Unterschätztes Risiko: Bluthochdruck bei Kindern
Rechtzeitig entdeckt, kann Bluthochdruck bei Kindern erfolgreich behandelt
werden. Wie frühzeitiges Eingreifen schwere Folgen für Herz und Gefäße
verhindern kann, erläutert der Kinderherzspezialist Prof. Dr. Robert Dalla
Pozza im aktuellen herzblatt-Sonderdruck der Deutschen Herzstiftung
Bluthochdruck gilt als stiller Killer. Still, weil er unbemerkt schweren
Schaden anrichten kann. Herz, Hirn, Nieren und Augen sowie Gefäße kann er
massiv schädigen, wenn er über Jahre unentdeckt und unbehandelt bleibt.
„Von großer gesundheitlicher Bedeutung für die einzelnen Patienten ist die
Tatsache, dass der Bluthochdruck im Kindesalter das Blutdruckniveau des
Erwachsenen bestimmt“, erklärt Prof. Dr. med. Robert Dalla Pozza,
leitender Oberarzt der Abteilung für Kinderkardiologie und pädiatrische
Intensivmedizin im LMU Klinikum München, Campus Großhadern. Den
Bluthochdruck frühzeitig zu erkennen und mögliche Ursachen zu klären, sei
deshalb besonders wichtig, um mit Hilfe der Therapie vor den Folgen des
hohen Blutdrucks schützen zu können, betont der Kinderherzspezialist und
Mitautor des herzblatt-Sonderdrucks „Arterieller Bluthochdruck im
Kindesalter: eine unterschätzte Gefahr“ der Deutschen Herzstiftung und
ihrer Kinderherzstiftung. Dieser kann kostenfrei per Telefon angefordert
werden unter 069 955128-400 oder per Mail unter
(1). Die Volkskrankheit Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) betrifft in
Deutschland nach Expertenschätzungen 20-30 Millionen Erwachsene (Infos:
www.herzstiftung.de/bluthochdr
Deutschland leiden rund zwei bis drei Prozent unter Bluthochdruck, das
sind etwa 400.000 Betroffene. Bei Bluthochdruck wird das Blut dauerhaft
mit zu viel Druck auf die Gefäßwände durch den Körper gepumpt. Die
dauerhafte Gefäßbelastung und sich daraus entwickelnde arteriosklerotische
Gefäßveränderungen (Gefäßverkalkung) erhöhen die Gefahr für Herz-
Kreislauf-Erkrankungen im Erwachsenenalter wie Herzinfarkt, Schlaganfall
oder Nierenversagen, wenn der hohe Blutdruck unentdeckt und unbehandelt
bleibt.
Risiken erkennen und minimieren: frühzeitiger Blutdruck-Check
Insbesondere Übergewicht/Adipositas, chronische Nierenerkrankungen sowie
die Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. Psychopharmaka), Rauchen und
Drogenmissbrauch sind die häufigsten Risikofaktoren für den primären
Bluthochdruck im Kindes- und Jugendalter. Primär, „weil keine andere
sekundäre Ursache bekannt ist und dieser primäre, arterielle Bluthochdruck
aus dem Zusammenspiel vieler vererblicher Faktoren und Umwelteinflüssen
wie falsche Ernährung, Stress oder Übergewicht resultiert“, erläutert
Prof. Dalla Pozza.
Um die Gefahr für Herz und Gefäße rechtzeitig einzudämmen und die bereits
genannten Spätschäden (Arteriosklerose) und Komplikationen im
Erwachsenenalter frühzeitig zu verhindern, rät der Kinderkardiologe
bereits im Kleinkindalter den Blutdruck regelmäßig zu beobachten. „Eine
Blutdruckmessung sollte bei jedem Kind ab dem vierten Lebensjahr
stattfinden. Bei Kindern mit Risikofaktoren für Bluthochdruck sollte sie
bereits ab dem dritten Lebensjahr durchgeführt werden.“ Besonders bei den
rund 8.700 Kindern, die mit einem angeborenen Herzfehler jährlich in
Deutschland zur Welt kommen und außerdem mit Gefäßdefekten wie
Hauptschlagaderverengung (Aortenisthmusstenose) geboren werden, muss
sorgfältig darauf geachtet werden, dass der Blutdruck im unbedenklichen
Bereich liegt. Das gilt auch für frühgeborene Kinder, die nach der Geburt
intensivmedizinisch behandelt worden sind.
