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Amnionspende als Wund(er)mittel: Bei seit Jahren an chronischen Wunden
leidenden Patientinnen und Patienten führte die Auflage der hauchdünnen
Membran meist zu einer vollständigen Heilung. Dieser Behandlungserfolg,
die Folge einer Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Gesellschaft für
Gewebetransplantation (DGFG) und dem Rhein-Maas Klinikum, wurde nun im
Rahmen des Deutschen Wundkongresses 2021 mit dem deutschen Wundpreis
ausgezeichnet. Die Amnionmembran kommt aus der Lebendspende und wird bei
einer geplanten Kaiserschnittgeburt aus der mütterlichen Plazenta
gewonnen. Ihr werden besonders wundheilungsfördernde und antientzündliche
Eigenschaften zugeschrieben.

Gewürdigt wurden in der Kategorie „Kasuistik“ Professor Dr. Hans-Oliver
Rennekampff (Chefarzt der Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und
Verbrennungschirurgie, Rhein-Maas Klinikum), Dr. Nicola Hofmann
(Wissenschaftliche Leitung, DGFG) und Martin Börgel (Geschäftsführer,
DGFG). Bei dem in diesem Jahr ausschließlich online stattfindenden
Deutschen Wundkongress präsentierte Prof. Rennekampff drei Fälle, bei
denen bereits nach erstmaliger Amnionanwendung ein deutlicher Fortschritt
erzielt werden konnte: „Bei einer absoluten Stagnation der Wundheilung und
fehlender Therapieoptionen ist das Amnion wie eine Art Booster, welches
die Wunde zur besseren Selbstheilung anregen soll. Dort sehe ich den Wert
des Amnions“, so Rennekampff.

Amniontransplantate für viele Bereiche in der Medizin anwendbar

Um diese Therapieoption Patientinnen und Patienten vermehrt zugänglich zu
machen, stellt die DGFG (humane) Amnionmembran für die klinische Anwendung
bei chronischen Wunden zur Verfügung – unter der Genehmigung des Paul-
Ehrlich-Instituts (PEI). „Während die Wirksamkeit der Amnionmembran
international anerkannt ist, werden ihre Vorteile in der
Patientenanwendung bisher noch wenig genutzt“, meint Dr. Nicola Hofmann.

Dabei bestätigen die von Prof. Rennekampff demonstrierten Praxiserfolge
die besonderen Qualitäten der Amnion: Die von der kindlichen Seite der
Plazenta stammende Membran verfügt über wundheilungsfördernde und
antientzündliche Eigenschaften, verhindert Narbenbildung und wird vom
Immunsystem kaum abgestoßen. „Es zeigt sich einmal mehr, dass die Natur
hier eine perfekte Lösung gefunden hat. Denn die Amnionmembran befindet
sich zwischen zwei an sich fremden Immunsystemen, das von Mutter und Kind
und führt daher zu keiner Abstoßungsreaktion oder Unverträglichkeit bei
Patientinnen und Patienten“, so Dr. Hofmann.

Neben Wundheilungsstörungen, z. B. beim diabetischen Fußsyndrom, kommt
Amnion auch in  ophthalmologischen  Anwendungsgebieten in Form des
AmnioClip-plus sowie im orbitalen, mund- und kiefer-chirurgischen
Tätigkeitsbereich, in der gynäkologischen Chirurgie (Uterus und Vagina)
und als temporärer Hautersatz bei thermischen Verletzungen zum Einsatz.

Aus einer Plazentaspende können u. U. mehrere hundert Amniontransplantate
gewonnen werden. Anders als Organe werden Gewebe nicht unmittelbar
transplantiert, sondern zunächst von geschultem Personal in
spezialisierten Gewebebanken zu Transplantaten weiterverarbeitet. Im
vergangenen Jahr konnte die DGFG mehr als 2.000 solcher Amnionpräparate
vermitteln. „Wir erfahren immer mehr Zuspruch in der Amnionspende und
-vermittlung, was nicht zuletzt dem wachsenden Netzwerk an kooperierenden
Häusern geschuldet ist. Erfahrene Kollegen wie Prof. Rennekampff sind
dabei wertvolle Botschafter, die die unkomplizierte Anwendung und immense
Wirksamkeit von Amnion sichtbar machen“, sagt Martin Börgel,
Geschäftsführer der DGFG.

Patient berichtet: Zuversicht dank Amnionspende

Wie belastend das Leben mit einer nicht-heilenden Wunde sein kann, zeigt
die Geschichte von Harald. H.: Bei einem Arbeitsunfall zog sich der
54-Jährige einen Achillessehnenriss zu – die entstandene Operationsnaht
entzündete sich. Alltägliches wie Auto fahren, zum Sport gehen oder selbst
duschen waren ihm nicht mehr möglich oder nur mit Hilfe seiner Frau.

Nach jahrelanger, aussichtsloser Behandlung begab er sich in die Hände von
Prof. Rennekampff, welcher bei der Wundstrategie umdachte und Amnion
auflegte. Mit Sofort-Effekt, denn die Wunde begann sich zu schließen. „Ich
wäre definitiv wieder zu einer Amnionbehandlung bereit“, blickt Herr H. im
Interview mit der DGFG zurück, „es ist unkompliziert und hat uns durch
seltenere Verbandswechsel sehr entlastet“.
>> Vollständige Patientengeschichte unter www. gewebenetzwerk.de
/amnionspende-als-chance-fuer-neuanfang/

Zur DGFG

Gewebe, die nach dem Tod gespendet werden können, sind neben der
Amnionmembran auch Augenhornhäute, Herzklappen und Blutgefäßen sowie
Knochen, Sehnen, Bänder und Haut. Die DGFG fördert seit 1997 die
Gewebespende und -transplantation in Deutschland. Auf Basis des
Gewebegesetzes von 2007 sind alle Tätigkeiten und Ablaufprozesse der
Gewebespende gesetzlich geregelt. Für alle Gewebezubereitungen gilt das
Handelsverbot. Zur Aufgabe der DGFG zählt die bundesweite Versorgung von
Patientinnen und Patienten mit qualitativ hochwertigen Transplantaten. In
2020 realisierte die DGFG 2.816 Spenden – 6.364 Transplantate kamen
Patientinnen und Patienten zu Gute.

Auch in Zukunft werden immer mehr Menschen auf humanes Spendergewebe
angewiesen sein. Nach wie vor treten im Zuge des demographischen Wandels
viele Krankheitsbilder, die eine Gewebetransplantation als letzte
Therapieoption erfordern, verstärkt auf und führen zu einer wachsenden
Nachfrage. Die DGFG vermittelt ihre Transplantate über eine zentrale
Vermittlungsstelle mit einer bundesweiten Warteliste. Jede medizinische
Einrichtung in Deutschland kann Gewebe von der DGFG beziehen.
Als unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft wird die DGFG ausschließlich
von öffentlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens getragen:
Gesellschafter sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden,
das Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule Hannover,
die Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum
Neubrandenburg.

Die DGFG ist in ihrer Aufbaustruktur, der Freiwilligkeit der Unterstützung
durch Netzwerkpartner und ihrer Unabhängigkeit von privaten oder
kommerziellen Interessen einzigartig in Deutschland. In 2020 haben sich
folgende Häuser dem bundesweiten Netzwerk angeschlossen: Friedrich-Ebert-
Krankenhaus Neumünster, Evangelisches Krankenhaus Oldenburg, Krankenhaus
Buchholz und Winsen, DIAKOVERE Verbund Hannover, Evangelisches BETHESDA
Krankenhaus Duisburg und das Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart.