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Die Herzchirurgie in Deutschland befindet sich auf Spitzenniveau. Vom
Säugling bis zum Senior ist die bundesweite, flächendeckende Versorgung
durchgehend (24/7/365) gewährleistet. Um das hohe Niveau nachhaltig zu
etablieren, plädiert die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie e.V. (DGTGH) anlässlich der Vorstellung des Deutschen
Herzberichtes 2020, alle Patientinnen und Patienten stets gemäß den
wissenschaftlichen Leitlinien im interdisziplinärem Herz-Team zu behandeln
und erklärt, warum die Big Five des Herzteams hierbei entscheidend sind.

(Frankfurt a.M., 22. Juni 2021) Der Deutsche Herzbericht 2020 dokumentiert
und bestätigt das exzellente Qualitätsniveau der Herzchirurgie.
Gleichzeitig ist ein kritischer Blick in die Zukunft wichtig, denn nach
wie vor sind Herzerkrankungen, noch vor Krebserkrankungen, mit Abstand die
Todesursache Nummer eins in Deutschland. Ein Faktor für die
Erkrankungshäufigkeit ist das steigende Patient*innenalter, und die damit
einhergehenden, altersbedingten Herzerkrankungen. „Insbesondere muss die
Interdisziplinarität noch weiter in den Vordergrund rücken“, erklärt Prof.
Dr. med. Andreas Böning, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-,
Herz- und Gefäßchirurgie e.V. „Entsprechend setzen wir auf die
kompromisslose interdisziplinäre Behandlung aller Patientinnen und
Patienten im Herz-Team unter Einhaltung der Leitlinien. Das ist
Voraussetzung für die bestmögliche Therapie.“

Patient*innen im Fokus: Für die erfolgreiche Therapie ist der Einbezug der
Herzkranken wichtig

Im Jahr 2019 wurden in den insgesamt 78 deutschen Fachabteilungen für
Herzchirurgie 96.404 Herzoperationen durchgeführt, davon 10.861 (10,8%)
als Notfälle. Inkludiert man alle erfassten Eingriffskategorien der DGTHG-
Leistungsstatistik und addiert Herzschrittmacher- und Defibrillator-
Eingriffe, sowie die Operationen der herznahen Hauptschlagader ohne
Einsatz der Herz-Lungen-Maschine dazu, summiert sich die Gesamtzahl auf
175,705 im Jahr 2019. „Ziel der bundesweit 1.004 tätigen Herzchirurg*innen
ist stets die Verbesserung der Lebenserwartung und -qualität ihrer
herzkranken Patient*innen. „Die Patientenmeinung zählt“, betont
Herzchirurg Böning. „Wir beraten nach Konsensfindung im
multiprofessionellen Team, dennoch ist jeder Mensch individuell. Gemeinsam
mit unseren Patienten finden wir dann die geeignete und bestmögliche
Behandlung.“


Herzchirurgie auf hohem Qualitätsniveau: Steigendes Patientenalter und
steigende Überlebenschance

„Zwei wichtige und erfreuliche Botschaften aus der Herzchirurgie: Unsere
Patientinnen und Patienten erreichen ein hohes Lebensalter und können
überaus erfolgreich operiert werden. Die Überlebenschance liegt bei über
97%, auch bei den 80+ Jährigen“, erklärt Prof. Dr. med. Andreas Böning,
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie. Im Jahr 2019 waren 44,8% der Patient*innen, die eine
isolierte Bypass-Operation erhielten über 70-Jahre alt, nahezu 10% sogar
bereits über 80 Jahre. Jüngere Patienten (< 70 Jahre) haben häufig bereits
eine fortgeschrittene Koronare Herzerkrankung, für die andere
Behandlungsoptionen nicht die 1. Wahl sein sollten. Ebenso erfreulich sind
die Überlebensraten bei den im Jahre 2019 insgesamt 36.650 durchgeführten
Herzklappenoperationen, wobei erworbene Herzklappenerkrankungen vor allem
altersbedingte Gründe haben.


