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Corona-Pandemie wirkte sich auch auf Spendeaktivitäten aus
In keinem anderen Bundesland werden jährlich mehr Gewebespenden realisiert
als in Mecklenburg-Vorpommern. Einen großen Anteil daran hat die 2015 in
Rostock gegründete gemeinnützige Gesellschaft für Transplantationsmedizin
Mecklenburg-Vorpommern (GTM-V gGmbH). Seit fünf Jahren realisiert die
GTM-V in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Gewebebank Mecklenburg-
Vorpommern (GBM-V) im Biomedizinischen Forschungszentrum (BMFZ) in Rostock
eine bundesweite Grundversorgung mit Gewebetransplantaten.

Das Jahr 2020 war für das Gesundheitswesen eine Herausforderung. Die
Corona-Pandemie hat alle Bereiche der Medizin flankiert. Trotzdem konnte
die erfolgreiche Entwicklung der Gesellschaft für Transplantationsmedizin
Mecklenburg-Vorpommern auch im vergangenen Jahr fortgesetzt werden. Die
Zahl der realisierten Gewebespenden im Jahr 2020 ist Corona bedingt um ca.
zehn Prozent zum Vorjahr gesunken. Die durch die Pandemie verursachte
Reduzierung der Operationskapazitäten hatte einen Einfluss auf die
Spendeaktivitäten. Da Augenhornhäute nur etwa einen Monat lagerbar sind,
mussten die Entnahmeaktivitäten wegen eingeschränkter
Operationskapazitäten reduziert werden.

Spender waren 23 bis 97 Jahre alt
Als zentraler Ansprechpartner im Bereich Gewebespende im Nordosten
Deutschland erhielt die GTM-V im vergangenen Jahr 3.714 (2019: 3.506)
potenzielle Spendermeldungen aus 19 Krankenhäusern in Mecklenburg-
Vorpommern, Brandenburg und Sachsen. Nach Prüfung medizinischer
Ausschlussgründe, fehlender gesetzlicher Grundlagen für ein
Aufklärungsgespräch und logistischer Gründe führten die Mitarbeiter der
GTM-V insgesamt 2.054 Gespräche mit Angehörigen. In 42 Prozent aller
Gespräche wurde nach entsprechender Aufklärung der Familienmitglieder eine
Zustimmung zur Gewebeentnahme gegeben.

Im Rahmen der 848 Gewebeentnahmen (2019: 961) wurden insgesamt über 3.850
Gewebepräparate (2019: 3.688) gesichert und aufbereitet. Durchschnittlich
wurden pro Spende ca. fünf Gewebepräparate gewonnen. Bei 848 Spendern
konnten 1.674 Augenhornhäute entnommen werden. Darüber hinaus wurden 128
muskuloskelettale und vier kardiovaskuläre Gewebespenden realisiert. Aus
den 128 Knochenentnahmen wurden dem Deutschen Institut für Zell- und
Gewebeersatz (DIZG) in Berlin über 2.150 Präparate für die Herstellung von
Transplantaten bereitgestellt.
„Bei der Umsetzung der Gewebespenden spielt die Qualität der
Gewebepräparate eine entscheidende Rolle“, betonten die Geschäftsführer
Dr. Axel Manecke und Dr. Frank-Peter Nitschke. „Ein umfassendes Erheben
von Vorerkrankungen des Spenders, die Testung auf Infektionserkrankungen,
inklusive der SARS-Cov-2-Testung, und ein schnelles Überführen der
Präparate in die Augenhornhautbank sind Grundvoraussetzungen für eine hohe
Qualität.“

Absolute Altersgrenzen für eine Gewebespende existieren nicht.
Gewebespenden sind bis in das hohe Alter, auch über 100 Jahre, möglich. So
betrug im Vorjahr das mittlere Alter der Gewebespender 78 Jahre. Der
jüngste Spender war 23 und der älteste 97 Jahre alt.

