Zukünftige Krankenhausversorgung: Pneumologen und Thoraxchirurgen präsentieren eigene Konzeptvorschläge
Immer mehr Menschen in Deutschland leiden an Krankheiten der Lunge und der
Atmungsorgane. Deshalb haben die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und
Beatmungsmedizin (DGP) sowie die Deutschen Gesellschaft für
Thoraxchirurgie (DGT) jetzt eine gemeinsame Stellungnahme samt eigener
Konzeptvorschläge zur zukünftigen Krankenhausversorgung vorgelegt. „Wenn
die Regierungskommission und mit ihr die Bundesregierung aktuell über ein
neues Konzept für die Krankenhausversorgung berät, müssen die Belange
großer Patientengruppen wie der von Lungenerkrankten besser miteinbezogen
werden – und zwar klinikübergreifend“, sagt DGP-Präsident Professor
Torsten Bauer (Foto links).
Rund 16 Millionen Betroffene mit Lungenerkrankungen wurden zuletzt
erfasst, die Corona-Zahlen noch nicht mit einbezogen. Aktuelle Erhebungen
weisen bei vielen Diagnosen zudem eine erhöhte Sterblichkeit der
Patientinnen und Patienten aus – bei Lungenkrebs ist diese um das
Neunfache erhöht, bei einer Lungenentzündung um das Fünffache. Vor dem
Hintergrund einer immer älter werdenden Gesellschaft erwarten Experten,
dass sich die Situation weiter verschärft. „Im Sinne der zu behandelnden
Menschen brauchen wir noch mehr Flexibilität bei der Gestaltung von
Klinik-Leveln und Leistungsgruppen, auch einzelne Kriterien zur
Klinikfinanzierung sollten weiter präzisiert werden“, schlägt DGT-
Präsidentin Dr. Katrin Welcker (Foto) vor.
„Wir unterstützen die Arbeit der Regierungskommission für eine moderne und
bedarfsgerechte Krankenhausversorgung und empfinden viele Vorschläge als
richtig. Es ist gut, dass die großen Probleme des Krankenhauswesens
endlich angepackt werden. Bei der weiteren spezifischen Ausgestaltung
bieten wir gerne unsere Hilfe an und wollen mit den Vertretern der
Regierungskommission ins Gespräch kommen“, erklärt Professor Winfried
Randerath (Foto rechts), DGP-Generalsekretär sowie Sprecher der
gemeinsamen Task Force Qualität und Wirtschaftlichkeit, in der Pneumologen
sowie Thoraxchirurgen zusammenarbeiten. Die 27-köpfige Fachgruppe hat sich
die dritte Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission – mit
Schwerpunkt auf die grundlegende Reform der Krankenhausvergütung – genauer
angeschaut. Schwachstellen haben die Experten vor allem identifiziert bei:
der zukünftigen Organisation von leistungsfähigen pneumologischen
Fachkliniken, der Beschreibung neuer Leistungsgruppen für komplexe
Erkrankungen und der Einführung von Vorhaltepauschalten zum Sicherstellen
der Krankenhausleistungen. Darüber hinaus machen die beiden
Fachgesellschaften Ergänzungsvorschläge zur Einführung neuer Krankenhaus-
Level, zum DRG-System und der Ambulantisierung, zum Personalmangel und zu
einer möglichen Anpassung des Medizinischen Dienstes, der als
medizinischer und pflegefachlicher Begutachtungs- und Beratungsdienst nach
DGP-Meinung noch unabhängiger sein sollte als bisher.
Gefordert: Mitsprache für die Länder, Systematik bei Leistungsgruppen
Die DGP und DGT begrüßen die gesonderte Berücksichtigung der somatischen
Fachkliniken in den Empfehlungen der Regierungskommission ausdrücklich.
„In den vergangenen Jahrzehnten hat sich für die Versorgung der Patienten
mit Lungenerkrankungen ein Netz qualitativ hochentwickelter,
leistungsfähiger, kosteneffizienter und wissenschaftlich aktiver
Fachkliniken herausgebildet“, sagt Randerath. Das gelte auch für andere
medizinische Fachgebiete, in denen Fachkliniken eine besondere Rolle
spielen. Daher lehnt die beiden Fachgesellschaften die generelle
Empfehlung ab, nach der die Fachkliniken zukünftig baulich und inhaltlich
in andere Kliniken der neu zu schaffenden Levels II und III – also
regionale oder überregionale Krankenhäuser – zu integrieren sind.
Stattdessen sollten die Bundesländer individuell festlegen, ob eine
Integration im Einzelfall sinnvoll oder aber nachteilig ist. Die DGP und
DGT stellen klar: Große Lungenfachkliniken betreuen Patientinnen und
Patienten des gesamten Spektrums von Infektiologie, Onkologie,
Erkrankungen des Lungengewebes, Atemwegen und Atmungsregulation bis hin
zur Intensivmedizin des Fachgebietes einschließlich der Notfallversorgung.
