Gesetzentwurf zur Vermeidung von Arzneimittelengpässen ohne Schutz von Krebsmedikamenten - Betroffene enttäuscht
Die steigende Zahl von Arzneimittelengpässen hatte in den letzten Jahren
besonders Krebspatientinnen und -patienten betroffen. Unverzichtbare
Arzneimittel aus dem Bereich der Generika fehlten, u. a. für Brust-,
Darm-, Lungen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, aber auch für die
Leukämietherapie und die Stammzelltransplantation. Konkrete Abhilfe wurde
mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekä
Versorgungsverbesserungsgeset
2023 von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach
vorgestellten Kabinettsentwurf fehlen diese Maßnahmen. Die Betroffenen und
die Verordner sind enttäuscht.
Erfolgreiche Krebstherapie erfordert Vertrauen, nicht nur in die
behandelnden Ärztinnen und Ärzte, sondern auch in die politisch
Verantwortlichen.
Die Zahl der Liefer- und Versorgungsengpässe bei Arzneimitteln ist
besonders im letzten Jahr deutlich angestiegen, auch bei
Krebsmedikamenten. Die Probleme bei Tamoxifen für die Behandlung von
Brustkrebs, bei nabPaclitaxel beim Bauchspeicheldrüsenkrebs und von
Calciumfolinat für die unterstützende Krebstherapie waren besonders
belastend und wurden auch in der Öffentlichkeit diskutiert. Betroffen
waren vor allem Arzneimittel, die schon seit vielen Jahren eingesetzt
werden und heute als Generika auf dem Markt verfügbar sind. Sie machen die
Hälfte der aktuell in Deutschland zugelassenen Krebsmedikamente aus. Für
die Verordner ist jeder Engpass zeitaufwändig, erfordert besondere
Anstrengungen zur Beschaffung der Arzneimittel und bedeutet eine Belastung
für das Patienten-Arzt-Verhältnis.
Darauf hatte die Gesundheitspolitik zunächst reagiert und im Dezember 2022
ein Maßnahmenpaket angekündigt, Anfang März 2023 dann im ALBVVG konkrete
Schritte in einem Gesetzentwurf veröffentlicht. Er enthielt seit mehreren
Jahren geforderte Maßnahmen wie verpflichtende Lagerhaltung
unverzichtbarer Arzneimittel, Diversifizierung der Anbieter bei
Rabattverträgen, Förderung von kurzen Lieferketten und ein Frühwarnsystem.
Wären diese Regelungen früher eingeführt worden, hätte zum Beispiel der
Engpass bei Tamoxifen im letzten Jahr wohl vermieden werden können!
Diese Maßnahmen sollten zunächst für die Versorgung mit
Kinderarzneimitteln, mit Antibiotika und mit für die Krebstherapie
erforderlichen Medikamenten gelten. Die wissenschaftlichen medizinischen
Fachgesellschaften hatten darauf hingewiesen, dass es keine „Priorität“
für Krebspatienten gegenüber anderen lebensgefährlichen und belastenden
Erkrankungen geben darf. Sie hatten jedoch die Onkologie sowie bestimmte
Bereiche der Pädiatrie und der Infektiologie als „Pilotprojekt“ zur
Umsetzbarkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen mit einer kurzen
Evaluierungsfrist akzeptiert.
In dem am 5. April 2023 von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl
Lauterbach vorgeschlagenen Entwurf für das ALBVVG fehlen die Regelungen
für die Onkologie. In der Pressekonferenz fiel die Formulierung „[…]
überlegen uns, das auf Onkologika auszudehnen […]“. Das hilft den
Betroffenen nicht, hier wird Zeit verloren. Die vorgeschlagenen Maßnahmen
waren fachlich intensiv diskutiert worden. Sie betreffen weniger als 1
Prozent der Arzneimittelverordnungen, können aber Leben retten. Die
Definition unverzichtbarer Arzneimittel ist insbesondere durch das in der
Onkologie besonders hochwertige System von Leitlinien gut begründet und
evidenzbasiert, damit auch ein gutes Modell für viele andere Erkrankungen.
Das Vorgehen des Bundesgesundheitsministers ist unverständlich. Es führt
zu einem unnötigen Vertrauensverlust. Das können die Betroffenen und die
Verordner nicht akzeptieren.