Corona-Pandemie bremst Transplantationsmedizin aus
Aktuell wird die Transplantationsmedizin durch die weltweite Corona-
Pandemie weiterhin ausgebremst, insbesondere im Bereich der
Knochenmarkspende. Auch in der weitaus häufigeren Gewebespende wurden die
Prioritäten neu gesetzt. Dort lag der Fokus vor allem auf lebenserhaltende
Transplantationen für die Notfallmedizin. „Nach der ersten Corona-Welle
hat sich die Lage trotz der momentanen Verschärfung wieder normalisiert“,
so Nitschke. „Viele der aufgeschobenen operativen Eingriffe an den
Augenhornhäuten wurden nachgeholt.“
Dabei steht die Sicherheit im Vordergrund. Alle Gewebespender der GTM-V
werden auf mögliche Kontakte zu Corona infizierten Patienten bzw.
Symptomen einer Infektion geprüft. Seit dem 23. März 2020 werden alle
Spender zusätzlich einem standardisierten RT-PCR-Test auf SARS-CoV-2
unterzogen sowie auf eventuell vorhandene Antikörper und eine mögliche
überstandene Corona-Infektion untersucht. „Ist der Virusnachweis in einem
Zeitfenster von vier Wochen vor der Spende positiv, werden die Gewebe von
der Transplantation ausgeschlossen“, betonte Nitschke. „Wir hatten im
letzten Monat drei Fälle, bei denen wir einen Virusnachweis
diagnostizierten und die Gewebe für die Transplantation ausschließen
mussten.“ Bislang gebe es aber keine Hinweise auf eine Übertragung der
Corona-Viren durch Implantation, Transplantation, Infusion oder Transfer
von menschlichen Zellen oder Gewebe.

Transplantationsnetzwerk soll wachsen
Die Gewebemedizin bleibt ein sich rasant entwickelnder Bereich der
Transplantationsmedizin. In Deutschland liegt die Zahl der
transplantierten Gewebe jährlich bei mehr als 55.000 (*Bericht der
Bundesregierung 2018). Neben der Transplantation von Knochenmaterial
gehört die Transplantation von Augenhornhäuten mit über 8.000
Transplantationen pro Jahr zu den häufigsten Operationen in Deutschland.
Obwohl sich die Versorgungslage in einigen Bereichen verbessert hat,
warten über 10.000 Patienten in Deutschland auf ein Gewebetransplantat.
Auch in Zukunft steht die termingerechte und die Notfallversorgung von
Patienten mit qualitativ hochwertigen Transplantaten im Fokus der
Rostocker Transplantationsgesellschaft. „Nur durch stetig wachsendes
Engagement kann der Mangel an Gewebetransplantaten in Deutschland weiter
verringert werden. Vor diesem Hintergrund strebt die GTM-V den Ausbau
ihres Kliniknetzwerkes und ein Engagement in weiteren Bundesländern an“,
so die beiden Geschäftsführer Manecke und Nitschke.

Hintergrund
Die GTM-V gGmbH mit 33 Mitarbeitern ist gemeinnützig und verfolgt keine
eigenwirtschaftlichen Zwecke. Überschüsse werden satzungsgemäß zur
Förderung der Gewebespende verwandt. Gemäß Satzung wird die Arbeit der
GTM-V von einem Fachbeirat kritisch begleitet und kontrolliert. Geleitet
wird dieses Gremium von Prof. Dr. Andreas Crusius, Vertreter der
Landesärztekammer M-V. Weitere Mitglieder sind der DRK-Landesverband MV,
vertreten durch den Präsidenten Werner Kuhn, der Theologe und Mediator
Stephan Peter, der Greifswalder Notar Dr. Albert Block und Hermann
Winkler.

Foto Augenhornhäute: Joachim Kloock
Im Gegensatz zu kardiovaskulären und muskuloskelettalen Geweben, die bis
zu fünf Jahren haltbar sind, müssen Augenhornhäute nach maximal 34 Tagen
transplantiert werden.

*Dritter Bericht der Bundesregierung über die Situation der Versorgung der
Bevölkerung mit Gewebe und Gewebezubereitungen
<https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/056/1905675.pdf>