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Die Pandemie habe den deutschen Unikliniken hohe Mehrausgaben aufgebürdet,
sagt Professor Jürgen Floege. Fast alle seien nun defizitär und dringend
auf die Hilfe der Politik angewiesen. GDNÄ-Mitglied Floege leitet die
Universitätsklinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten in Aachen,
engagiert sich für mehr Forschung auf seinem Gebiet und blickt gern über
die Tellerrand hinaus.

Derzeit betreut das Universitätsklinikum Aachen rund ein Dutzend
Covid-19-Patienten, einige davon jung und ohne Vorerkrankungen. „Es
handelt sich zu hundert Prozent um Ungeimpfte“, sagt Professor Jürgen
Floege, Direktor der dortigen Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten,
Rheumatologische und Immunologische Erkrankungen. Sein Plädoyer im
Interview für GDNÄ-Online: „Gegen diese Krankheit hilft kein noch so
starkes Immunsystem, den besten Schutz bietet die Impfung.“

Die allermeisten der mehr als achttausend Beschäftigten des Klinikums der
Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) seien inzwischen
zweifach geimpft, viele sogar dreifach. „Zwangsmaßnahmen gibt es bei uns
nicht, wir appellieren aber an Vernunft und Rücksichtnahme. Damit sind wir
bis jetzt gut gefahren“, berichtet der renommierte Nierenspezialist
Floege.

Große Sorgen machen sich die Aachener Universitätsmediziner angesichts
eines wachsenden Schuldenbergs. Schon vor der Pandemie seien drei Viertel
der deutschen Universitätskliniken defizitär gewesen, nun steckten fast
alle tief in den roten Zahlen, sagt Jürgen Floege. „Die Pandemie hat uns
hohe Mehrausgaben aufgebürdet, die durch das bestehende Vergütungssystem
nicht ausgeglichen werden.“ Nun sei man dringend auf Zuschläge angewiesen,
die die Politik aber bisher verweigere. In vielen Häusern gebe es einen
Investitionsstau der Sonderklasse, berichtet Floege: „Wichtige Projekte
müssen jetzt warten.“

Dabei ist der Bedarf an medizinischen Fortschritten unvermindert groß,
gerade auch auf dem Gebiet der Nierenheilkunde, fachsprachlich:
Nephrologie. An Nierenschäden leiden in Deutschland sehr viele: Bei rund
vier Millionen Menschen liegt die Nierenfunktion unter 30 Prozent ihrer
Kapazität und bei einer halben Million ist die Nierentätigkeit auf 15
Prozent oder weniger abgesunken. Geht die Funktion auf rund fünf Prozent
zurück, sind die Betroffenen häufig auf eine Dialyse als
Nierenersatztherapie angewiesen.

Dennoch laufen in der Nephrologie aktuell die wenigsten klinischen
Studien. Das habe mit der enormen Komplexität von Nierenkrankheiten zu
tun, sagt Jürgen Floege: „Die wenigsten Patienten haben nur
Nierenprobleme, die meisten leiden zusätzlich an Krankheiten des Herz-
Kreislauf-Systems, der Lunge oder des Magen-Darm-Trakts, um nur einige
Diagnosen zu nennen.“ Insgesamt seien Nierenkrankheiten schwer in den
Griff zu bekommen und schwer zu beforschen.

Trotz aller Hürden laufen an der Aachener Nierenklinik zahlreiche Studien.
Dabei geht es beispielsweise um die Zusammenhänge zwischen Herz und Nieren
und um neue Therapieansätze für Covid-19-Patienten. Mit seiner eigenen
Arbeitsgruppe will Jürgen Floege herausfinden, ob hochdosierte Gaben des
Gerinnungsvitamins K2 Dialysepatienten helfen können.

Der Aachener Mediziner schaut gern über den Tellerrand seiner Disziplin
hinaus und interessiert sich für andere Bereiche der Naturwissenschaften.
„Diesem Bedürfnis kommt die GDNÄ mit ihrer Fächervielfalt entgegen und
deshalb engagiere ich mich als Gruppenvorsitzender Medizin.“

Hier geht es zum vollständigen Interview:
https://www.gdnae.de/juergen-floege-die-pandemie-hat-uns-tief-in-die-
roten-zahlen-getrieben/


Zur Person
Seit 1999 leitet Professor Dr. med. Jürgen Floege die Medizinische Klinik
II der Universitätsklinik RWTH Aachen (Klinik für Nieren- und
Hochdruckkrankheiten, Rheumatologische und Immunologische Erkrankungen).
Er studierte er an der Medizinischen Hochschule Hannover und am Albert
Einstein College of Medicine in New York. In Hannover schloss er seine
Facharztausbildung ab, habilitierte sich und trat 1995 eine Stelle als
Oberarzt an. In den 1990er-Jahren arbeitete er zusätzlich drei Jahre als
Gastwissenschaftler an der University of Washington in Seattle. Zu seinen
wissenschaftlichen Schwerpunkten, zu denen er mehr als 600
Originalartikel, Reviews, Editorials und Buchkapitel publiziert hat,
gehören Nierenerkrankungen und ihre zentrale Bedeutung für die Innere
Medizin, etwa bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Professor Floege ist Herausgeber des internationalen Bestseller-Lehrbuchs
„Comprehensive Clinical Nephrology” und Mitherausgeber der führenden
nephrologischen Fachzeitschrift „Kidney International“. Für seine
Forschung erhielt der Aachender Nephrologe zahlreiche Ehrungen, darunter
im Jahr 2020 die höchste Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für
Nephrologie (DGfN), die Franz-Volhard-Medaille. Neben seiner
Kliniktätigkeit engagiert sich Floege in renommierten Gesellschaften,
Gremien und Organisationen. Er ist Gründungsmitglied und Past-Präsident
der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), Past-Präsident der
Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und im Leitungsgremium
von KDIGO – einer Organisation, die weltweit gültige Leitlinien der
Nephrologie erstellt. Der GDNÄ gehört Jürgen Floege seit 2019 an; er hat
die Aufgabe des Gruppenvorsitzenden Medizin übernommen.

Über die GDNÄ
Die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte e. V. (GDNÄ) ist die
einzige wissenschaftliche Gesellschaft in Deutschland, die über die
naturwissenschaftlichen, technischen und medizinischen Fachdisziplinen
hinweg allen Interessierten für eine Mitgliedschaft offensteht, auch
Schülern, Studenten und naturwissenschaftlichen Laien. Insofern ergänzt
und bereichert die GDNÄ die von Akademien und Fachgesellschaften geprägte
Landschaft wissenschaftlicher Gesellschaften in Deutschland.
Die GDNÄ pflegt den wissenschaftlichen Austausch über Fachgrenzen hinweg,
fördert mit speziellen Programmen für Schüler, Lehrkräfte und Studierende
die Wissenschaftsbildung und engagiert sich im Dialog mit der Gesellschaft
– mit öffentlichen Vorträgen und Diskussionen sowie über ihre Website.