"Die Verschreibungshoheit bei immunsuppressiven Therapien muss in ärztlicher Hand bleiben"
Apothekerinnen und Apotheker dürfen nun transplantierte Menschen beraten
und ihre Medikation umstellen. Die Deutsche Transplantationsgesellschaft
(DTG) und die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) warnen
ausdrücklich davor und befürchten, dass es zu Komplikationen und
Transplantatverlusten kommen kann. Nur die behandelnden Ärztinnen und
Ärzte kennen die persönliche Krankengeschichte, erwartbare Komplikationen,
individuelle Therapieresistenzen oder Gegenanzeigen aufgrund von
Komorbiditäten. Auch immunologische Untersuchungen des Blutserums, die vor
jeder Dosisänderung oder Medikamentenumstellung erfolgen sollten, können
in Apotheken nicht gemacht werden.
Transplantierte Patientinnen und Patienten dürfen seit Kurzem eine
erweiterte Medikationsberatung in Apotheken bei Immunsuppression in
Anspruch nehmen. Sinn ist die detaillierte Prüfung der gesamten
Medikation, bei der im Rahmen der Beratung der Hintergrund der
immunsuppressiven Therapie sowie Handhabungs- und Anwendungsprobleme
erörtert werden sollen. Ebenso sollen Bedenken und Sorgen bezüglich der
Therapie mit den versicherten Personen besprochen und einer Lösung
zugeführt werden.
Die Deutsche Transplantationsgesellschaft und die Deutsche Gesellschaft
für Nephrologie nehmen die Aufnahme dieser Dienstleistungen in den Katalog
der pharmazeutischen Dienstleistungen mit der Möglichkeit, die Leistung zu
Lasten der Krankenversicherung abzurechnen, mit Unverständnis und großer
Sorge zur Kenntnis.
Medikationsberatung im Rahmen der Therapie und Nachsorge von
Organtransplantierten gehört aus Sicht beider Fachgesellschaften alleinig
in die Verantwortung der betreuenden ärztlichen Kolleginnen und Kollegen.
Die immunsuppressive Therapie nach Organtransplantation ist hochkomplex
und erfordert neben der profunden Kenntnis der Krankengeschichte der
Betroffenen, ihrer Komorbiditäten und der individuellen
Transplantationshistorie fachärztliche Kenntnis im Rahmen der Nachsorge.
„Es gibt einen eklatanten Mangel an Spenderorganen, die Betroffenen warten
oft viele Jahre auf eine Transplantation. Daher sollte keine
Abstoßungsreaktion riskiert werden. Diese kann aber bereits durch kleinere
Wirkstoffschwankungen entstehen, erst recht durch eine leichtfertige
Umstellung der Immunsuppression. Die optimale Einstellung von
transplantierten Patientinnen und Patienten ist höchst individuell, um die
Balance zwischen ausreichender Immunsuppression und Nebenwirkungen perfekt
auszutarieren, bedarf es immunologischer, laborchemischer Untersuchungen,
die in Apotheken nicht geleistet werden können“, erklärt Prof. Julia
Weinmann-Menke, Pressesprecherin der DGfN.
„Aus unserer Sicht kann daher eine Medikationsberatung in diesem sensiblen
Patientenkollektiv nicht von einer Apothekerin oder einem Apotheker
erbracht werden, selbst wenn die dafür erforderlichen Kenntnisse auf Basis
des Curriculums der Bundesapothekerkammer erworben wurden“, ergänzt Prof.
Dr. Mario Schiffer, Generalsekretär der DTG. „Eine Veränderung des
therapeutischen Regimes, das von den Transplantationszentren festgelegt
wurde, ist gefährdend für den erfolgreichen Transplantaterhalt. Abgesehen
von einer unnötigen Verunsicherung der Betroffenen, wenn Arzt und
Apotheker unterschiedliche Empfehlungen geben, erwarten wir durch diese
Neuregelung in den Transplantationszentren erhöhte Komplikationsraten
durch die nicht ärztliche Umstellung der Medikation transplantierter
Menschen.“
Erschwerend komme hinzu, dass es keine digitalen Schnittstellen zwischen
Transplantationszentren und Apotheken gibt wie in anderen europäischen
Ländern, die ähnliche Mitberatungsmodelle durch Apotheken etabliert haben.
Diese wäre aber aus Sicht der DTG und DGfN eine zwingend erforderliche
Grundvoraussetzung. „Eine Veränderung der medikamentösen Therapie darf
nicht ohne Einbindung des Transplantationszentrums und ohne Absprache mit
den behandelnden Ärztinnen und Ärzten erfolgen. Nur sie kennen die
persönliche Krankengeschichte, erwartbare Komplikationen, individuelle
Therapieresistenzen oder Gegenanzeigen aufgrund von Komorbiditäten. Wir
schätzen unsere pharmakologischen Kolleginnen und Kollegen und wünschen
uns eine verstärkte Zusammenarbeit, z.B. im Bereich der Ahärenzschulung
oder bei der Beratung von Arneimittelinteraktionen. Eine Einbindung und
Vergütung qualifizierter Pharmazeutinnen und Pharmazeuten in den
jeweiligen Transplantationszentren ist daher absolut wünschenswert. Die
Verschreibungshoheit bei immunsuppressiven Therapien muss aber in
ärztlicher Hand bleiben, wir riskieren sonst Transplantatverluste“, so
Schiffer.