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Besteht in meiner Familie ein erhöhtes Krebsrisiko?

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Etwa fünf bis zehn Prozent aller Krebserkrankungen entstehen aufgrund
einer erblichen Veranlagung. In den betroffenen Familien tritt Krebs
zumeist gehäuft auf. Anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar
informiert das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC)
darüber, wann es sinnvoll sein kann, ein mögliches erbliches Krebsrisiko
abzuklären und wohin sich Ratsuchende wenden können. Das Institut für
Klinische Genetik des Universitätsklinikums Carl Gustav Dresden setzt als
eines der deutschlandweit größten Zentren zur Abklärung von erblichem
Krebs auf eine besonders umfassende genetische Analyse.

Direktorin Prof. Evelin Schröck plädiert zudem dafür, dass die Kriterien
für Gentests künftig deutlich erweitert werden sollten. Aktuell seien die
Einschlusskriterien für Gentests für einige Tumorarten zu eng gefasst,
wodurch die Chance vertan wird, ein mögliches erbliches Krebsrisiko
festzustellen und erblich veranlagte Krebserkrankungen früher zu
behandeln.

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine
gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des
Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen
Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden und des Helmholtz-Zentrums
Dresden-Rossendorf (HZDR).

Krebserkrankungen entstehen zumeist spontan. Das heißt: Veränderungen im
Erbgut, die gesunde Zellen in Krebszellen umwandeln, entwickeln sich erst
im Laufe des Lebens. Bei etwa fünf bis zehn von 100 Krebspatientinnen und
-patienten ist jedoch eine erbliche Veranlagung ein zentraler Faktor für
die Krebsentstehung. Die Veranlagung wird innerhalb der Familie von
Generation zu Generation mit einem fünfzigprozentigen Risiko
weitergegeben. „Vererbt wird nicht die Krankheit selbst, sondern eine
genetische Veränderung, die ein erhöhtes Risiko bedingt, an Krebs zu
erkranken. Wenn ein solches familiäres Risiko bekannt ist, können oft
engmaschige Früherkennungsuntersuchungen, vorsorgliche Behandlungen oder
gezielte Therapien erfolgen. Im Idealfall können wir den ersten Patienten
einer Familie mit einem erhöhten Krebsrisiko diagnostizieren, um bei
weiteren Angehörigen die Krebserkrankungen möglichst früh zu erkennen oder
künftig hoffentlich sogar zu verhindern“, erklärt Prof. Evelin Schröck,
Direktorin des Instituts für Klinische Genetik des Universitätsklinikums
Carl Gustav Carus Dresden.

Eine erbliche Veranlagung kann prinzipiell bei allen Krebsarten eine Rolle
spielen, wobei noch nicht vollständig geklärt ist, warum der Einfluss
unterschiedlich groß ist. Während beispielsweise bei seltenen Tumoren wie
Paragangliomen (Tumoren von Nervenzellansammlungen) bis zu 30 Prozent und
bei Leiomyosarkomen (Weichteiltumoren mit Ursprung in der glatten
Muskulatur) bis zu 17 Prozent der Erkrankungen auf eine erbliche
Veranlagung zurückzuführen sind, trifft dies nur auf etwa drei Prozent der
Melanome (schwarzer Hautkrebs) zu.

