Neue Möglichkeiten für COPD-Diagnostik und -Therapie: Wegweisendes Positionspapier macht konkrete Behandlungsvorschläge
Rund acht Prozent der Bevölkerung in Deutschland leidet an der chronisch
obstruktiven Lungenerkrankung, kurz COPD. Die dauerhaft atemwegsverengende
Lungenerkrankung ist weltweit eine der großen und zudem wachsenden
Volkskrankheiten. Dennoch wissen viele Menschen vergleichsweise wenig über
die Erkrankung und es gibt seit Jahrzehnten keine nennenswerten
Fortschritte in der COPD-Diagnostik und -Therapie. Ein neues
Positionspapier gibt jetzt Denk- und Handlungsanstöße, wie dieser Zustand
geändert werden könnte – mehr als vier Jahre hat eine Kommission aus 29
internationalen COPD-Spezialistinnen und -Spezialisten zusammen daran
gearbeitet.
„Dieses Positionspapier ist mutig und wegweisend in vielerlei Hinsicht. Es
macht die enorme epidemiologische, gesellschaftliche und auch
volkswirtschaftliche Bedeutung von COPD klar. Es zeigt, auch im Vergleich
mit anderen Volkskrankheiten, wie wenig wir dennoch in der Bekämpfung
bisher geschafft haben. Und das Wichtigste: Es macht konkrete
Lösungsvorschläge, wie wir es schaffen könnten“, sagt Professor Wolfram
Windisch, Stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) sowie Chefarzt der Lungenklinik
Köln-Merheim.
„COPD wird von vielen Menschen sehr stark mit Tabakrauchen assoziiert. Das
ist auch ein wesentlicher Risikofaktor, aber es gibt eben auch
nennenswerte andere Faktoren, die wir genau beobachten müssen. Deswegen
haben wir eine neue Klassifizierung von fünf COPD-Typen entwickelt“,
erklärt Professorin Daiana Stolz, Erstautorin des Positionspapiers und
Ärztliche Direktorin der Klinik für Pneumologie des Universitätsklinikums
Freiburg. Demzufolge gibt es:
1. Genetische Risikofaktoren,
2. Risikofaktoren aufgrund von frühkindlichen Ereignissen, wie zum
Beispiel Frühgeburt,
3. erhöhtes Risiko aufgrund von durchgemachten Infektionen,
4. den Risikofaktor Rauchen und
5. Umweltfaktoren, die das COPD-Risiko erhöhen – wie zum Beispiel
Luftverschmutzung.
Dabei können Betroffene auch mehreren Risikofaktoren gleichzeitig
ausgesetzt sein – zum Beispiel rauchen sie und haben eine genetische
Prädisposition –, was die Lungengesundheit noch mehr schädigen kann. In
Abhängigkeit von diesen jeweiligen Risikofaktoren gilt es dann, auch die
individuelle COPD-Therapie zu finden.
Gezielter behandeln: Empfindlichere Diagnostik-Tools sind nötig
„Seit Jahrzehnten beruht die COPD-Diagnostik fast ausschließlich auf der
Spirometrie. Das Problem ist, dass dieser Lungenfunktionstest frühe COPD-
Stadien nicht zuverlässig erkennen kann, sondern nur fortgeschrittene –
und damit irreversible – Krankheitsstadien“, so Professorin Stolz. Die
Autoren des Positionspapiers plädieren daher unter anderem für sensitivere
Lungenfunktionstests, die Berücksichtigung von individuellen
Risikofaktoren in der Anamnese und auch unterstützende bildgebende
Verfahren in der Diagnostik. Was die akute Verschlimmerung einer COPD, die
sogenannte Exazerbation, angeht, schlagen die Experten eine neue
Definition vor. Anhand von objektiven, messbaren Kriterien, wie zum
Beispiel bestimmte Entzündungen, ließen sich Betroffene so viel gezielter
behandeln als aktuell.
COPD-Bekämpfung braucht globale und koordinierte Kraftanstrengung
„COPD ist eine globale Erkrankung, die auch mit Armut korreliert: Länder
mit geringerem Einkommen haben auch mehr Fälle. Deswegen sollten alle
Gesellschaftsschichten Zugang zu Diagnostik und Behandlung haben“, fordert
Stolz. Die Vision, COPD langfristig zu eliminieren, bedarf einer
weltweiten Kraftanstrengung, bei der alle Stakeholder konsequent und
koordiniert zusammenarbeiten – nicht nur medizinische Fachkräfte, sondern
auch staatliche Behörden, die Privatwirtschaft und die breite
Öffentlichkeit. „COPD geht alle Menschen an, nicht nur Raucher. Wir müssen
uns als Gesellschaft darum kümmern, denn diese Volkskrankheit ist
bedrohlich und kostet viel Geld und Lebensqualität. Durch Vermeiden von
Rauchen und Umweltverschmutzung sowie Armutsbekämpfung können wir aktiv
Einfluss darauf nehmen!“, ergänzt DGP-Vorstandsmitglied Wolfram Windisch.
Veröffentlicht wurde das neue Positionspapier unter dem Titel „Über die
Eliminierung von COPD“ jetzt in „The Lancet“, einer der renommiertesten
medizinisch-wissenschaftlichen Fachzeitschriften der Welt.