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Herzbericht: Sterbefälle wegen Herzkrankheiten leicht rückläufig, weniger Krankenhausaufnahmen in Covid-Pandemie

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Deutscher Herzbericht: Covid-Pandemie wirkt sich auf das
Versorgungsgeschehen aus mit Rückgängen bei den Krankenhausaufnahmen und
herzmedizinischen Versorgungsmaßnahmen

Nach wie vor die häufigste Todesursache in Deutschland sind
Durchblutungsstörungen durch Herzkranzgefäßverengungen, die sogenannte
Koronare Herzkrankheit (KHK). Wie der aktuelle Deutsche Herzbericht 2021
zeigt, starben im Jahr 2020 insgesamt 121.462 Menschen an den Folgen der
KHK, darunter 44.529 am akuten Herzinfarkt. Auch verursacht die KHK die
höchste Zahl an Krankenhausaufnahmen innerhalb eines Jahres bei 564.059
vollstationären Fällen (2020) und sie ist die Hauptursache für
Herzschwäche (Herzinsuffizienz), an der 34.855 Menschen im Jahr 2020
starben. „Auffällig und erfreulich ist, dass die Sterblichkeitsrate bei
den Herzkrankheiten KHK und Herzinsuffizienz spürbar gesunken ist. Ein
Trend, der sich über die letzten Jahre fortgesetzt hat. Beide
Herzerkrankungen sind Hauptursachen für den Plötzlichen Herztod mit 66.000
Todesfällen pro Jahr in Deutschland“, betont der Kardiologe Prof. Dr. med.
Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung bei
der Vorstellung des aktuellen Deutschen Herzberichts 2021. Dieser kann
unter www.herzstiftung.de/herzbericht kostenfrei (PDF) angefordert werden.
Nach den Zahlen des neuen Herzberichts konnten im Zeitraum 2018 bis 2020
die Sterbefälle durch KHK um 6,0 % von 140,3 auf 131,9 Verstorbene pro
100.000 Einwohner (EW) und bei Herzschwäche um 11,8 % von 41,2 auf 36,3
Verstorbene pro 100.000 EW gesenkt werden. „Für diese positive Entwicklung
dürften insbesondere Faktoren wie eine verbesserte Prävention, Diagnostik
und Therapie ursächlich sein, im Fall der Herzschwäche etwa
lebensverlängernde Effekte von Medikamenten und Schrittmacher-Therapien,
worauf auch die Entwicklung der Sterblichkeitsrate der Vorjahre
hindeutet“, so Voigtländer. „Allerdings könnte die Covid-19-Pandemie 2020
als neu hinzugekommene Todesursache auch beeinflusst haben, dass andere
Sterblichkeitsursachen seltener angegeben wurden.“ Am deutlichsten zeigte
sich die Senkung der Mortalität von 2018 zu 2020 bei den
Herzrhythmusstörungen, die um 14 % von 32,7 auf 28,1 Verstorbene pro
100.000 EW gesunken ist (Sterbefälle durch Herzrhythmusstörungen insgesamt
in 2020: 27.369).

