Pin It

Der orale Glukosetoleranztest (oGTT) ist von großer Bedeutung für die
Diabetes-Diagnostik. Industriell hergestellte Glukose-Fertiglösungen
werden jedoch von den gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr durchgängig
erstattet – sie sind ab diesem Jahr auch nicht mehr verfügbar. Praxen und
Kliniken müssen die Glukoselösung selbst anmischen, wodurch das Risiko für
Ungenauigkeiten und Verunreinigungen steigt. In einem Positionspapier hat
die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) eine standardisierte
Rezepturvorschrift nach neuesten Erkenntnissen mit einer definierten
Zusammensetzung vorgeschlagen. Sie fordert eine bundeseinheitliche
Regelung zur Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen.

In Deutschland wurden bisher jedes Jahr etwa eine halbe Million Glukose-
Fertiglösungen für den oGTT-Belastungstest verkauft. Hinzu kommen
schätzungsweise einige hunderttausend Glukoselösungen, die von Apotheken,
Praxen oder Kliniken selbst angefertigt werden. „In der Diabetes-
Diagnostik besteht ein großer Bedarf an Glukose-Lösungen“, berichtet
Professor Dr. rer. nat. Lutz Heinemann, Vorsitzender der Kommission
„Labordiagnostik in der Diabetologie der DDG & DGKL“. Umso wichtiger sei
es, dass diese qualitätsgesichert hergestellt werden und zuverlässige
Ergebnisse liefern. Davon hängt die Gesundheit von jährlich
hunderttausenden Patienten ab. „Besonders wichtig ist eine sichere
Durchführung dieses diagnostischen Tests beim Screening auf
Schwangerschaftsdiabetes (GDM), um Mutter und ungeborenes Kind nicht zu
gefährden“, so Heinemann.

Das letzte Fertigarzneimittel ist inzwischen außer Handel und nur noch
begrenzt verfügbar. Daher gilt es, die reibungslose Versorgung mit einer
qualitätsgesicherten Glukoselösung sicherzustellen. In einem kürzlich
veröffentlichten Positionspapier hat die DDG die Problematik dargelegt und
einen Vorschlag für die standardisierte Herstellung einer zuverlässigen
Glukose-Lösung durch die Apotheken nach dem Deutschen Arzneimittel-Codex
gemacht.1 „Wir haben damit die Weichen für eine sichere Umstellung von
einem industriell hergestellten Glukose-Präparat auf eine gleichwertig
manuell herzustellende Lösung gestellt. Es ist jedoch notwendig, diesen
Mehraufwand, der in Apotheken und Praxen entsteht, mit einem
kostendeckenden Preis zu honorieren“, fordert der Mitverfasser des
Positionspapiers Manfred Krüger. Er ist Apotheker und Mitglied der
Kommission „Apotheker in der Diabetologie“ (BAK/DDG).

Die DDG setzt sich daher für eine grundsätzliche Überprüfung der
bestehenden Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Kassenärztlichen
Vereinigungen hinsichtlich der Erstattung der oGTT-Glukoselösung ein. „Nur
so können wir den standardisierten Rezepturvorschlag in der Breite nutzbar
machen und vermeiden, dass die Lösungen in Eigenregie hergestellt werden
und schlimmstenfalls zu falschen Diagnosen und schweren Zwischenfällen
führen“, betont Dr. med. Nikolaus Scheper, Vorsitzender des Bundesverbands
Niedergelassener Diabetologen e.V. (BVND). Denn als pragmatische
Alternative werde vielfach Glukosepulver in der Praxis selbst abgewogen
und mit Wasser aufgelöst oder eine von der lokalen Apotheke per
Rezepturverordnung oder -anforderung hergestellte Glukoselösung
eingesetzt. „Die Herstellung in der Praxis ist potenziell mit
Qualitätsproblemen behaftet, die wir in früheren Stellungnahmen2 dargelegt
haben“, ergänzt Heinemann.

Seit Jahren weist die DDG auf den durch die Selbst-Anmischung erhöhten
organisatorischen Aufwand für die Behandelnden und insbesondere auf
gesundheitliche Risiken für die Patientinnen und Patienten hin. „Wir
brauchen endlich eine standardisierte und bundeseinheitliche Regelung zur
Erstattung der Kosten für diese Glukoselösung durch alle Krankenkassen, um
die Behandelnden zu entlasten und unseren ärztlichen Versorgungsauftrag
auf wissenschaftlich gesicherter Grundlage zu gewährleisten“, sind sich
die Experten einig.

Literatur:

1) Positionspapier zur Herstellung einer oGTT-Lösung für die Diagnose
eines Diabetes einschließlich eines Gestationsdiabetes: Analyse und
Vorschläge zur Herstellung https://www.deutsche-diabetes-
gesellschaft.de/politik/stellungnahmen/addendum-zum-gemeinsamen-
positionspapier-zur-herstellung-einer-ogtt-loesung-fuer-die-diagnose-
eines-diabetes-einschliesslich-eines-gestationsdiabetes-analyse-und-
vorschlaege-zur-herstellung


Der Vorschlag für die Herstellung der Glukoselösung ist auch im
Rezepturenfinder in der DAC/NRF-Plattform auch für Ärzte kostenlos
abrufbar: https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=arzt

2) Herstellung der Glukoselösung für einen oralen Glukosebelastungstest:
Stellungnahme der AG Diabetes & Technologie der DDG (AGDT), der AG
Diabetes & Schwangerschaft (AGDS) und der Kommission Labordiagnostik in
der Diabetologie der DDG und DGKL https://www.deutsche-diabetes-
gesellschaft.de/politik/stellungnahmen/herstellung-der-glukoseloesung-
fuer-einen-oralen-glukosebelastungstest-stellungnahme-der-ag-diabetes-
technologie-der-ddg-agdt-der-ag-diabetes-schwangerschaft-agds-und-der-
kommission-labordiagnostik-in-der-diabetologie-der-ddg-und-dgkl


Zur Hintergrundinformation:

DDG Pressemitteilung vom 13. November 2020: DDG gibt Praxen, Kliniken und
Apotheken eine Anleitung für die sichere Verfügbarkeit von oGTT-
Glukoselösungen an die Hand - Unnötige Risiken in der Diabetesdiagnostik
vermeiden https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/presse/ddg-gibt-
praxen-kliniken-und-apotheken-eine-anleitung-fuer-die-sichere-

verfuegbarkeit-von-ogtt-glukoseloesungen-an-die-hand

DDG Pressemitteilung vom 10. September 2020: Schwangerschaftsdiabetes –
dringender Verbesserungsbedarf im Screening-Verfahren - DDG fordert eine
Reform der Mutterschaftsrichtlinien und die Kostenerstattung von
Blutzuckermessgeräten https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/presse
/schwangerschaftsdiabetes-dringender-verbesserungsbedarf-im-screening-

verfahren

DDG Pressemitteilung vom 29. November 2019: Folgenreicher Sparkurs beim
Test auf Schwangerschaftsdiabetes - DDG fordert von Krankenkassen
flächendeckende Erstattung der Glukose-Fertiglösungen https://www
.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/presse/folgenreicher-sparkurs-beim-
test-auf-schwangerschaftsdiabetes