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Gesundheitsberufe stark von COVID-19-Infektionen betroffen.
Nutzen- und Risiken Abwägung zwischen Erkrankung und Impfung fällt
eindeutig zu Gunsten der Impfung aus.

Prof. Dr. Renate Stemmer, Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft
Prof. Dr. Andreas Büscher, Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in
der Pflege
Prof. Dr. Steve Strupeit, Dekanekonferenz Pflegewissenschaft

Die ersehnte Impfung gegen Covid-19 ist angelaufen. Gleichzeitig gehen
Berichte durch die Medien, dass die Zurückhaltung gerade bei den
Angehörigen der Gesundheitsberufe und hier insbesondere bei den
professionell Pflegenden erheblich sei. Zweifel an der Sicherheit und der
Effektivität des Impfens können zu Impfskepsis führen. Insbesondere die
vergleichsweise schnelle Entwicklung der Impfstoffe wirft Fragen auf, die
auch die Berufsgruppe der Pflegenden beschäftigt. Wurden bei der
Entwicklung und Zulassung des Impfstoffes tatsächlich alle erforderlichen
Prüfschritte durchlaufen, so dass eine ausreichende Sicherheit und
Wirksamkeit gewährleistet sind? Systematische Zahlen zur tatsächlichen
Impfbereitschaft Pflegender liegen bisher nicht vor, wohl aber Berichte
von Kolleg*innen aus anderen europäischen Ländern, dass auch dort
Akzeptanzprobleme unter Pflegenden bestehen.

Vorab: tatsächlich wäre es nicht möglich gewesen, die gesamte Technologie
für mRNA-Impfstoffe in der Kürze der Zeit neu zu entwickeln und zu
erproben. Zur schnellen Entwicklung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 haben
aber verschiedene Aspekte beigetragen. Zum einen konnten Erkenntnisse aus
der Grundlagenforschung der letzten 15 Jahre zum Einsatz von mRNA für die
spezifische Entwicklung der Impfstoffe gegen Covid-19 genutzt werden. Des
Weiteren ist der Zeitraum für die Entwicklung eines neuen Impfstoffes an
die Verfügbarkeit von Studienteilnehmer/innen gebunden sowie von der
Häufigkeit des Auftretens einer Erkrankung abhängig. In der BioNTech/
Pfizer-Studie fanden sich beispielsweise innerhalb von dreieinhalb Monaten
43.500 freiwillige Studienteilnehmer*innen, die bereit waren, sich impfen
zu lassen. Die hohen allgemeinen Infektionsraten führten dann dazu, dass
in der Gruppe der Studienteilnehmer*innen bereits nach vier Monaten ein
guter Vergleich zwischen der Gruppe, die den Impfstoff und der Gruppe, die
ein Placebo erhalten hatte, gezogen werden konnte (IQWiG 2021). Im
Vergleich dazu wurden bei dem Impfstoff gegen Gürtelrose, der 2018 in
Europa zugelassen wurde, zwölf Monate benötigt, um ca. 14.000 freiwillige
Studienteilnehmer/innen zu gewinnen und weitere fünf Jahre bis ausreichend
Studienteilnehmer/innen mit einer Erkrankung eingeschlossen werden konnten
(Steinkamp 2021).

Zudem wurden Studienphasen in Teilen parallel, statt nacheinander
durchgeführt, die
Zulassungsbehörden auch über Zwischenergebnisse informiert, die ihrerseits
der Kontrolle der Impfstoffstudien zu Covid-19 erste Priorität einräumten
und die Produktion des Impfstoffs schon vor der Zulassung hochgefahren
(Ball 2021). Das Ineinandergreifen all dieser Mechanismen ermöglichte
schließlich die Entwicklung und Zur-Verfügung-Stellung von Impfstoffen in
einem erstaunlich kurzen Zeitraum.

Derzeit sind Impfstoffe mit zwei Wirkmechanismen zugelassen oder stehen
kurz vor der
Zulassung: mRNA-basierte Impfstoffe (BioNTech/Pfizer und Moderna) und ein
Impfstoff, der mit einem Trägerstoff arbeitet, der Oxford Impfstoff
(AstraZeneca).

