrufbar
unter:
www.bvl.bund.de/ZoonosenMonitoring

Verbrauchertipps zum Schutz gegen lebensmittelbedingte Infektionen sind
dargestellt unter:
www.bvl.bund.de/lebensmittelhygiene

Hintergrund

Zoonosen sind Krankheiten bzw. Infektionen, die auf natürlichem Weg direkt
oder indirekt zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können.
Zoonoseerreger können von Nutztieren zum Beispiel während der Schlachtung
und Weiterverarbeitung auf das Fleisch übertragen werden. Mit
Zoonoseerregern kontaminierte Lebensmittel stellen eine bedeutende
Infektionsquelle für den Menschen dar. Häufige Erreger
lebensmittelbedingter Infektionen sind Campylobacter spp. und Salmonellen.
Infektionen mit Listeria monocytogenes oder Shiga Toxin-bildenden E. coli
/ STEC (ehemals: verotoxinbildende E. coli / VTEC) treten seltener auf.
Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) und ESBL/AmpC-bildende
E. coli sind weltweit verbreitete Erreger von zum Teil schwerwiegenden
Krankenhausinfektionen. Bei Nutztieren hat sich ein spezifischer Typ von
MRSA ausgebreitet. Eine Besiedlung des Menschen mit diesen „Nutztier-
assoziierten“ MRSA-Stämmen scheint jedoch nur in seltenen Fällen zu
schweren Krankheitserscheinungen führen.

Basierend auf der Richtlinie 2003/99/EG zur Überwachung von Zoonosen und
Zoonoseerregern, sind alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, repräsentative
und vergleichbare Daten über das Auftreten von Zoonosen und
Zoonoseerregern sowie diesbezüglicher Antibiotikaresistenzen in
Lebensmitteln, Futtermitteln und lebenden Tieren zu erfassen, auszuwerten
und zu veröffentlichen, um so Aufschluss über Entwicklungstendenzen und
Quellen von Zoonosen und Zoonoseerregern zu erhalten. Dabei werden vor
allem diejenigen Zoonoseerreger überwacht, die eine besondere Gefahr für
die menschliche Gesundheit darstellen. Das Zoonosen-Monitoring wird von
den Bundesländern seit dem Jahr 2009 auf Grundlage einer
Verwaltungsvorschrift bundesweit einheitlich jährlich im Rahmen der
amtlichen Lebensmittel- und Veterinärüberwachung durchgeführt. Die von den
Bundesländern erhobenen Untersuchungsergebnisse werden vom Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gesammelt, ausgewertet
und zusammen mit den Ergebnissen der Typisierung und Resistenztestung
sowie der Bewertung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) im
Bericht über die Ergebnisse des jährlichen Zoonosen-Monitorings
veröffentlicht. Das BfR übermittelt die Ergebnisse gemäß den Bestimmungen
des Artikels 9 der Richtlinie 2003/99/EG an die Europäische Behörde für
Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Im Zoonosen-Monitoring werden repräsentative Daten zum Vorkommen von
Zoonoseerregern bei den wichtigsten lebensmittelliefernden Tierarten und
ihren Produkten sowie anderen Lebensmitteln und Futtermitteln gewonnen.
Diese ermöglichen es, die Exposition der Verbraucher gegenüber den
Zoonoseerregern abzuschätzen. Die Resistenzuntersuchungen tragen dazu bei,
Beziehungen zwischen dem Antibiotikaeinsatz in der Tierproduktion und der
Entwicklung von Antibiotikaresistenzen besser analysieren zu können.

Weiterführende Informationen

BfR: Fragen und Antworten zum Verzehr von Rohmilch -
https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zum_verzehr_von_rohmilch-197200.html