Wenn COVID-19 Spuren hinterlässt – wissenschaftliches Symposium zum Post- COVID-Syndrom
Noch Monate nach einer COVID-19-Erkrankung sind manche Menschen nicht mehr
so belastbar wie vor der Infektion: Sie haben Schwierigkeiten sich zu
konzentrieren, sind müde, leiden unter Kopfschmerzen und Atemproblemen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von fünf Deutschen Zentren der
Gesundheitsforschung (DZG) kommen am 31. Oktober 2022 zusammen, um den
aktuellen Wissensstand zu den Spätfolgen zu diskutieren. Auch
Journalistinnen und Journalisten sind auf dem Kongress in der Deutsche
Bank Arena in Frankfurt am Main willkommen.
Laut Bundesärztekammer leiden 15 Prozent aller an COVID-19-Erkrankten an
einem Post-COVID-Syndrom (PCS). PCS bezeichnet Beschwerden, die noch drei
Monate nach der akuten Infektionsphase mit SARS-CoV-2 bestehen und immer
wiederkehren oder mindestens zwei Monate anhalten. Dabei kann eine
Infektion Spuren in vielen Organen hinterlassen und das Herz-Kreislauf-
System, den Atmungstrakt, den Stoffwechsel und das Nervensystem betreffen.
In fünf Sessions erläutern Forschende des Deutschen Zentrums für Herz-
Kreislauf-Forschung (DZHK), des Deutschen Zentrums für Lungenforschung
(DZL), des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), des Deutschen
Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und des Deutschen
Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) ihre aktuellen Erkenntnisse zu
Corona-Spätfolgen. Prof. Susanne Herold vom Universitätsklinikum Gießen
eröffnet die Veranstaltung mit einem Vortrag zu den Folgen für das Herz-
Lungen-System bei Post-COVID.
Geringe psychosoziale Belastbarkeit ist ein PCS-Risikofaktor
Zwei Risikofaktoren für PCS haben sich bereits herauskristallisiert. Neben
dem eher erwartbaren Faktor Erkrankungsschwere fanden Prof. Thomas Bahmer
vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) und seine Kollegen
heraus, dass auch Menschen mit einer geringen psychosozialen Belastbarkeit
und schwächeren Resilienz ein höheres Risiko haben, ein PCS zu entwickeln.
Außerdem entwarfen sie ein Klassifizierungssystem, mit dem erfasst werden
kann, ob ein PCS vorliegt und wie schwerwiegend es ist. Bahmer spricht in
der von DZL-Sprecher Prof. Werner Seeger geleiteten Session, in der es
auch um Lungenschäden und die Rolle bildgebender Verfahren bei Long-COVID
geht. Letztere stellt Prof. Hans-Ulrich Kauczor vor, der am
Beratungsleitfaden der WHO zur Anwendung bildgebender Verfahren bei
COVID-19 beteiligt war.
Wie sich psychosoziale Aspekte auf die Symptome und den Schweregrad bei
PCS auswirken, erforscht auch DZIF-Forscherin Dr. Christine Allwang vom
Münchner Universitätsklinikum rechts der Isar der Technischen Universität
München. Die langsame Genesung, körperliche und psychische Beschwerden
beeinträchtigen die Lebensqualität der betroffenen Personen erheblich.
Allwang analysiert die spezifischen Bedürfnisse dieser Menschen, um
Lebensqualität und die allgemeine Funktions- und Leistungsfähigkeit zu
verbessern. Darauf aufbauend will sie Unterstützungsangebote entwickeln,
die etwa Strategien zum Umgang mit den anhaltenden Symptomen vermitteln.
Prof. Sandra Ciesek vom Uniklinikum Frankfurt leitet die Session des DZIF.