Hohe Last an Begleiterkrankungen: mehr Fokus auf Einhalten der
Therapieziele
Die positive Entwicklung darf jedoch nicht den Blick dafür verstellen,
dass die KHK/akuter Herzinfarkt und Herzschwäche immer noch die häufigsten
Todesursachen und maßgeblich für den Plötzlichen Herztod verantwortlich
sind, wie Voigtländer, Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien-
Krankenhauses in Frankfurt, betont. Hinzu kommt, dass beide
Herzkrankheiten in aller Regel mit Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck,
Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, Adipositas oder auch
Vorhofflimmern einhergehen, was der aktuelle Herzbericht anhand von Zahlen
aus der kardiologischen und hausärztlichen Versorgung dokumentiert. „Eine
hohe Last an Begleiterkrankungen stellen wir besonders bei der
Herzschwäche fest, die sich auch als Endstadium oder Syndrom anderer Herz-
Kreislauf-Krankheiten bezeichnen lässt; am häufigsten sind insbesondere
hoher Blutdruck, Nierenschwäche, Diabetes und Übergewicht
Nebenerkrankungen der Herzschwäche“, erklärt Voigtländer. Von
„essenzieller Bedeutung für ein Eindämmen der Herzschwäche“ sei daher ein
konsequenteres präventives und therapeutisches Vorgehen eben gegen diese
Begleiterkrankungen, allen voran den hohen Blutdruck, der laut Herzbericht
häufigsten Begleitdiagnose von Herzinsuffizienz (78,4 %) und von KHK (59,5
%). Hoher Blutdruck ist wie Diabetes mit einem hohen Schadenspotenzial für
Herz und Gefäße (Schlaganfall und Herzinfarkt) verbunden. In der
therapeutischen Versorgung der Herzschwäche sehen die Autoren des
Herzberichts Lücken beim Einhalten von Therapiezielen (Adhärenz) etwa bei
der medikamentösen Herzinsuffizienz-Therapie mit RAAS-Hemmern. Wie enorm
wichtig aber die konsequente Behandlung der Komorbiditäten durch Senkung
des hohen Blutdrucks oder des erhöhten Blutzuckerspiegels (Diabetes) ist,
führte die Covid-19-Pandemie klar vor Augen, wie der Kardiologe und
Intensivmediziner Voigtländer hervorhebt: „Ein erhöhtes Risiko für einen
schweren Covid-19-Krankheitsverlauf haben allen voran Patienten mit
Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Nierenversagen und Herzschwäche – dafür
müssen wir auch mit Blick auf die Pandemielage im Herbst sensibilisieren.“

Rückgang von Klinikeinweisungen: Covid-19-Pandemie oder Unterdiagnostik?
Nahezu alle Herzkrankheiten weisen in den Krankenhausaufnahmen
(vollstationäre Hospitalisationsrate) im Jahr 2020 eine deutliche Abnahme
gegenüber dem Jahr 2018 auf. Bei der KHK sank die Zahl der
Krankenhausaufnahmen um 11,4 %, bei Herzklappenkrankheiten um 5,5 %, bei
Herzrhythmusstörungen um 9,9 %, bei Herzschwäche um 9,3 % und bei den
angeborenen Fehlbildungen um 4,0 %. „Da es in vielen anderen Ländern auch
zu Veränderungen der Hospitalisationsraten 2020 gekommen ist, dürfte die
Covid-Pandemie der Hauptauslöser für diese Abnahme stationärer Aufnahmen
gewesen sein“, erklärt Voigtländer. Patienten hätten besonders während der
Pandemiewellen aus Sorge vor einer SARS-CoV-2-Infektion Kliniken gemieden.
Gleichzeitig mussten Kliniken ihre Aufnahmen zeitweise auf Notfälle
beschränken, um Kapazitäten für Intensivpatienten freizuhalten.

Covid-bedingte Reduktion herzmedizinischer Versorgung in Kliniken: mit
Folgen?
Bekanntlich wurden im Pandemiejahr 2020 auch sogenannte „elektive“, d. h.
aufschiebbare operative Eingriffe, weniger häufig durchgeführt (Daten des
IQTIG*): am deutlichsten war das von 2018 zu 2020 der Fall bei
chirurgischen Eingriffen wie der Bypassoperation (-27,2 %) und dem
isolierten Aortenklappenersatz (-27 %). Zu deutlich weniger Eingriffen
gegenüber 2018 kam es auch bei katheterbasierten (interventionellen)
Eingriffen wie der Koronarangiographie (-6,0 %), bei Kathetereingriffen
wie PCI (Herzgefäßaufdehnung durch Stent/Ballon) (-5 %) oder Schrittmacher
-/ICD-Implantationen (-3,5 %/-8,1 %). „Welche Folgen das teils spürbare
,Herunterfahren‘ von Diagnostik und Therapie in der Pandemie für die
Prognose von Herz-Kreislauf-Patienten haben wird und wie es sich
bundesweit auf die kardiovaskuläre Sterblichkeit auswirken wird, lässt
sich womöglich erst in ein paar Jahren klären“, so Voigtländer.
Eine regionale Untersuchung von Daten hessischer Krankenhäuser zum
Beispiel für den Zeitraum 23. März bis 26. April 2020 (1) hat einen
Anstieg der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen während des
ersten strikten Lockdowns belegen können. 7,6 % mehr Menschen als im
selben Zeitraum des Vorjahres starben an einer Herz-Kreislauf-
Komplikation, während die Sterblichkeit allein durch eine Herzerkrankung
um 11,8 % höher war. Im selben Zeitraum sank in den 26 Kliniken, die an
der Untersuchung teilnahmen, die Zahl der Herzkathetereingriffe um 35 %
gegenüber 2019. Die Studienautoren vermuten, dass der
Sterblichkeitsanstieg nicht allein mit SARS-CoV-2-Infektionen zu erklären
ist, sondern dass Patienten viel später als üblich in die Kliniken kamen
und dadurch deren Herz- oder Gefäßkomplikationen verzögert medizinisch
versorgt wurden. „Pandemie-Lockdowns dürfen bei Patienten mit
Herzbeschwerden nicht dazu führen, dass sie sich bei der Inanspruchnahme
medizinischer Versorgung in den Kliniken zurückhalten.“ Infos unter
www.herzstiftung.de/ein-krankes-herz-kann-niemals-warten

