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v.l.: PD Dr. med. Marian Kukucka (Oberarzt Kardioanästhesie) und Prof. Dr. med. Jörg Kempfert (Leitender Oberarzt Herzchirurgie) mit einer graphischen Darstellung des
v.l.: PD Dr. med. Marian Kukucka (Oberarzt Kardioanästhesie) und Prof. Dr. med. Jörg Kempfert (Leitender Oberarzt Herzchirurgie) mit einer graphischen Darstellung des "Harpoon"-Verfahrens. Philipp Külker DHZB

Ein neues Verfahren ermöglicht die Behandlung der
Mitralklappeninsuffizienz am schlagenden Herzen. Es wurde jetzt erstmals
am DHZB eingesetzt.

Die Mitralklappe ist das Ventil zwischen linkem Herzvorhof und linker
Herzkammer. Sie besteht aus zwei Segeln und verhindert, dass Blut zurück
in den Vorhof strömt, wenn die Herzkammer das Blut in den Körper pumpt.
Sehnenfäden sorgen dafür, dass die Segel nicht in den Vorhof
„durchschlagen“. Sind diese Sehnenfäden krankheitsbedingt verlängert, wird
die Klappe undicht. Man spricht dann von einer „primären
Mitralklappeninsuffizienz“, der häufigsten Erkrankung der Mitralklappe.

Durch den Ersatz der „ausgeleierten“ Sehnenfäden durch Kunststofffasern
kann die Mitralklappe wieder abgedichtet werden. Dieser Eingriff kann am
DHZB minimalinvasiv, also über nur wenige Zentimeter lange Einschnitte,
vorgenommen werden. Allerdings muss dazu das Herz stillgelegt und der
Kreislauf mit einer Herz-Lungen-Maschine aufrechterhalten werden.

Eine Patientin, bei der diese Operation aufgrund von Vor- und
Begleiterkrankungen nicht durchgeführt werden konnte, wurde nun erstmals
mithilfe des neuen „Harpoon (Harpune)“-Systems aus den USA behandelt, dass
den Ersatz der Sehnenfäden am schlagenden Herzen ermöglicht.

Über einen kleinen Einschnitt im Brustkorb wird dabei ein wenige
Millimeter dünnes Rohr durch die linke Herzkammer bis unmittelbar an die
Segel der Mitralklappe geführt. Durch diese „Harpune“ werden die Ersatz-
Haltefäden durch die Klappensegel „geschossen“ und mithilfe spezieller
Schlaufen an den Segeln fixiert. Der Vorgang kann mehrfach wiederholt
werden.

Nun zieht die Chirurgin oder der Chirurg die „Harpune“ wieder aus dem
Herzen – ¬ die Fäden werden gestrafft und außen am Herzmuskel befestigt,
die Einstichstelle am Herzen wird vernäht.

Der gesamte Eingriff findet unter exakter Ultraschallkontrolle statt: per
Ultraschallsonde, die über die Speiseröhre bis dicht ans Herz herangeführt
wird. Für diese sogenannte intraoperative transösophageale
Echokardiographie (TEE) spezialisierte Fachärzt*innen für Kardioanästhesie
arbeiten dabei eng mit den Operateur*innen zusammen.

Ein Team um Prof. Dr. med. Jörg Kempfert (Leitender Oberarzt
Herzchirurgie) und PD Dr. med. Marian Kuckucka (Oberarzt Kardioanästhesie)
führte den ersten „Harpoon“-Einsatz am DHZB durch. Er glückte ohne
Komplikationen, die Patient*in erholte sich schnell.
„Die chirurgische Reparatur erkrankter Mitralklappen ist ein etabliertes
und sehr sicheres Verfahren, das ‚Harpoon‘-System dagegen befindet sich
noch im Stadium der Erprobung“, sagt Jörg Kempfert: „Wir setzen es
momentan also nur ein, wenn keine alternative Therapie einer schweren
Mitralklappeninsuffizienz möglich ist – sind aber zuversichtlich, dass uns
bald weitere Belege der Wirksamkeit vorliegen und wir unseren
Patient*innen damit eine zusätzliche, schonende Behandlungsalternative
anbieten können“.