Blutdruck messen bei Kindern: Worauf sollte man achten?
Um den Blutdruck bei Kindern richtig zu messen, gibt es ein paar wichtige
Punkte zu beachten:
- Die Blutdruckmessung sollte am rechten Oberarm nach einer etwa
fünfminütigen Ruhepause erfolgen.
- Die Messungen sollten dreimal wiederholt werden.
- Bei älteren Kindern sollte im Sitzen, bei Säuglingen und kleineren
Kindern im Liegen gemessen werden.
- Die Größe der Manschette korrekt wählen: Der aufblasbare Teil sollte gut
am Arm anliegen, gegebenenfalls eine Kindermanschette wählen.
- Die Messung sollte man noch zweimal im Abstand von ein bis zwei Minuten
wiederholen: Wiederholungsmessungen fallen meist niedriger aus. Den
Mittelwert der letzten beiden Messungen notieren.
- Messungen mit vollautomatischen, sogenannten oszillometrischen Geräten,
sind mittlerweile auch bei Kindern üblich.
- Weiterhin gilt die auskultatorische Messung, also die manuelle
Blutdruckmessung mit Hilfe eines Stethoskops, als Goldstandard.
- Die Messwerte sollten mit den entsprechenden Normwerten, die für Kinder
ab einem Jahr zur Verfügung stehen, verglichen werden.
Um die Diagnose Bluthochdruck zu sichern beziehungsweise den Erfolg einer
Behandlung zu prüfen, sollte auch bei Kindern eine 24-Stunden-
Langzeitblutdruckmessung erfolgen. „Eine Bestätigung der Diagnose muss von
einem Facharzt durch mehrere Blutdruckmessungen im Abstand von einigen
Tagen bis Wochen erfolgen“, betont der Kinderkardiologe Prof. Dalla Pozza.
Steht die Diagnose arterieller Bluthochdruck fest, folgen u.a.
Ultraschalluntersuchungen von Herz und Nieren. Beim Augenarzt gibt eine
Spiegelung des Augenhintergrunds Auskunft über Gefäßveränderungen (Gefahr
der Arteriosklerose). Je jünger ein Kind ist, desto wahrscheinlicher ist
ein sekundärer Bluthochdruck. Im Säuglingsalter handelt es sich immer um
einen sekundären Bluthochdruck, wobei angeborene Nieren- und
Herzerkrankungen als Ursachen im Vordergrund stehen. „Bei älteren Kindern
ist ein primärer Bluthochdruck wahrscheinlicher. Dabei handelt es sich in
vielen Fällen um eine familiär gehäuft vorkommende arterielle Hypertonie
ohne erkennbare Ursache“, erklärt Prof. Dalla Pozza.
Gesund leben: Ohne Medikamente Kinder vor Bluthochdruck schützen
Fast die Hälfte der Kinder in Deutschland bewegt sich zu wenig. „Mangelnde
Bewegung, erhöhte Kalorienzufuhr durch unbewusstes und unkontrolliertes
Snacken stellen ein Risiko für die Entwicklung einer Hypertonie dar“,
warnt Prof. Dalla Pozza. Laut einer Forsa-Umfrage im Mai 2022 (2) ist
jedes sechste Kind in Deutschland dicker geworden und fast ein Drittel der
Kinder isst mehr Süßes. Im Vergleich zu Kindern mit normalem Gewicht haben
fettleibige Kinder ein mehr als zehnfach erhöhtes Risiko für
Bluthochdruck, warnen Kinder- und Jugendmediziner (3).