Herzkrankheiten früh aufdecken und behandeln – noch bevor es zum Eingriff
kommt
Trotz Pandemie und einer Rückläufigkeit bei stationären Aufnahmen und in
der Sterblichkeit, bleibt festzustellen, dass sich die Gesamtzahlen der
Krankenhausaufnahmen (vollstationäre Hospitalisationsrate) wegen
Herzkrankheiten weiterhin auf einem hohen Niveau bewegen: Wegen KHK kam es
im Jahr 2020 zu 613, wegen Herzrhythmusstörungen zu 469,1 und wegen
Herzinsuffizienz zu 441,7 vollstationären Aufnahmen pro 100.000 EW. Früh
setzt bei Männern der Anstieg der Krankenhausaufnahmen bei der KHK ein:
mit dem 45. bis 50. Lebensjahr bei KHK und bei Herzrhythmusstörungen ab
dem 50. Lebensjahr.
Ziel sollte sein, dank der heutigen Verfahren in Diagnostik und Therapie,
chronische Herzkrankheiten wie KHK, Herzklappenerkrankungen und
Herzrhythmusstörungen, die unbehandelt zum Entstehen der Herzinsuffizienz
führen können, frühzeitig aufzudecken und zu behandeln. „Noch bevor es zum
therapeutischen Einsatz von Kathetereingriffen wie PCI und
Stentimplantation, Bypass-Chirurgie bzw. katheterbasierter oder
chirurgischer Verfahren der Rhythmustherapie wie Vorhofflimmer-Ablation
oder Herzklappenersatzverfahren kommt, sollte man die Herzerkrankung
identifizieren und frühzeitig behandeln“, erklärt der Herzstiftungs-
Vorsitzende. Die Diagnostik hat sich etwa bei KHK wesentlich
weiterentwickelt und auch durch die neuen bildgebenden Verfahren Koronar-
CT (Computertomographie) und Kardio-MRT können Veränderungen der
Herzkranzgefäße (Plaques, Verengungen) und deren Auswirkung auf die
Durchblutung des Herzmuskels frühzeitig erfasst werden. Mit derlei
Verfahren lässt sich die Zahl der invasiven Herzkatheterdiagnostik und
damit auch der stationären Aufenthalte reduzieren. Und das Auftreten von
akuten Koronarsyndromen (Herzinfarkt, instabile Angina Pectoris) kann so
durch frühzeitige Therapie verhindert oder zumindest in ein höheres
Lebensalter „verschoben“ werden. Das gleiche gilt für die Diagnose von
Klappenfehlern oder Rhythmusstörungen. Bei Rhythmusstörungen tragen
mittlerweile Wearables dazu bei, Unregelmäßigkeiten des Herzschlags
(anfallsartiges Vorhofflimmern) frühzeitig zu erkennen.

