„total zentral: die Leber!“: neue Therapieansätze bei seltenen Lebererkrankungen
Die Europäische Union (EU) stuft eine Erkrankung offiziell als seltene
Erkrankung ein, wenn sie weniger als fünf von 10.000 Menschen betrifft.
Addiert man alle bislang bekannten seltenen Erkrankungen, ergeben sich für
die EU insgesamt mehr als 6.000. Verschiedene dieser seltenen Erkrankungen
– an denen in der EU insgesamt schätzungsweise 30 Millionen Menschen
leiden – können auch zu einer Leberschädigung führen. Allein in
Deutschland sind mehrere 10.000 Menschen von einer seltenen
Lebererkrankung betroffen, für die teilweise neue, revolutionäre Therapien
zu Verfügung stehen.
Über diese aktuellen Entwicklungen und die Wichtigkeit einer frühzeitigen
Diagnose informieren die Ausrichter des 23. Deutschen Lebertages am 20.
November 2022 – Deutsche Leberstiftung, Deutsche Leberhilfe e. V. und
Gastro-Liga e. V. – im Vorfeld des Aktionstages.
Es gibt verschiedene seltene Erkrankungen, die zu einer Leberschädigung
führen können. Dabei werden angeborene Krankheiten, autoimmune
Erkrankungen, bei denen die Leber vom eigenen Immunsystem angegriffen wird
und Erkrankungen, die infektiöse oder toxische Ursachen haben, voneinander
unterschieden. Diese Erkrankungen verlaufen fortschreitend und senken
häufig die Lebenserwartung. Die Problematik bei seltenen Lebererkrankungen
besteht darin, dass diese häufig keine spezifischen Symptome verursachen
und daher sehr schlecht zu diagnostizieren sind. Für zahlreiche seltene
Lebererkrankungen gibt es in den letzten Jahren einen Erkenntnisgewinn bei
der Pathophysiologie – beispielsweise durch die Identifizierung einzelner
Gene und deren Funktion für die jeweilige Erkrankung.
„Prinzipiell sind verschiedene, fundamental neue therapeutische Strategien
für die Behandlung von seltenen Lebererkrankungen denkbar. So gibt es
beispielsweise für den Ersatz eines defekten oder fehlenden Proteins
deutlich bessere Optionen. Wir haben bereits jetzt die Möglichkeit, durch
Nutzung der RNA-Interferenz gezielt die Bildung von ‘schädlichen‘
Proteinen zu hemmen. Einige der bisher nicht behandelbaren seltenen
Lebererkrankungen sind mit den neuen Therapie-Optionen gut zu
kontrollieren“, erklärt Prof. Dr. Michael P. Manns, Vorstandsvorsitzender
der Deutschen Leberstiftung, und macht betroffenen Patienten für die
Zukunft weiter Hoffnung: „Für einige seltene Lebererkrankungen und seltene
genetische Speichererkrankungen mit Leberbeteiligung sind die neuen
Ansätze zur Therapie bereits im klinischen Alltag angekommen. Und weitere
vielversprechende Therapie-Optionen befinden sich aktuell in der frühen
klinischen Entwicklung. Erstmalig seit vielen Jahrzehnten sind jetzt für
bestimmte seltene Lebererkrankungen wirkliche Fortschritte in den
therapeutischen und speziell gentherapeutischen Möglichkeiten absehbar.
Doch nur wenn eine seltene Lebererkrankung auch diagnostiziert wird,
können betroffene Patienten von den wirksamen neuen Therapien profitieren.
Deswegen ist es wichtig, bei unspezifischen Beschwerden die Leberwerte zu
kontrollieren und seltene Lebererkrankungen als Ursache in Betracht zu
ziehen. Alle Ansprechpartner bei neu auftretenden Gesundheitsproblemen, in
der Regel also Haus- und Kinderärzte, müssen verstärkt für seltene
Lebererkrankungen sensibilisiert werden.“
Eine besondere Gruppe von seltenen Lebererkrankungen wird unter dem
Begriff „autoimmune Lebererkrankungen“ zusammengefasst. Diese
unterscheiden sich zwar im Krankheitsverlauf und in der Ausprägung, haben
jedoch in einem wesentlichen Punkt eine Gemeinsamkeit: Das körpereigene
Immunsystem ist fehlgesteuert. Körpereigene Strukturen werden als
„körperfremd“ identifiziert und bekämpft. Zu den autoimmunen
Lebererkrankungen gehören die Autoimmune Hepatitis (AIH), die Primär
Biliäre Cholangitis (PBC) und die Primär Sklerosierende Cholangitis (PSC).
Auch für diese Erkrankungen, die aktuell noch nicht heilbar sind, gibt es
zum Teil bessere Therapieoptionen, mit denen sie besser kontrollierbar
sind und das transplantationsfreie Überleben verlängert werden kann.
Sowohl PSC als auch PBC können in eine Leberzirrhose übergehen. Bei
Patienten mit PSC ist zudem das Risiko erhöht, ein Gallengangskarzinom zu
entwickeln. Vor allem die PBC ist mit einer Gallensäure
(Ursodesoxycholsäure, UDCA) und bei ausgewählten Patienten mit
Medikamenten wie beispielsweise Obeticholsäure (OCA) inzwischen gut
kontrollierbar. Bei der PSC werden hauptsächlich Komplikationen überwacht
und behandelt, an medikamentösen Therapien wird geforscht. Unter
bestimmten Umständen ist eine Lebertransplantation die einzige
Therapieoption. Auch bei der AIH ist es wichtig, möglichst frühzeitig eine
Diagnose zu stellen und mit der Therapie zu beginnen. Im Rahmen einer
Krebstherapie mit neuen Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) können
Leberentzündungen (Hepatitiden) auch als immunvermittelte Nebenwirkung
auftreten, sodass hier eine frühe Erkennung und Behandlung wichtig ist.
Mit dem Motto „total zentral: die Leber!“ rufen die Ausrichter des 23.
Deutschen Lebertages am 20. November 2022 Ärzte und Patienten auch dazu
auf, jede fortbestehende Leberwerterhöhung als Anlass zu weiterer
Diagnostik zu nehmen und dabei auch seltene Lebererkrankungen
einzubeziehen. Nur so können auch seltene Lebererkrankungen erkannt und
mit den immer besser werdenden Therapiemöglichkeiten bekämpft werden.
Mehr Infos zum 23. Deutschen Lebertag und alle bislang im Rahmen des
diesjährigen Deutschen Lebertages veröffentlichten Presseinformationen
unter: http://www.lebertag.org
Alle Institutionen, die im Rahmen des 23. Deutschen Lebertages mit einer
Veranstaltung aufklären und informieren möchten, werden von den
Ausrichtern bei der Pressearbeit und mit Veranstaltungsmaterialien
unterstützt. Informationen, Anmeldungen und Downloads unter:
http://www.lebertag.org
Die Ausrichter des 23. Deutschen Lebertages am 20. November 2022:
Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Krankheiten
von Magen, Darm und Leber sowie von Störungen des
Stoffwechsels und der Ernährung (Gastro-Liga) e. V.
Prof. Dr. Peter R. Galle, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats
Friedrich-List-Straße 13, 35398 Gießen
Tel 0641 – 97 48 10
<geschaeftsstelle@gastro-liga.