Um den Blutdruck zu senken, eignen sich für Kinder ebenso wie für
Erwachsene Ausdauersportarten, die den Blutdruck stärker senken als
Krafttraining. Bei deutlich erhöhten Blutdruckwerten wird Patienten bis
zur Senkung der Blutdruckwerte von statischen Belastungen (z. B.
Mountainbiking, Krafttraining, Alpinskilauf, Rudern) abgeraten. Täglich 60
Minuten moderate bis intensive körperliche Aktivität werden zur Prävention
von Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfohlen.
Extrem zuckerhaltige Getränke, Drinks mit Koffeingehalt und Alkohol
steigern den Blutdruck ebenso wie Rauchen (auch passives der Eltern),
Drogen (z.B. Ecstasy, Kokain, Crack und Amphetamine) und sollten unbedingt
vermieden werden. Eine abwechslungsreiche Ernährung ist ebenfalls zur
Vorbeugung von Risikokrankheiten wie Bluthochdruck wichtig. Weg vom
Weißmehlbrötchen, hin zu herzgesunder abwechslungsreicher Ernährung. Auch
Kinder mögen knackiges Obst und Gemüse, richtige Vermittlung und Anleitung
vorausgesetzt. Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt daher die
Mittelmeerküche (https://herzstiftung.de/medit
vorwiegend aus ballaststoff- und proteinreichen Lebensmitteln und ist
reich an frischem Gemüse und Obst, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten,
pflanzlichen Ölen, Nüssen, Fisch, Salaten und Kräutern. Reichen diese
Behandlungsmöglichkeiten nicht aus, empfehlen Mediziner zusätzlich eine
medikamentöse Therapie.
Blutdrucksenkung mit Medikamenten
Problem sind die noch nicht ausreichenden Studienergebnisse für Präparate
im Kindesalter, so dass auch sogenannte Off-Label-Produkte mit
ausführlicher Risiko-Nutzen-Aufklärung eingesetzt werden. Wegen ihrer
ungünstigen Nebenwirkungen werden Betablocker Kindern eher selten
verschrieben. Erstes Mittel der Wahl sind ACE Hemmer (Angiotensin-
Converting-Enzyme-Hemmer), die an Enzymen und Hormonen des RAAS (Renin-
Angiotensin-Aldosteron-System) ansetzen. Das RAAS besteht aus Enzymen und
Hormonen, die entscheidend mitwirken an der Regulation des Blutdrucks und
des Flüssigkeitshausaltes. Ähnlich blutdrucksenkend wie ACE-Hemmer und oft
besser verträglich sind AT1-Rezeptorblocker (hemmen u.a. die Bildung des
Hormons Angiotensin2, das Blutgefäße verengt und als Folge steigt der
Blutdruck). Lästige Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und
Wasseransammlungen in den Beinen haben Kalziumantagonisten. Sie zählen
dennoch zu den sehr wirksamen Präparaten zur Behandlung des gefährlichen
Bluthochdrucks.
(sh/wi)
Service-Tipps
Der Artikel „Arterieller Bluthochdruck im Kindesalter: eine unterschätzte
Gefahr“ von Prof. Dr. Robert Dalla Pozza ist im gleichnamigen aktuellen
Sonderdruck von herzblatt, der Zeitschrift der Deutschen Herzstiftung zum
Leben mit angeborenem Herzfehler enthalten. Ein
Probeexemplar/Rezensionsexempl
der Kinderherzstiftung angefordert werden unter Tel. 069 955128-400 oder
per Mail
Der Artikel „Hoher Blutdruck schadet schon Kindern“ von Prof. Dr. Elke
Wühl in der Herzstiftungs-Broschüre „Bluthochdruck: Herz und Gefäße
schützen“ kann kostenfrei angefordert werden bei der Herzstiftung unter
Tel. 069 955128-400 oder per Mail unter
Online-Seminar: „Arterieller Bluthochdruck im Kindes- und Jugendalter“
Wann: Mittwoch, 19. April 2023, Start 17:30 Uhr
Link: https://herzstiftung.de/live
Referent: Prof. Dr. med. Robert Dalla Pozza, stellv. Leiter der Abteilung
für Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin des LMU Klinikum
München Campus Großhadern
Eine Anmeldung ist nicht nötig.
