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Das Team des logopädischen Forschungsprojekts BaSeTaLK der Ostbayerischen
Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) und der Katholischen
Hochschule Mainz (KH Mainz) erprobt eine App zur Förderung der
Lebensqualität von Senior*innen in Pflegeeinrichtungen durch biographisch-
orientierte Gespräche.

„Jetzt schaltet er sich rein, strahlt immer und sieht aus, als wäre er
zehn Jahre jünger“, freut sich eine der ehrenamtlichen
Gesprächsleiterinnen über die Entwicklung eines Heimbewohners während der
Erprobungsphase der im Forschungsprojekt BaSeTaLK entwickelten
gleichnamigen App. BaSeTaLK steht für Tablet-gestützte Biographiearbeit in
Senioreneinrichtungen und wird in Zusammenarbeit der OTH Regensburg und
der KH Mainz umgesetzt. Das Forschungsteam hat zum Ziel, mit der
Entwicklung und Erprobung einer App den sozialen Austausch älterer
Menschen in Pflege- und Senioreneinrichtungen zu fördern, das psychische
Wohlbefinden zu steigern und die soziale Teilhabe von Heimbewohner*innen
zu stärken.

Seit dem Frühjahr wurde die App in Einzel- und Kleingruppengesprächen mit
Heimbewohner*innen aus Pflegeeinrichtungen der Regionen Regensburg und
Mainz erprobt. Geleitet werden die Gespräche von Ehrenamtlichen, die zuvor
im Umgang mit der App, aber auch mit Blick auf die Gesprächsführung oder
Kenntnisse zur Biographiearbeit geschult wurden. „Die App beinhaltet 15
Themen, die wir als Orte bezeichnen – zum Beispiel der Wald, ein Kaufhaus,
das Kino oder der Dom. Man betritt sozusagen gemeinsam einen Ort und
findet dort verschiedene Impulse wie Fotos und Audio-Beiträge, die zur
Reflexion des eigenen Lebens und zum gemeinsamen Austausch anregen.
Zentraler Bestandteil sind zudem biographische Fragen, die in einfacher
Sprache formuliert sind und in Verbindung mit den anderen Inhalten den
Ehrenamtlichen als Moderationshilfe und Anregung dienen“, erklären
Katharina Giordano und Vera Leusch, die im Projekt als wissenschaftliche
Mitarbeiterinnen tätig sind.

Im Fall des eingangs erwähnten Heimbewohners brachte der virtuelle Gang in
den Dom nach einigen Wochen eine erstaunliche Wende, wie Vera Leusch durch
die regelmäßigen Nachbesprechungen mit den ehrenamtlichen
Gesprächsleiterinnen erfuhr. „Anfangs liefen die Gespräche in der aus zwei
Bewohnern und einer Ehrenamtlichen bestehenden Kleingruppe wohl etwas zäh.
Ausgerechnet im Dom – wo es unter anderem auch um das Thema Tod geht –
habe der Bewohner allerdings viel mehr von sich erzählt, es wurden
Gemeinsamkeiten, ähnliche Erfahrungen und Einstellungen entdeckt, so dass
sich die Stimmung – trotz des nicht ganz leichten Themas – positiv
entwickelte“, berichtet Vera Leusch. Inzwischen könnten die Gespräche für
die Beteiligten gerne oftmals länger dauern als geplant und auch im Alltag
sei untereinander mehr Kontakt entstanden.

Ob es sich bei dieser Entwicklung um einen Einzelfall oder einen
generellen Effekt der App-Nutzung handelt, wird die Auswertung der
Erprobungsphase in den kommenden Monaten zeigen. Hierzu werden Ergebnisse
von Befragungen und Interviews mit den Beteiligten sowie Daten einer
Kontrollgruppe, die die App nicht genutzt hat, ausgewertet. „Aus der
Forschungsperspektive ist es natürlich spannend herauszufinden, inwiefern
sich die Lebensqualität oder Aspekte wie depressive Verstimmung,
Zufriedenheit und Kommunikation im Vergleich zur Kontrollgruppe durch die
biographisch-orientierten Gespräche auf der Basis der App verändert
haben“, erklärt Dr. Sabine Corsten, Professorin für Logopädie an der KH
Mainz und Leiterin sowie Koordinatorin des Projekts. Biographiearbeit
gewinne in der logopädischen Forschung und Praxis zunehmend an Bedeutung,
ergänzt Corsten. „Häufig wird mit der Logopädie die Behandlung von Sprech-
oder Sprachstörungen verbunden. Immer mehr Aufmerksamkeit erfährt jedoch
auch das Schaffen oder Ermöglichen von Kommunikation im Sinne einer
präventiven Maßnahme.“

Die Ergebnisse der Auswertungsphase werden voraussichtlich im Frühjahr
2022 vorliegen. Das Projekt BaSeTaLK endet im Sommer 2022 und wird mit
rund 650.000 Euro über die Förderlinie FH-Sozial des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Perspektivisch soll die App
nach Abschluss des Projekts für den Einsatz in Pflegeeinrichtungen und
möglichen anderen Settings frei zur Verfügung stehen. „Auf Basis der
Rückmeldungen aus der Erprobungsphase werden wir die App jetzt nochmal
überarbeiten. Danach wird sie Open Source veröffentlicht, das heißt, dass
der Quellcode der App mit allen Materialien wie Fotos und Hörgeschichten
von Interessensverbänden, Institutionen oder auch Unternehmen frei genutzt
werden kann. Damit hoffen wir, dass die App auch künftig älteren Menschen
zugutekommen wird“, erklärt Dr. Norina Lauer, Professorin für Logopädie an
der OTH Regensburg und Projektleiterin.