Thromboseneigung und andauernde Herzbeschwerden
Häufig kommt es bei schweren COVID- 19-Verläufen zu Lungenembolien oder
Thrombosen in den Venen. DZHK-Forscher Prof. Steffen Massberg vom Klinikum
der Universität München sucht nach Mechanismen, die zu derartigen
Komplikationen führen, und beleuchtet deren Bedeutung für Corona-
Spätfolgen. Thrombose und Entzündung sind physiologisch gesehen zwei
getrennte Prozesse. Doch mittlerweile weiß man, dass sie wechselwirken:
Durch Krankheitserreger hervorgerufene Entzündungen können das
Blutgerinnungssystem aktivieren. Damit soll verhindert werden, dass sich
die Erreger über den Blutkreislauf im ganzen Körper ausbreiten. Dieser als
Immunthrombose bezeichnete Prozess kann bei SARS-CoV-2-Infektionen zu
einer erhöhten Thromboseneigung im gesamten Körper führen.
Massberg skizziert, was daraus für die Therapie von COVID-19 abgeleitet
werden kann und wie man solche Blutgerinnungsstörungen möglicherweise
verhindern könnte. In der von Prof. Andreas Zeiher geleiteten Herz-
Kreislauf-Session stellt außerdem Prof. Eike Nagel vom Frankfurter
Universitätsklinikum vor, welche Aufschlüsse das Herz-MRT bei Post-COVID
gibt. In einer Studie mit über 300 Teilnehmern konnte er vier bis elf
Monate nach einer Coronainfektion bei über der Hälfte der Teilnehmer eine
leichte, andauernde Herzentzündung feststellen. Sie könnte erklären, warum
viele an COVID-19 -Erkrankte noch Monate nach der Infektion unter
Herzrasen, Brustschmerzen und einer geringeren Belastbarkeit des Herz-
Kreislauf-Systems leiden.
Erhöhtes Demenz-Risiko und entgleister Stoffwechsel
Neurologische Beschwerden treten nicht nur während der akuten Infektion
auf, sondern auch in den Monaten danach. Studien zeigen, dass Menschen
nach COVID ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko für eine Demenz haben.
Auch Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Depressionen werden in
Zusammenhang mit PCS genannt. Prof. Harald Prüß, Neurologe an der Charité
Berlin, konnte mit seiner DZNE-Forschungsgruppe nachweisen, dass sich
Virus-Antikörper auch gegen Gehirnstrukturen richten. Seine aktuellen
Ergebnisse stellt er in der DZNE-Session vor.
Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes und Adipositas erhöhen das Risiko
für eine schwer verlaufende COVID-19-Erkrankung. Umgekehrt werden bei
COVID-19-Patienten auch erhöhte Blutzucker-Werte, Entgleisungen des
Stoffwechsels, Diabetes und schwere metabolische Komplikationen eines
vorbestehenden Diabetes beobachtet. Wie PCS, Stoffwechsel und Diabetes
zusammenhängen, stellt DZD-Forscher Prof. Stefan Bornstein vom
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden vor.
Sport nach COVID-19
Im Anschluss an das wissenschaftliche Symposium findet eine öffentliche
Bürgerveranstaltung unter dem Motto „Wieder fit und sportlich aktiv nach
COVID-19“ statt: mit Prof. Winfried Banzer, Wissenschaftlicher Leiter der
medizinischen Abteilung der Eintracht Frankfurt und Mannschaftsarzt, Prof.
Martin Halle, Ärztlicher Direktor der Präventiven Sportmedizin und
Sportkardiologie der Technischen Universität München und Prof. Andreas
Zeiher, Universitätsklinikum Frankfurt am Main und Sprecher des Standortes
RheinMain des DZHK. Moderiert wird die Veranstaltung von Sascha Zoske,
Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Programm und Anmeldung
Das detaillierte Programm und die Anmeldung zum wissenschaftlichen
Symposium finden Sie hier (Konferenzsprache englisch):
https://deutschezentren.de/ver
Anmeldung und Informationen zur Bürgerveranstaltung gibt es hier:
https://deutschezentren.de/ver