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Eine Covid-19-Erkrankung zieht neben den Atemwege auch das Blutgefäßsystem
stark in Mitleidenschaft. Covid-19-Patienten zeigen eine verstärkte
Blutgerinnung und häufiger auch Entzündungen der Blutgefäße. So kann es zu
schwerwiegenden Komplikationen mit potenziell tödlichem Ausgang wie
Thrombosen, Lungenembolien, Schlaganfällen oder Durchblutungsstörungen in
den Armen oder Beinen kommen. Von einer prophylaktischen Therapie mit
Aspirin, wie sie nach einer US-amerikanischen Studie diskutiert wurde (1),
raten Experten der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und
Gefäßmedizin e.V. (DGG) allerdings ab.

Die wichtigsten Risikofaktoren für einen schweren oder gar tödlichen
Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion wurden bereits sehr früh im Verlauf der
Pandemie identifiziert: Ein fortgeschrittenes Alter, männliches
Geschlecht, Tabakkonsum, Bluthochdruck, Diabetes und starkes Übergewicht.
„Dieselben Risikofaktoren gelten auch für Gefäßerkrankungen“, sagt
Professor Dr. med. Markus Steinbauer, Chefarzt der Klinik für
Gefäßchirurgie am Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg und Präsident
der DGG 2021. Weil stationär aufgenommene oder gar intensivmedizinisch
betreute Covid-19-Patienten in ihrer Bewegung eingeschränkt sind und damit
einen weiteren Risikofaktor für thromboembolische Ereignisse aufweisen,
profitieren sie besonders von Maßnahmen der Thromboseprophylaxe oder
antithrombotischen Therapie.

Eine im Oktober in der Zeitschrift „Anaesthesia & Analgesia“ publizierte
Studie, nach der niedrigdosiertes Aspirin den Covid-Verlauf bei Herz-
Kreislauf-Patienten positiv beeinflussen könne, sei jedoch vorsichtig zu
interpretieren: „Bei Patienten mit Gefäßerkrankungen erscheint ein Schutz
durch die gerinnungshemmende Wirkung von Aspirin plausibel“, so
Steinbauer. Gefäßgesunde Covid-19-Patienten vorbeugend mit Aspirin zu
behandeln, lasse sich mit der Studie allerdings nicht rechtfertigen und
berge aufgrund der erhöhten Blutungsgefahr sogar Risiken. Hierzu müssten
weitere randomisierte, kontrollierte und prospektiv angelegte Studien
aufgelegt werden.

In der gegenwärtigen Situation sieht die DGG außerdem die Gefahr, dass
über der – notwendigen – Diskussion um Corona-Schutzmaßnahmen und
-therapiemöglichkeiten andere Gesundheitsprobleme aus dem Blick geraten.
„Die Einschränkung der Mobilität und des sozialen Lebens schützt zwar vor
Infektionen, der Bewegungsmangel kann jedoch zugleich das Thromboserisiko
steigern“, mahnt Professor Dr. med. Dittmar Böckler, DGG-Präsident 2020
und Ärztlicher Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie und Endovaskuläre
Chirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg. Sofern die infektiologische
Lage es zulasse, müsse daher auch über eine Verkürzung der bislang
14-tägigen Quarantäne für Infizierte und Kontaktpersonen nachgedacht
werden.

Auch andere Lebensstilfaktoren, die für das Herz-Kreislauf-Risiko
entscheidend sind, werden durch die Lockdown- und Quarantänebedingungen
beeinflusst. „Je nach beruflicher und sozialer Situation haben manche
Menschen während des ersten Lockdowns zu ungesünderem und üppigerem Essen
gegriffen, mehr Alkohol getrunken und ihren Tabakkonsum gesteigert“, so
Böckler. Auch und gerade in Pandemiezeiten müsse daher weiter über die
Bedeutung eines gesunden Lebensstils berichtet und aufgeklärt werden –
umso mehr, als es sich dabei um effektive und kostengünstige
Präventionsmaßnahmen handele, die das aktuell stark strapazierte
Gesundheitssystem entlasten könnten.

Hierbei könnten auch telemedizinische Methoden, Schrittzähler oder
Gesundheitsapps zum Einsatz kommen, mit denen sich Bewegungs- und
Übungsprogramme anleiten oder kontrollieren ließen. Neben den direkten
Gesundheitseffekten wirke sich die Herz-Kreislauf-Prävention nicht zuletzt
auch positiv auf den Verlauf der Corona-Pandemie aus: Je besser die
kardiovaskuläre Gesundheit der Bevölkerung sei, desto geringer sei auch
die Zahl der Covid-Risikopatienten.

Quelle:

(1) Chow, J et al. Aspirin Use is Associated with Decreased Mechanical
Ventilation, ICU Admission, and In-Hospital Mortality in Hospitalized
Patients with COVID-19, Anesthesia & Analgesia: October 21, 2020 - Volume
Publish Ahead of Print - Issue - doi: 10.1213/ANE.0000000000005292