Auch ältere Menschen profitieren von einer Blutdrucksenkung (2)
Bluthochdruck ist eine der Hauptursachen für die Schädigung von Organen
und Gefäßen. Je länger Bluthochdruck unbehandelt bleibt, desto höher ist
das Sterberisiko. Es ist also nie zu spät, auch im höheren Alter mit einer
medikamentösen Therapie zu beginnen, das zahle sich im Hinblick auf
Lebenszeit und -qualität aus, wie Prof. Peter Trenkwalder, Experte der
Deutschen Hochdruckliga e. V. DHL® │ Deutsche Gesellschaft für Hypertonie
und Prävention, auf der heutigen Pressekonferenz zum Hypertonie Kongress
in Berlin hervorhob. Allerdings müsse die Diagnostik bei älteren Menschen
besonders sorgfältig erfolgen.
Eine Altershypertonie ist unabhängig vom Geschlecht ein weit verbreitetes
Phänomen. Von in Deutschland insgesamt ca. 20 bis 30 Millionen Menschen
mit Bluthochdruck ist im Alter über 60 Jahren fast jeder Zweite betroffen.
Der Grad der Gefäßverkalkung nimmt zu, damit steigt das Risiko für
Schlaganfälle und Herzinfarkte. Die Hälfte aller Schlaganfälle tritt bei
über 70-Jährigen auf, die Überlebenschancen älterer Menschen nach einem
Herzinfarkt verschlechtern sich mit jedem weiteren Lebensjahr. Etwa ein
Viertel aller Betroffenen, die bei einem Infarkt 75 Jahre oder älter sind,
überlebt diesen nicht [1].
„Die Hypertonie hat auch im Alter einen hohen Krankheitswert, doch das
wird immer wieder bagatellisiert“, betonte Prof. Dr. Peter Trenkwalder,
Gauting, ehemaliges Mitglied des Vorstands der Deutschen Hochdruckliga.
„Die Zeiten von ‚normaler Blutdruck = 100 plus Lebensalter‘, dem
sogenannten Erfordernis-Hochdruck im höheren Alter, sind vorbei. Mit
dieser althergebrachten Einstellung – mental wie auch im Hinblick auf den
Blutdruck – gefährden wir Leben“, so lautet sein eindringlicher Appell.
Auch eine Altershypertonie muss konsequent behandelt werden, um
Folgekomplikationen durch Organschädigungen zu verhindern. Der Nutzen
einer Therapie ist mittlerweile gut belegt.
Bereits 2008 hat die groß angelegte HYVET-Studie („Hypertension in the
Very Elderly Trial“), eine randomisierte, doppelblinde Studie, gezeigt,
dass „rüstige“ über 80-jährige Hochdruckpatientinnen und -patienten (alle
Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen konnten noch selbst zum
Studienzentrum gehen) von einer blutdrucksenkenden Therapie profitieren.
Im Vergleich zur Placebogruppe reduzierte die Therapie das
Schlaganfallrisiko um 30 %, die Gesamtmortalität um 21 % und die
kardiovaskuläre Mortalität um 23 %, die Herzinsuffizienzrate war unter
antihypertensiver Behandlung sogar um 64 % reduziert. Letzteres bringt
einen großen Vorteil für die Lebensqualität, denn die Herzinsuffizienz
beeinträchtigt das Leben alter Menschen stark, führt oft zur Einschränkung
ihrer Selbstständigkeit und zur sozialen Isolation.
Auch was die vermeintlichen Nebenwirkungen der blutdrucksenkenden Therapie
anging, war die doppelt verblindete Studie, bei der also weder die
Betroffenen noch ihre Behandler wussten, wer zur Placebogruppe gehörte und
wer die „echte“ Medikation erhielt, aufschlussreich: Die Nebenwirkungsrate
war in der Placebogruppe signifikant erhöht (358 vs. 448, p = 0,001).
Im vergangenen Jahr bestätigte eine große chinesische Studie [3] das
Ergebnis der HYVET-Studie und zeigte ebenfalls, dass ältere Menschen (hier
60–80 Jahre alt, auch in dieser Studie relativ gesund) von der Therapie im
Hinblick auf Mortalität und Morbidität profitieren. Sie verglich das
kardiovaskuläre Outcome von über 8500 Menschen mit Bluthochdruck, deren
Blutdruck entweder in den Zielbereich von 110–129 mm Hg oder in den von
130–150 mm Hg eingestellt wurde. Die striktere Blutdrucksenkung führte zu
einer signifikant geringeren Rate an Herz- und Gefäßerkrankungen, allein
das Schlaganfallrisiko konnte durch die Therapie um ein Drittel gesenkt
werden (HR = 0,67).