Implantierte Herzunterstützungssysteme als Dauerversorgung der schweren
chronischen Herzinsuffizienz konstant auf hohem Niveau; Anzahl der
Herztransplantationen steigt. DGTHG setzt sich mit eigenen Kampagnen für
die Organspende ein.

In den letzten 20 Jahren hat die Erkrankungshäufigkeit der
Herzinsuffizienz kontinuierlich zugenommen und 2019 einen neuen
Höchststand mit 510 pro 100.00 Einwohner erreicht. Trotz zunehmender
Morbidität, die insbesondere im Kontext des demographischen Wandels zu
betrachten ist, sinkt seit 2011 die Mortalitätsrate. Die Versorgung mit
permanenten (implantierten) Herzunterstützungssystemen bei schwerer
chronischer Herzinsuffizienz bleibt seit Jahren stabil auf hohem Niveau
bei insgesamt 953, wobei die Links-/Rechtsherz-Unterstützungssysteme bei
97% der Patienten zum Einsatz kommen (924 L/R VAD; BVAD 15 und
Kunstherzen, TAH, 15). Nach wie vor gibt es für das menschliche Herz
keinen künstlichen Ersatz, der mit den Erfolgen der Herz-Transplantation
mithalten könnte, weswegen die Transplantation weiter die dauerhafteste
Option bleibt. Aktuell warten in Deutschland ca. 10.000 Menschen auf ein
Spenderorgan, davon stehen 700 Menschen auf der Herz- und 279 für eine
Lungentransplantation auf der Warteliste (Stand 31.12.2021). „Wir sehen
zwar eine erfreuliche, aber immer noch zaghafte positive Entwicklung bei
der Organspende mit insgesamt 344 transplantierten Herzen 2019. Das sind
26 mehr als im Jahr 2018. Mit unseren DGTHG-Organspende-Kampagnen wollen
wir das Thema weiter in die Öffentlichkeit transportieren“, erklärt Prof.
Dr. med. Andreas Böning, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-,
Herz- und Gefäßchirurgie e.V.

Herz aus dem Takt: Herzrhythmusstörungen sind erfolgreich herzchirurgisch
behandelbar

Das Vorhofflimmern ist mit 1,6 Millionen betroffenen Menschen die
häufigste Herzrhythmusstörung in Deutschland. Bei ca. 5% aller
herzchirurgischen Eingriffe wurden bestimmte Formen des Vorhofflimmerns
mittels Radiofrequenzablation oder Kryoenergie mittherapiert. Eine
begleitende Herzinsuffizienz bestand bei 47,5% aller Patientinnen und
Patienten.

Zu den weiteren Therapien gehören Herzschrittmacher, implantierbare
Kardioverter / Defibrillatoren (ICD) und kardiale
Resynchronisationssysteme (VRT). Insgesamt wurden 2019 75.760
Herzschrittmacher und 22.455 ICD´s neu implantiert. Die Implantation von
kardiale Resynchronisationsgeräten (CRT) erfolgt als effektive
Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und
auffälligem EKG, insbesondere bei Linksschenkelblock und signifikant
verzögerter Herzkammer-Erregung (QRS >150ms).

Koronare Bypass-Operationen und Kombinationseingriffe erfolgen stets nach
Abstimmung im Herz-Team

Im Jahr 2019 wurden bundesweit 44.093 (2018: 44.270) isolierte und
kombinierte koronare Bypass-Operationen durchgeführt, bei ca. 87% unter
Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Die Koronare Bypass-Operation erfolgt
häufig kombiniert mit Herzklappen- sowie weiteren Eingriffen (34.244
isolierte Bypass-Operationen zzgl. 9.869 kombinierte Koronare Bypass-
Operationen). Auch bei diesen Eingriffen ist die interdisziplinäre
Abstimmung in etablierten Herz-Teams, unter Einhaltung der nationalen und
europäischen Leitlinien, obligat: Bspw. wird bei der komplexen koronaren 3
-Gefäß-Erkrankung und der Hauptstammstenose eindeutig – IA-Empfehlung –
die koronare Bypass-Operation empfohlen. Insbesondere für Patienten mit
Diabetes mellitus zeigt sich, dass sie langfristig durch den
herzchirurgischen Eingriff profitieren. Signifikante Vorteile haben
ebenfalls Patienten mit einer eingeschränkten LV-Funktion und solche, bei
denen vorangegangene Katheterinterventionen (PCI) nicht zu einem stabilen
Erfolg geführt haben.