Bei den mRNA (mRNA = Messenger-Ribonukleinsäure) Impfstoffen wird mit dem
Impfstoff eine modifizierte mRNA, die den Bauplan für ein spezifisches
Protein des Corona-Virus enthält, dem menschlichen Körper zugeführt, der
darauf reagiert und zwar erstens mit der Bildung von viralem Protein und
zweitens mit einer Immunantwort auf dieses virale Protein. Bei erneutem
Kontakt mit Sars-Cov-2 Viren werden diese dann mit hoher
Wahrscheinlichkeit durch die im Körper aufgebaute Immunantwort abgewehrt.
Im Vergleich dazu bedient sich der Impfwirkstoff von AstraZeneca eines
Adenovirus als Botenstoff, um im Körper die Immunreaktion anzustoßen. Dem
Adenovirus wird zuvor durch die Entfernung von Genabschnitten die
Möglichkeit entzogen sich im Körper zu vermehren (Deutsches Ärzteblatt
2020b).

Die groß angelegten Studien weisen auf eine hohe Wirksamkeit hin. Dies
gilt für beide
Impfstoffgruppen. Besonders hoch ist die prozentuale Verringerung des
Risikos an Covid-19 zu erkranken bei den mRNA-Impfstoffen. Hier liegt die
Risikoreduktion bei über 94%. Doch auch der Impfstoff von AstraZeneca
zeigt in den Studien eine sehr gute Wirkung mit einer Effektivität von
über 70% (Knoll und Wonodi 2021; Deutsches Ärzteblatt 2020a).

Wenn also alles darauf hinweist, dass die Effektivität hoch zu sein
scheint, wie sieht es nun mit der Sicherheit aus?

Es ist unbestritten, dass mit den beiden mRNA-Impfstoffen ein Verfahren
eingesetzt wird, das bisher noch nicht klinisch im Einsatz ist. Allerdings
wurde ein auf diesem Verfahren basierender Impfstoff in den Prüfstudien
bereits ca. 37.000 Studienteilnehmer*innen verabreicht (ca. 22.000
Studienteilnehmer*Innen in der BioNTech/Pfizer-Studie und ca. 15.000
Studienteilnehmer*innen der Moderna-Studie), ohne dass es zu
schwerwiegenden Nebenwirkungen gekommen ist. Dies bestätigen nicht nur die
Studienleiter*innen selbst, sondern - wichtiger noch - unabhängige
Prüfinstitutionen.

Es bleibt als kritischer Aspekt die relativ kurze Nachbeobachtungszeit im
Anschluss an die
Impfung. Allerdings zeigen sich durch eine Impfung ausgelöste Folgen in
der Regel in den ersten 4-6 Wochen. Da die Zulassung eines Impfstoffes in
Europa einen Nachbeobachtungszeitraum von 6 Wochen voraussetzt, ist dieser
Zeitraum abgedeckt. Um - bei einer millionenfachen Anwendung - nicht
auszuschließende seltene unerwünschte Wirkungen schnell zu erkennen,
müssen zudem in Europa die herstellenden Pharmafirmen ein Jahr lang
monatlich über Wirksamkeit und Sicherheit Bericht erstatten.

Bedenken, dass die mRNA-Impfstoffe das menschliche Genom, also das Erbgut
verändern kann, wird von den Kontrollinstanzen, Zulassungsbehörden und
wissenschaftlichen Expert*innen für unbegründet eingeschätzt, da die mRNA
des Impfstoffs weder in der Lage ist, in den Zellkern zu gelangen, noch
sich dort in DNA umzuwandeln.

Fragen, die offen bleiben, betreffen die Verhinderung einer
asymptomatischen Infektion oder die Dauer des Impfschutz (Arznei-Telegramm
2020).

Weniger eine Frage der Sicherheit als ein Ausdruck der gewollten
Impfantwort des Körpers sind unmittelbare kurzfristige Impfreaktionen wie
Fieber und Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Muskel- oder Gelenkschmerzen,
Übelkeit oder Erbrechen (IQWiG 2021).

Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand sind die Nebenwirkungen der
COVID-19-Impfung
verglichen mit dem Fortbestehen der Pandemie - denn das wäre die
Alternative – recht gering. Bis zum heutigen Tag (Stand 10.01.2021) meldet
das Robert-Koch-Institut 40.343 an und mit COVID-19 verstorbene Personen
allein in Deutschland (RKI 2021). Die an COVID-19 schwer erkrankten
Personen überschreiten diese Zahl noch bei weitem.