Bezüglich der Zielwerte könne man bei älteren Patientinnen und Patienten
zwar etwas großzügiger als bei jungen oder bei Menschen im mittleren
Lebensalter sein, bei denen 120–130/75–80 mm Hg optimal sind, erklärte
Prof. Trenkwalder. Dennoch sollte man auch bei „rüstigen“, gesunden
Betagten und Hochbetagten einen systolischen Wert zwischen 130 und 140 mm
Hg anstreben. Bei der Blutdruckeinstellung sei zudem zu beachten, dass
Menschen sehr unterschiedlich altern. So gebe es gesunde und körperlich
aktive über 80-Jährige ebenso wie gebrechliche, kognitiv eingeschränkte
und wenig belastbare 70-Jährige – und diese allgemeine Verfassung habe
letztlich Einfluss auf die Therapieziele. Je „rüstiger“ ältere Menschen
sind, desto eher solle man die Blutdruckziele jüngerer Hypertonikerinnen
und Hypertoniker anstreben.
„Dennoch sind die alten Vorurteile, die Blutdrucksenkung bringe bei
Hochbetagten weniger Nutzen als Schaden, bestehen geblieben – und wir
bitten die Medien herzlich, uns zu helfen, mit diesem tödlichen Vorurteil
aufzuräumen“, appellierte Prof. Trenkwalder.
Warum sich dieses Vorurteil so hartnäckig hält, erklärte Prof. Trenkwalder
mit zwei gängigen Fehlern, die in der Praxis und der Klinik immer wieder
vorkämen und in wenigen Fällen zu einer Übertherapie führten. So würde
nicht berücksichtigt, dass bei alten Menschen die sogenannte
Weißkittelhypertonie, bei der durch äußere Einflüsse wie z. B. Aufregung
beim Arztbesuch der Blutdruck kurzzeitig erhöht ist, oder auch
kurzfristige Blutdruckschwankungen häufiger vorkommen. „Jede
Bluthochdruckdiagnose sollte in einer 24-Stunden-Messung bestätigt werden,
bevor therapiert wird“, so der Experte. Denn die Langzeitmessung kann
ausschließen, dass blutdruckgesunde Menschen fälschlicherweise behandelt
werden und entdeckt umgekehrt auch Fälle der sogenannten maskierten
Hypertonie. Zum anderen würde die orthostatische (aufrecht stehend)
Hypotonie vielmals nicht beachtet werden, die z. B. beim Aufrichten des
Körpers aus einer Sitz- oder Liegestellung den Blutdruck plötzlich
absacken lässt. Um sie auszuschließen, sollte der Blutdruck unbedingt auch
im Stehen gemessen werden. Denn bei orthostatischer Hypotonie trotz
Hypertonie sollte die antihypertensive Therapie vorsichtig erfolgen und
ist in schweren Fällen sogar kontraindiziert. „Gerade bei älteren
Patientinnen und Patienten muss daher die Diagnosestellung sorgfältig
erfolgen. Betroffene sollten sich an DHL®-zertifizierte
Hypertensiologinnen/Hypertensi
Fallstricke im Blick und sind in der Diagnose und in der Therapie der
Hypertonie bei alten und betagten Menschen geschult.“
Weitere Informationen zu Bluthochdruck unter https://www.hochdruckliga.de
[1] Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie vom
07.04.2018. Langzeit-Sterblichkeit nach Herzinfarkt: Alter, Gewicht und
Akuttherapie sind entscheidende Faktoren. https://dgk.org/daten/PA-
Langzeitdaten-BSR.pdf
[2] Beckett NS, Peters R, Fletcher AE, Staessen JA, Liu L, Dumitrascu D,
Stoyanovsky V, Antikainen RL, Nikitin Y, Anderson C, Belhani A, Forette F,
Rajkumar C, Thijs L, Banya W, Bulpitt CJ; HYVET Study Group. Treatment of
hypertension in patients 80 years of age or older. N Engl J Med. 2008 May
1;358(18):1887-98. doi: 10.1056/NEJMoa0801369. Epub 2008 Mar 31. PMID:
18378519.
[3] Zhang W, Zhang S, Deng Y, Wu S, Ren J, Sun G, Yang J, Jiang Y, Xu X,
Wang TD, Chen Y, Li Y, Yao L, Li D, Wang L, Shen X, Yin X, Liu W, Zhou X,
Zhu B, Guo Z, Liu H, Chen X, Feng Y, Tian G, Gao X, Kario K, Cai J; STEP
Study Group. Trial of Intensive Blood-Pressure Control in Older Patients
with Hypertension. N Engl J Med. 2021 Sep 30;385(14):1268-1279. doi:
10.1056/NEJMoa2111437. Epub 2021 Aug 30. PMID: 34491661.