Herzklappeneingriffe sind Teamarbeit: Etabliertes Herz-Team obligat bei
Entscheidungsfindung und Therapiedurchführung

Welches invasive Verfahren für welche Patient*innen in Frage kommt, muss
im interdisziplinären Herz-Team, unter Einbindung der Patienten, gemäß den
nationalen und europäischen Leitlinien abgestimmt werden. Die Anzahl der
Herzklappenoperationen steigt im Kontext des Patientenalters, da die
Aortenklappenstenose (Verengung der Aortenklappe) und die
Mitralklappeninsuffizienz (Undichtigkeit der Mitralklappe) die häufigsten
erworbenen, altersbedingten Herzklappenerkrankungen sind. Insgesamt wurden
2019 bundesweit 36.650 (2018: 34.915) Herzklappeneingriffe vorgenommen.
Die Zahl der isolierten Aortenklappenoperationen hat von 9.829 im Jahr
2018 auf 9.233 im Jahr 2019 zwar leicht abgenommen, gleichzeitig jedoch
die Zahl der kathetergestützen invasiven Eingriffe zugenommen.
Demographisch stellt in der isolierten konventionellen
Aortenklappenchirurgie die Altersgruppe der 60- bis unter 70-Jährigen mit
34,9% den größten Teil der Patient*innen dar, gefolgt von den 70- bis
unter 80-Jährigen mit 34,7%.
Die zweithäufigste herzchirurgisch unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine
behandelte Herzklappenerkrankung ist die Mitralklappeninsuffizienz. Im
Jahr 2019 wurden 6.419 (2018: 6.222) isolierte Mitralklappenoperation
durchgeführt bei denen die Mitralklappen-Rekonstruktion nach wie vor der
anerkannte Gold-Standard ist. Für bestimmte Herzklappen-Therapieverfahren
(TAVI, MitraClip) gilt die „Richtlinie minimalinvasive Herzklappen-
interventionen“ des Gemeinsamen Bundesausschusses (2015) die obligat u.a.
die interdisziplinäre Kooperation von Herzchirurgen und Kardiologen
vorschreibt.
„In jedem Falle wollen wir die bestmögliche Therapie für jeden Herz-
Patienten“, erklärt Prof. Böning. „Daher ist die interdisziplinäre und
multiprofessionelle Konsensfindung im Herz-Team ein obligates, überaus
wertvolles und zielführendes Instrument, um jeden Herz-Patienten
individuell mit bestmöglichem Wissen beraten und behandeln zu können.“

Big Five im Herz-Team für Patientensicherheit und Qualitätssicherung.
DGTHG plädiert für die Einführung von „Herz-Boards“.

Für alle herzmedizinischen invasiven Therapieverfahren, Operationen und
Interventionen gilt gleichermaßen: Die Behandlung muss gemäß
wissenschaftlicher Leitlinien erfolgen und stets im interdisziplinärem
Herz-Team getroffen werden. „Die Zusammenarbeit im interdisziplinären
Herz-Team ist die wichtigste Voraussetzung, um gemeinsam mit und für die
Patientinnen und Patienten die bestmögliche Behandlung zu ermöglichen.
Hier plädieren wir als herzchirurgische Fachgesellschaft für die obligate
Konsentierung in einem verbindlich strukturierten „Herz-Board“, wie es
bereits in anderen medizinischen Disziplinen, z.B. bei Tumorbehandlungen
(Tumor-Board) erfolgreich Anwendung findet. Hier zählen die Big Five für
jedes Herz-Team: Kooperation, Konsensfähigkeit, Wissenschaftliche Evidenz
Patientenpartizipation und Therapieoptionen.“