„Dieses breite Spektrum hat die Leistungsfähigkeit und den wesentlichen
Beitrag der pneumologischen Fachkliniken zum Gesundheitswesen gerade in
der Pandemie sehr deutlich gezeigt“, sagt Randerath. „Mit ihrer besonderen
Expertise tragen Lungenfachkliniken und Fachabteilungen zur
telemedizinischen Versorgung und Kommunikation mit Kliniken aller Levels
bei.“
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und die
Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie beschreiben zudem, welche
Voraussetzungen die einzelnen Leistungsgruppen für komplexere Erkrankungen
auf der Ebene der Länder erfüllen sollten. „Die von der
Regierungskommission vorgeschlagenen Leistungsgruppen lassen bisher keine
hinreichende Systematik erkennen. Für manche Fachbereiche wird eine sehr
kleinteilige Differenzierung vorgeschlagen, die in anderen Fachgebieten
wie der Pneumologie völlig fehlt“, sagt Randerath. Zu den
Vorhaltepauschalen sagt er: „Bei den Landesbehörden für Gesundheit muss
auch in Zukunft die volle Führungskompetenz bleiben, um eigenständig über
Versorgungsstrukturen und damit über die Zuweisung der Vorhaltepauschalen
entscheiden zu können. Mehr noch: Auch hinsichtlich der neuen
Leistungsgruppen-Gestaltung und der regionalen Krankenhausplanung muss die
Hoheit bei den Ländern liegen.“
Neue Krankenhaus-Level: Wettbewerb um Leistungsgruppen –
Standortzusammenlegungen müssen ausreichend finanziert werden
Kritik üben die Experten der DGP und DGT auch an der Ausgestaltung des
vorgeschlagenen Modells der drei Krankenhaus-Level, das zwischen
Krankenhäusern der lokalen Grundversorgung, regionalen Krankenhäusern der
Regel- und Schwerpunktversorgung sowie überregionalen Krankenhäusern der
Maximalversorgung unterscheidet. Im vorgeschlagenen Modell komme es zu
einem Wettbewerb der Kliniken um Levels und Leistungsgruppen. „Gerade an
das Level II der regionalen Versorger werden sehr hohe Bedingungen
gestellt, die keine Flexibilität bei der individuellen Ausgestaltung
erkennen lassen. Warum soll jedes dieser Häuser die gleichen
Leistungsgruppen und Abteilungen vorhalten? Mehrere Krankenhäuser an einem
Standort zusammenzuführen, kann sich positiv auf die Qualität und die
Personal- und Technikproblem auswirken, erfordert aber Investitionen in
Millionenhöhe. Mittelfristig muss die gewünschte Reduktion der
Krankenhausstandorte somit ausreichend finanziell durch den Strukturfonds
abgesichert sein“, bekräftigt DGP-Präsident Torsten Bauer.
Zukunft: Mehr Studienplätze, Programme für Zuwanderer, Leihunternehmertum
entgegenwirken
Auch zum Aspekt des Personalmangels in den Kliniken äußert sich die
Fachgesellschaft: „Anders als die Regierungskommission, erkennen wir einen
absoluten Mangel, der nur zum kleineren Teil auf eine zu hohe Zahl von
Krankenhäusern zurückzuführen ist“, sagt DGP-Präsident Bauer. „Deshalb
müssen wir deutschlandweit mehr Studien- und Ausbildungsplätze anbieten –
womit auch eine Aufstockung des Lehrpersonals einhergehen muss. Zudem
brauchen wir professionelle Anwerbe- und Qualifizierungsprogramme für
Zuwanderer aus Gesundheitsberufen oder solche, die sich darin ausbilden
lassen wollen“, so der Mediziner. „Politik, Berufsverbände, Kostenträger
und Krankenhäuser müssen jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass der
Arbeitsplatz Krankenhaus für Ärztinnen und Ärzte wieder attraktiv
gestaltet wird.“ Die DGP stellt klar: Dem System der Leihunternehmen ist
durch gesetzliche Maßnahmen – zum Beispiel die Begrenzung der Vergütung
oder die Pflicht zu Nacht-, Wochenend-, Feiertagsdiensten –
entgegenzutreten, die die Benachteiligung des festangestellten Personals
aufheben. „Wenn die einberufene Regierungskommission ihre Empfehlungen um
die relevanten Punkte der pneumologischen Fachkliniken ergänzt, wird nicht
nur die bedarfsgerechte Krankenhausversorgung gestärkt – in erster Linie
wird den vielen Patientinnen und Patienten mit akuten Lungenproblemen
geholfen“, sagt DGP-Präsident Torsten Bauer.
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Die komplette Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und
Beatmungsmedizin (DGP) sowie der Deutschen Gesellschaft für
Thoraxchirurgie (DGT) zu Kernpunkten der Vergütungsreform der
Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte
Krankenhausversorgung lesen Sie unter www.pneumologie.de