Am Institut für Klinische Genetik des Dresdner Uniklinikums beraten
Expertinnen und Experten jährlich rund 600 bis 700 Familien zu einer
möglichen erblichen Krebsveranlagung. In den meisten Fällen erfolgt auf
Grund der Krankengeschichte und der Familiensituation anschließend eine
genetische Diagnostik. Darüber hinaus sind die Dresdner Ärztinnen, Ärzte
und Forschenden in wichtigen onkologisch ausgerichteten Netzwerken
deutschlandweit und in Europa aktiv und beurteilen z. B. die erblichen
Veranlagungen aller Patientinnen und Patienten im DKFZ/NCT/DKTK MASTER-
Programm. Das Institut ist damit deutschlandweit eines der großen Zentren
zur Abklärung einer erblichen Krebsdisposition. „Das Wissen um familiäre
Veranlagungen ist ein wichtiger Baustein, um Krebs möglichst frühzeitig zu
erkennen und optimal zu behandeln. Wir sind froh, hierfür als Dresdner
Universitätsmedizin einen erheblichen Beitrag zu leisten“, sagt Prof.
Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Dresdner Uniklinikums. Die
meisten Ratsuchenden stellen sich im Institut für Klinische Genetik mit
Verdacht auf erblich bedingten Brustkrebs vor, gefolgt von Darmkrebs.
Brustkrebs ist in Deutschland die häufigste Krebserkrankung der Frau,
Darmkrebs die bei Frauen zweithäufigste und bei Männern dritthäufigste
Krebserkrankung. Darüber hinaus werden Patientinnen und Patienten mit
allen erblichen Tumorrisikosyndromen betreut, z. B. mit dem Li-Fraumeni-
Syndrom, das mit einem sehr hohen Krebsrisiko verbunden ist.

Einschlusskriterien für Gentests zu eng gefasst

Verschiedene Faktoren wie die Häufung bestimmter Krebserkrankungen in der
Familie, Tumorerkrankungen bei vergleichsweise jungen Erwachsenen und im
Kindesalter können Anhaltspunkte für eine mögliche familiäre
Krebsveranlagung sein. „Zunächst bitten wir Ratsuchende darum, uns
grundlegende Angaben zu Krebserkrankungen in der Familie zukommen zu
lassen. Auf dieser Grundlage können wir einschätzen, ob eine genetische
Beratung und Diagnostik hilfreich sein kann. Eine direkte Anfrage an eine
genetische Ambulanz ist immer möglich“, empfiehlt Prof. Schröck.

Im Anschluss an die ausführliche Erhebung aller Informationen und die
Aufklärung in der Sprechstunde entscheiden die Patientinnen und Patienten
gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten auf Grundlage verschiedener
Einschlusskriterien darüber, ob eine genetische Diagnostik hilfreich sein
könnte. „Insgesamt wäre es wünschenswert, dass der Rahmen für Gentests zum
Wohl der Patientinnen und Patienten beispielsweise beim
Bauchspeicheldrüsenkrebs künftig deutlich erweitert wird. Internationale
Untersuchungen zeigen, dass mit den aktuellen Kriterien nur rund die
Hälfte der Personen mit einer erblichen Krebsveranlagung erfasst wird. Wir
konnten kürzlich in einer deutschlandweiten Studie zeigen, dass bei
Patienten mit seltenen Tumorerkrankungen eine erbliche Disposition in 75
Prozent der Fälle nur durch zusätzliche Untersuchungen im Rahmen der
Studie diagnostiziert wurde. Hier sehen wir auch einen politischen
Handlungsbedarf. Eine größere Anzahl an genetischen Analysen ist natürlich
immer auch eine Geldfrage. Allerdings sind die Kosten für einen
entsprechenden Test im Vergleich mit den Kosten für eine Krebstherapie
sehr gering. Wenn sich hierdurch viele Erkrankungen früher erkennen
ließen, könnte das durchaus kosteneffizient sein“, so Prof. Schröck.

Genetische Sprechstunde und Diagnostik

In der genetischen Sprechstunde wird die gesundheitliche Vorgeschichte der
Familie besprochen und ein Stammbaum erstellt, in dem alle
Krebserkrankungen der Familie aufgeführt sind. Die bisherigen Befunde
aller Krebserkrankungen werden beurteilt. Außerdem erfolgt eine genaue
körperliche Untersuchung und es werden auch persönliche Verhaltensweisen
nachgefragt, z. B. zum Alkoholkonsum, Rauchen und dem beruflichen oder
privaten Umgang mit Giftstoffen. Auf dieser Grundlage erfolgt eine
detaillierte Risikoanalyse und möglicherweise eine Empfehlung für eine
genetische Diagnostik.