Professionell Pflegende sind angetreten, Gesundheit zu fördern und
Krankheit zu verhüten und sich dabei auf die bestverfügbare Wissensbasis
zu stützen. Dies ist die Maxime ihres Handelns. Unter den Bedingungen der
Corona-Pandemie bedeutet dies, sowohl auf die Gesundheit der Menschen mit
Pflegebedarf als auch auf die eigene Gesundheit zu achten. Laut WHO sind
ca. 10% der Covid-19 Fälle Angehörige des Gesundheitspersonals. Nach dem
aktuellen Kenntnisstand ist das Risiko einer Covid-19-Impfung ungleich
geringer als das Risiko durch eine Infektion sich selbst, die Kolleg*innen
und die Menschen mit Pflegebedarf zu gefährden.

Zusammenfassend spricht unter Abwägung des Nutzens und des potentiellen
Risikos der Covid19-Impfung für professionell Pflegende viel dafür sich
impfen zu lassen. Aber machen Sie sich selbst ein Bild auf der Basis
qualitätsgesicherter Informationen!

Vor allem in den sozialen Medien kursieren viele Falschinformationen zur
Impfung. Bitte
informieren Sie sich bei seriösen Quellen über überprüfbare Fakten.
Zum Beispiel
https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.htm
https://www.pei.de/DE/newsroom/dossier/coronavirus/coronavirus-node.html
https://www.gesundheitsinformation.de/suche/#searchQuery=query=corona

Literaturverzeichnis

Arznei-Telegramm (2020): Impfstoffe gegen COVID-19 … Anlass zur Hoffnung
oder unkalkulierbares Risiko? (51: 89-92). Online verfügbar unter
https://www.arznei-telegramm.de/html/2020_12/2012089_02.html, zuletzt
aktualisiert am 18.12.2020, zuletzt geprüft am 10.01.2021.

Ball, Philip (2021): The lightning-fast quest for COVID vaccines - and
what it means for other diseases. In: Nature 589 (7840), S. 16–18. DOI:
10.1038/d41586-020-03626-1.

Deutsches Ärzteblatt (2020a): AstraZeneca und University of Oxford
publizieren offizielle Phase-III-Daten zu Coronaimpfstoff. Hg. v.
Ärzteblatt.de. Online verfügbar unter
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/119163/AstraZeneca-und-University-
ofOxford-publizieren-offizielle-Phase-III-Daten-zu-

Coronaimpfstoff#comments, zuletzt aktualisiert am 08.12.2020, zuletzt
geprüft am 10.01.2021.

Deutsches Ärzteblatt (2020b): CoVID-19: Britischer Impfstoff erzielt in
höherer Dosis schwächere Wirkung. Hg. v. Ärzteblatt.de. Online verfügbar
unter https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/118646/COVID-19-Britischer-
Impfstoff-erzielt-in-hoeherer-Dosisschwaechere-Wirkung
, zuletzt
aktualisiert am 23.11.2020, zuletzt geprüft am 10.01.2021.

IQWiG (2021): Unterstützung in der Corona-Krise. Institut für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Online verfügbar unter
https://www.gesundheitsinformation.de/unterstuetzung-in-der-corona-
krise.html
, zuletzt geprüft am 10.01.2021.

Knoll, Maria Deloria; Wonodi, Chizoba (2021): Oxford–AstraZeneca COVID-19
vaccine efficacy. In: The Lancet 397 (10269), S. 72–74. DOI:
10.1016/S0140-6736(20)32623-4.
RKI (2021): COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit. Robert-Koch-
Institut. Online verfügbar unter
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html,
zuletzt aktualisiert am 10.01.2021, zuletzt geprüft am 10.01.2021.

Steinkamp, Gratiana (2021): Warum konnte der mRNA-Impfstoff so schnell
entwickelt werden? Online verfügbar unter https://www.med-wiss.blog/warum-
konnten-corona-impfstoffe-so-schnell-entwickelt-werden/
, zuletzt
aktualisiert am 29.12.2020,
zuletzt geprüft am 10.01.2021.