Der Vortrag des Kinderkardiologen richtet sich an interessierte Eltern,
Familien mit betroffenen Kindern mit/ohne angeborenem Herzfehler sowie an
betroffene Jugendliche. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, Fragen an
den Experten zu richten. Für die Teilnahme ist kein Einschalten von Kamera
und Mikrofon erforderlich. Fragen zu diesem Online-Seminar können vorab an
kinderherzstiftung@herzstiftun
Schon gewusst? Die Kinderherzstiftung feiert 30-jähriges Jubiläum:
https://herzstiftung.de/30-jah
Bild- und Fotomaterial erhalten Sie auf Anfrage unter
Quellen:
(1) Dalla Pozza, R., Weil, J., Arterieller Bluthochdruck im
Kindesalter: eine unterschätzte Gefahr, Sonderdruck von herzblatt, der
Zeitschrift der Deutschen Herzstiftung zum Leben mit angeborenem
Herzfehler, Frankfurt a. M., 2023
(2) Pressemeldung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (https
://adipositas-gesellschaft.de) „forsa-Umfrage zeigt Folgen der Corona-
Krise für Kinder: Gewichtszunahme, weniger Bewegung, mehr Süßwaren – Jedes
sechste Kind ist dicker geworden“ vom 31.05.2022 (abgerufen am 12.04.2023)
(3) Wühl, E., Hoher Blutdruck schadet schon Kindern, in: Deutsche
Herzstiftung (Hg.), Bluthochdruck: Herz und Gefäße schützen, Frankfurt a.
M. 2021
Zusatz-Informationen für Redaktionen zum Thema Bluthochdruck bei Kindern:
Die Schweregrade des Bluthochdrucks
Mediziner unterscheiden beim arteriellen Bluthochdruck bei Kindern
bestimmte Schweregrade und teilen sie in sogenannte Perzentile
(Hundertstelwerte) ein. Diese Messwerte dienen als Vergleichsgröße.
- Hochnormaler Blutdruck: Werte über 90. Perzentile
Nur wenn zusätzliche Risikofaktoren wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Diabetes mellitus oder chronische Nierenerkrankungen vorliegen, wird
empfohlen, den Blutdruck abzusenken. Zur Risikoverminderung sollten nicht
medikamentöse Maßnahmen ergriffen werden.
- Bluthochdruck Grad 1: Werte über 95. Perzentile
Eine Behandlung mit Medikamenten ist notwendig. Begleitet werden sollte
sie von nicht medikamentösen Maßnahmen zur Reduktion des Herz-Kreislauf-
Risikos.
- Bluthochdruck Grad 2: Werte über 99.Perzentile
Stationäre Behandlung und Überwachung sind erforderlich. Intensivbehandelt
werden muss, wenn weitere Symptome wie Herzschwäche, Schwindel oder
Benommenheit auftreten (Hypertensiver Notfall).
Weitere Literatur
Lurbe, E. et al. (2009): Management of high blood pressure in children and
adolescents: recommendations of the European Society of Hypertension. doi:
10.1097/HJH.0b013e32832f4f6b
Flynn, J. T. et al. (2017): Clinical Practice Guideline for Screening and
Management of High Blood Pressure in Children and Ado- lescents. doi:
10.1542/peds.2017-1904
Perk, J. et al. (2012): European Guidelines on cardiovascular disease
prevention in clinical practice (version 2012): The Fifth Joint Task Force
of the European Society of Cardiology and Other Societies on
Cardiovascular Disease Prevention in Clinical Practice (constituted by
representatives of nine societies and by invited experts). doi:
10.1093/eurheartj/ehs092