Bei der genetischen Diagnostik werden anhand einer Blutprobe die für die
erblichen Krebserkrankungen bisher bekannten Risiko-Gene untersucht. „Eine
genetische Diagnostik ist immer freiwillig und erfolgt erst nach
ausführlicher Aufklärung und Einwilligung. Wenn möglich wird die
Diagnostik bei einem bereits erkrankten Familienmitglied vorgenommen. Wird
hier eine Veränderung der DNA gefunden, die als pathogene Variante für ein
genetisches Tumorrisikosyndrom bewertet wird, kann anschließend bei
anderen Familienmitgliedern gezielt danach gesucht werden. Wir setzen auf
eine sehr umfassende Analyse und werten in jedem Fall mindestens 60 Gene
aus, dies wird bisher noch nicht routinemäßig durchgeführt“, erklärt Prof.
Schröck. Durch die umfangreiche Analyse lassen sich zum Teil Mutationen in
Krebsgenen identifizieren, die vorwiegend für andere Tumorarten typisch
sind und sonst nicht erfasst würden.

Wenn die Ärztinnen und Ärzte einen Gentest befürworten, werden die
entsprechenden Kosten vielfach durch die Krankenkasse getragen. Bei Brust-
und Eierstockkrebs sowie bei Darmkrebs sind die Kriterien hierfür
besonders klar definiert und die Kostenübernahme meist unproblematisch.
Oft ist aber auch eine Klärung mit der jeweiligen Krankenkasse nötig, was
für die Patientinnen und Patienten zu einer zusätzlichen Belastung führt.
Ist die Tumorpatientin oder der -patient bereits verstorben, gibt es
aktuell meist keine Möglichkeit, eine genetische Analyse für die
Familienangehörigen vorzunehmen.

Umfassende Versorgung und Forschung

Den Weg einer genetischen Beratung und Analyse sind auch Katrin Uhlworm
(39) und ihre Familie gegangen. Nach ihrer Brustkrebserkrankung vor neun
Jahren und einer Häufung der Erkrankung in der Familie wurde bei der
Dresdnerin eine Mutation im „Brustkrebs-Risikogen“ BRCA1 nachgewiesen, die
auch mit einem stark erhöhten Risiko für Eierstockkrebs verbunden ist.
„Obwohl meine Krebstherapie mittlerweile abgeschlossen ist, werde ich
weiterhin engmaschig überwacht und habe mich zudem für eine vorsorgliche
Entfernung der Eierstöcke entschieden. Auch meine Mutter und mein Bruder
sind von der Mutation betroffen. Wir sind froh über die umfassende
Versorgung“, sagt Katrin Uhlworm. „Das Wissen um das Vorliegen einer
Mutation in einem Risiko-Gen gibt uns die Möglichkeit, die Patientinnen
und Patienten in der Vor- und Nachsorge sehr umfänglich zu betreuen. Hier
sind auch zusätzliche Untersuchungen wie eine regelmäßige
Magnetresonanztomografie möglich. Wenn Betroffene mit erblicher
Disposition bereits erkrankt sind, können wir sie häufig mit speziell
zugelassenen Medikamenten behandeln, die das Rückfallrisiko deutlich
senken“, betont Prof. Pauline Wimberger, Direktorin der Klinik für
Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsklinikums Dresden.