Herzkrankheiten im Ländervergleich: Gefälle in der kardiologischen
Versorgung?
Regionale Unterschiede in der Sterblichkeit und den Krankenhausaufnahmen
wegen Herzkrankheiten bestehen fort, wie der Deutsche Herzbericht 2021
dokumentiert. Die höchste Sterbeziffer (alters- und
geschlechtsstandardisiert) eines Landes kann bei Herzinsuffizienz oder KHK
nahezu doppelt so hoch sein wie die niedrigste Sterbeziffer eines anderen
Landes. Ein Blick auf die Todesrate der KHK und des Herzinfarkts zeigt:
Östliche Bundesländer haben weiterhin die höchste Sterblichkeit. So hat
Sachsen-Anhalt wie im Vorjahr auch 2020 die höchste Sterbeziffer mit 182
KHK- und 66 Herzinfarkt-Sterbefällen pro 100.000 EW, gefolgt von
Mecklenburg-Vorpommern mit 172 KHK- und 63 Herzinfarkt-Verstorbenen und
Sachsen mit 169 KHK- und 61 Herzinfarkt-Verstorbenen pro 100.000 EW.
Anders hingegen gelagert ist das Gefälle bei der Hospitalisationsrate
(alters- und geschlechtsstandardisiert): Sachsen weist hier die
niedrigsten Hospitalisationsraten bei KHK mit 440 und Herzinfarkt mit 177
vollstationären Aufnahmen pro 100.000 EW auf, während die höchste Rate für
KHK in Berlin mit 784 und für Herzinfarkt im Saarland mit 272
vollstationären Aufnahmen pro 100.00 EW festzustellen ist. „Den genauen
Ursachen für diese teils ausgeprägten regionalen Gefälle muss genauer auf
den Grund gegangen werden“, fordert der Herzstiftungs-Vorsitzende. „Welche
Faktoren führen etwa in einem Bundesland wie Nordrhein-Westfalen zu einer
im Schnitt deutlich niedrigeren Sterbeziffer? Ist es vielleicht eine
höhere kardiologische Versorgungsdichte?“ In NRW liegen die Sterbeziffern
für KHK bei nur 113, für Herzinfarkt bei 36 und für die Herzschwäche bei
nur 32 Verstorbenen pro 100.000 EW. Auffällig ist, dass auch die geringste
Versorgungsdichte mit zugelassenen Kardiologen (vertragsärztliche
Versorgung) in den östlichen Bundesländern Thüringen mit 36.556, in
Mecklenburg-Vorpommern mit 30.392, in Sachsen-Anhalt mit 26.922 und in
Brandenburg mit 26.643 EW pro Kardiologe liegt. „Inwiefern dieses
Versorgungsgefälle ein Indikator für Lücken in der ambulanten
kardiologischen Versorgung ist und dies Ursache für eine höhere Morbidität
und Sterblichkeit sein könnte, ist spekulativ und bedarf fundierter
Analysen“, erklärt Voigtländer. So müssten Analysen zu regionalen
Unterschieden auch Einflussfaktoren wie Raucheranteil, Erwerbsstatus,
Häufigkeit von Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und
Übergewicht berücksichtigen.

Auf Landesebene aktiv: Aufklärungskampagnen in Sachsen-Anhalt und Bayern
Als weiterhin wichtigen Baustein zur Bekämpfung der
Herzinfarktsterblichkeit auf Landesebene sieht Voigtländer sowohl Register
zur wissenschaftlichen Untersuchung der Infarktversorgung als auch
landesweite Aufklärungskampagnen mit Aktionsbündnissen aus Behörden,
Ärztenetzwerken, Krankenkassen und Gesundheitsorganisationen zu Themen wie
Vorsorge, Ursachen und Symptome von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie
richtiges Notfallverhalten. „Genau dieses Ziel verfolgt die als
,Herzwoche‘ angelegte Aufklärungskampagne in Sachsen-Anhalt, die
Vorbildcharakter für ähnliche Initiativen wie die Herzinfarkt-Kampagne in
Bayern ,Hand aufs Herz‘ hat und die wir als Partner unterstützen.“ Das mit
Erfolg: Sachsen-Anhalt konnte seine Herzinfarkt-Mortalität kontinuierlich
senken: von 69,3 Herzinfarkt-Verstorbenen pro 100.000 EW (2018) auf 66,3
(2020).

(wi)

*IQTIG (Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im
Gesundheitswesen): Institut im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses
(G-BA)

Der Deutsche Herzbericht wird von der Deutschen Herzstiftung zusammen mit
den ärztlichen Fachgesellschaften, den Deutschen Gesellschaften für
Kardiologie (DGK), für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) sowie für
Kinderkardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK) alljährlich
herausgegeben.

Der Deutsche Herzbericht 2021 ist kostenfrei (PDF) erhältlich unter:
www.herzstiftung.de/herzbericht

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