Pin It

Die stark steigende Zahl betreuungsintensiver, häufig älterer Patientinnen
und Patienten macht es notwendig, die Sprechende Medizin zu stärken. Das
fordert die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) im aktuellen
Positionspapier zur Bundestagswahl 2021. Auch der Verband der Diabetes-
Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e. V. (VDBD) sieht einen
hohen Bedarf an einer auf den gesamten Menschen ausgerichteten Medizin. Je
besser Menschen mit Diabetes versorgt sind, umso besser ist ihr
Stoffwechsel eingestellt und die oft schwerwiegenden Folgen wie
Herzinfarkt, Amputationen, Erblindung oder Nierenversagen lassen sich
vermeiden. Dafür bedarf es gut ausgebildeter diabetologischer Fachkräfte.

Bis zum Jahr 2030 wird ein Drittel der Bevölkerung über 65 Jahren sein.
Viele von ihnen erkranken früher oder später an verschiedenen Krankheiten
wie Diabetes, Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, chronischen
Lungenerkrankungen und Krebs. 2040 werden schätzungsweise zwölf Millionen
Menschen eine Diabeteserkrankung entwickelt haben, die meisten Diabetes
Typ 2. Gleichzeitig wird bis zu diesem Zeitpunkt die Zahl der aktiven
Diabetologinnen und Diabetologen deutlich sinken. Ein Drittel ist heute
schon älter als 50 Jahre. Um Nachwuchs in ausreichender Zahl auszubilden,
muss die Diabetologie deutlich besser im Studium verankert werden. Dazu
ist ein Ausbau der klinischen Lehrstühle für Diabetologie zwingend
notwendig. „In den letzten Jahren haben sich diese fast halbiert. Bund und
Bundesländer müssen dafür sorgen, dass deren Anzahl an den 37
medizinischen Fakultäten in Deutschland wieder deutlich steigt. Sonst
laufen wir mittelfristig in ein Versorgungsdefizit“, warnt DDG Präsident
Professor Dr. med. Andreas Neu. „Je weniger Experten Diabetologie lehren,
desto weniger Berufsanfänger werden sich für eine Karriere in der
Diabetologie entscheiden.“

Erschwerend komme hinzu, dass Kliniken seit Jahren Stellen und Betten in
der Diabetologie abbauen, so dass die Weiterbildung des Nachwuchses in
allen Gesundheitsberufen dort nicht mehr erfolgen kann. „An allen großen
Versorgungskrankenhäusern muss die Diabetologie als selbstständige Einheit
erhalten bleiben. Immerhin leidet etwa ein Viertel aller
Krankenhauspatienten an Diabetes“, fordert DDG Vizepräsident Professor Dr.
med. Andreas Fritsche. „Ein wesentlicher Teil der Therapie von Menschen
mit Diabetes besteht im Gespräch, in Information und Aufklärung durch ein
multiprofessionelles Diabetesteam“, so Fritsche. „Genau das sind jedoch
Leistungen, für die Kliniken im Rahmen des DRG-Systems praktisch kein Geld
erhalten. In unserer Hochleistungsmedizin wird eine informierende,
aufklärende und patientenzentrierte Versorgung zu wenig wertgeschätzt.
Eine angemessene Vergütung dieser Leistungen muss daher endlich umgesetzt
werden, sonst werden künftig Diabetologen und Personal in der
Diabetesbehandlung fehlen und sich damit die Versorgung der Patienten
deutlich verschlechtern“, so Fritsche.

Des Weiteren fordert der VDBD, das Potenzial der Digitalisierung
patientenorientiert zu nutzen. „Die Digitalisierung ermöglicht
effizientere Prozesse, trägt zur Patientensicherheit bei und unterstützt
die Patienteninformation und -kommunikation“, sagt Dr. rer. medic. Nicola
Haller, Vorstandsvorsitzende des VDBD. „Sie schafft damit Freiräume im
Arbeitsalltag, die beispielsweise für das Patienten-Gespräch genutzt
werden können.“ Schon heute machen Diabetesfachkräfte und Diabetologen
sehr gute Erfahrungen, indem sie auf digitale Versorgungsmodelle setzen,
die von der Telemedizin bis zum digital orientierten Therapiemanagement
reichen. Außerdem sind die Behandelnden in der professionellen
Kommunikation mit chronisch, oft multimorbiden Kranken, erfahren.
Die Kombination dieser beiden Kompetenzen könnte als Modell
zukunftsweisend für die Gesamtmedizin sein: Die Digitalisierung
intelligent eingesetzt, kann das ärztliche Handeln wertvoll ergänzen und
damit dem medizinischen Personal ermöglichen, sich wieder auf das zu
fokussieren, was ihren Beruf im Kern ausmacht - die empathische Begleitung
von Patienten mit chronischen Krankheiten wie Diabetes.

Link zu den politischen Positionen der DDG:
<https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/politik>