Auch das psycho- und gynäko-onkologische Beratungsangebot spielt eine
wichtige Rolle. „Die Diagnose einer erblichen Krebsveranlagung kann eine
starke seelische Belastung sein. Häufig stellt sich für Betroffene vor dem
Hintergrund des eigenen Erkrankungsrisikos oder einer möglichen Weitergabe
der genetischen Veränderung die Frage nach der Kommunikation dessen in der
Familie. Wie spreche ich mit meinem Partner oder meinen Kindern darüber?
Wir stehen bei Fragen und Ängsten unterstützend zur Seite“, sagt Beate
Hornemann, Leiterin des psychoonkologischen Dienstes am Nationalen Centrum
für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC), „oft hilft auch der Austausch in
einer Selbsthilfegruppe.“ „Die Universitätsfrauenklinik bietet im Rahmen
des Netzwerks FertiPROTEKT jungen Betroffenen vor Beginn einer
Krebstherapie zudem eine Beratung und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen
zum Erhalt der Fruchtbarkeit an“, betont Prof. Wimberger.

Unter dem Dach des NCT/UCC Dresden treiben Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler auch die Forschung zu erblichen Krebserkrankungen weiter
voran. „Wir suchen beispielsweise bei Hochrisiko-Familien nach bislang
unbekannten genetischen Ursachen, wenn keine bekannte Risiko-Mutation
nachgewiesen wird“, so Prof. Schröck.

Wenn sich in einer Familie trotz mehrerer Krebsbetroffener keine bekannte
Erbgut-Veränderung nachweisen lässt, kann das zum Beispiel daran liegen,
dass Veränderungen vorliegen, die mit den derzeit in der Routine
angewendeten Methoden nicht aufgedeckt werden können. Möglich ist auch,
dass verschiedene Erbgut-Faktoren zusammenkommen, die das Krebsrisiko
jeweils nur geringfügig erhöhen. Auch Lebensstil- und Umweltfaktoren
können das individuelle Krebsrisiko beeinflussen. Teilweise sind mehrere
Mitglieder einer Familie den gleichen Risikofaktoren ausgesetzt, wenn sie
sich beispielsweise ähnlich ungesund ernähren, rauchen oder sich wenig
bewegen.

Spezialisierte Zentren, Beratungsstellen, Patientenorganisation (Auswahl)

Für Ratsuchende mit einer (möglichen) familiären Belastung für Brust- und
Eierstockkrebs gibt es deutschlandweit spezialisierte universitäre
Zentren, die sich in einem Verbund – dem Deutschen Konsortium Familiärer
Brust- und Eierstockkrebs – zusammengeschlossen haben. Die Zentren bieten
ein besonders umfangreiches Versorgungskonzept auf dem neuesten
Wissensstand. Das zertifizierte Zentrum Familiärer Brust- und
Eierstockkrebs am Universitätsklinikum Dresden, in dem Expertinnen und
Experten aus Gynäkologie, Klinischer Genetik, Radiologie, Pathologie,
Psychoonkologie und weiteren Fachdisziplinen eng zusammenarbeiten, ist
Teil des Konsortiums.

Auch für familiären Darmkrebs gibt es einen deutschlandweiten Verbund, das
Deutsche Konsortium für Familiären Darmkrebs. Teil des Konsortiums sind 16
klinische Zentren, die das Ziel verfolgen, die Identifikation, Versorgung
sowie Vorsorge von Patientinnen und Patienten mit einem erblichen
Tumorsyndrom des Magen-Darm-Trakts entscheidend zu verbessern. Das
Institut für Klinische Genetik des Universitätsklinikums Dresden ist
ebenso Teil des Konsortiums. Die Zentren der Konsortien können von
Ratsuchenden direkt kontaktiert werden.

Eine deutschlandweite Übersicht über genetische Sprechstunden und
Forschungsaktivitäten für erbliche Tumorerkrankungen bietet die Deutsche
Gesellschaft für Humangenetik e.V.

Kontakt zu anderen Betroffenen kann das BRCA-Netzwerk vermitteln. Diese
große Selbsthilfeorganisation berät und unterstützt deutschlandweit
Betroffene mit familiärem Brust- und Eierstockkrebs und weiteren erblichen
Krebserkrankungen. Hier finden auch Betroffene Rat, bei denen eine
familiäre Häufung an Krebserkrankungen ohne nachgewiesene Genmutation
vorliegt.

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