Tag der Immunologie: Das Immunsystem als Brücke zwischen Gesundheit und Krankheit
Am 29. April wird jedes Jahr auf der ganzen Welt der Tag der Immunologie
gefeiert. Der von der European Federation of Immunological Societies
(EFIS) ins Leben gerufene Tag soll das Bewusstsein der Öffentlichkeit für
die Bedeutung der Immunologie und immunologischen Forschung als Grundlage
für die individuelle Gesundheit und das Wohlbefinden stärken. Forschende
des Universitätsklinikums und der Universität Würzburg schildern, welche
Relevanz die Immunologie in ihrem jeweiligen Fachbereich hat.
Würzburg. Killerzellen, Fresszellen, Gedächtniszellen oder Helferzellen.
Sie alle sind wichtige Kämpfer in unserem Immunsystem, die unseren Körper
vor Krankheitserregern wie Bakterien, Viren und Pilzen sowie Giften
schützen. Warum wir diesen Abwehrmechanismen nicht erst Aufmerksamkeit
schenken sollten, wenn sie uns im Stich lassen, und wie die Immunologie,
also die Lehre der Grundlagen dieser Abwehrmechanismen sowie der Störungen
und Fehlfunktionen, unsere Gesundheit verbessern kann, verdeutlichen
Fachleute aus verschiedenen Disziplinen am Universitätsklinikum Würzburg
und an Instituten der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Zu Beginn unseres Lebens ist unser Immunsystem besonders formbar
Schon mit der Geburt muss sich das kindliche Immunsystem an die neue
Umwelt anpassen und lernen, bedrohliche Einflüsse wie Infektionen
abzuwehren. „Dabei spielen die Besiedlung mit Keimen, das Mikrobiom, aber
auch Infektionen selbst entscheidende Rollen, um das Immunsystem zu
trainieren und eine Balance zwischen Toleranz und Abwehr einzustellen“,
weiß Prof. Dr. med. Dorothee Viemann, Ko-Sprecherin des
Sonderforschungsbereichs DECIDE - DECisions in Infectious DisEases (www
.crc-decide.de) und Leiterin der Translationalen Pädiatrie am Uniklinikum
Würzburg.
Prof. Dr. Martina Prelog Expertin für Kinder- und Jugendmedizin und
Immunologie bestätigt. „Unser Immunsystem bleibt fit, indem eine
ausbalancierte immunologische Interaktion mit unserer Umwelt und der
Selbsttoleranz stattfindet. Um gesund zu bleiben oder zu werden, brauchen
wir das Immunsystem, sei es im Rahmen von Entzündungsreaktionen,
Heilungsprozessen, Tumorabwehr, Abwehr von Infektionserregern, im
Austausch mit dem Mikrobiom oder einfach nur in Entwicklung und Alterung.“
Es gibt jedoch auch angeborene Erkrankungen des Immunsystems, die bereits
im frühen Kindesalter zur Immunschwäche und Anfälligkeit für schwere
Infektionen führen. Die Früherkennung sei extrem wichtig, um den
erkrankten Kindern Leid zu ersparen und die Behandlungsprognose deutlich
zu verbessern, betont Privatdozent Dr. Henner Morbach, Leiter der
Pädiatrischen Entzündungsmedizin an der Kinderklinik des UKW und Sprecher
des Zentrums für Primäre Immundefekte und Autoinflammatorische
Erkrankungen (ZIDA). Das Immundefektzentrum am UKW bietet als eines der
wenigen Zentren in Deutschland die Möglichkeit zur umfangreichen
Diagnostik und Therapie an „Durch eine Stammzelltransplantation lassen
sich viele dieser Erkrankungen heilen“, so Morbach.
Immunstatus kontrollieren und Impflücken schließen
Was wir selbst tun können, um unser Immunsystem fit zu halten? Dr. Manuel
Krone, kommissarischer Leiter Zentrale Einrichtung Krankenhaushygiene und
Antimicrobial Stewardship empfiehlt: „Kontrollieren Sie Ihren Impfpass und
schließen Sie Impflücken!“ Das Immunsystem sei die wichtigste Barriere
unseres Körpers gegenüber Infektionserregern, durch Impfungen könne es
gestärkt werden. Impfungen, zum Beispiel gegen Grippe und Pneumokokken,
empfiehlt ebenfalls Prof. Dr. Oliver Kurzai, Leiter des Nationalen
Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) und Vorstand des
Instituts für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg.
„Impfungen sind ein gezieltes Fitness-Training für unser Immunsystem.
Darüber hinaus hilft unserem Immunsystem ein gesunder Lebensstil:
ausgewogenes Essen, Bewegung und frische Luft.“
Lebensbedrohliche Pilzinfektionen, wenn das Immunsystem nicht funktioniert
Oliver Kurzai und seine Kolleginnen und Kollegen jeden Tag, dass der
Ausfall unseres Immunsystems dramatische Auswirkungen haben kann.
„Lebensbedrohliche Pilzinfektionen treten dann auf, wenn unser Immunsystem
nicht funktioniert! Besonders wichtig für den Schutz sind unsere
Immunzellen.“ Prof. Dr. Jürgen Löffler beschäftigt sich in seiner
Arbeitsgruppe zum Beispiel mit der funktionalen Analyse von Immunzellen in
deren Interaktion mit humanpathogenen Pilzen (Schimmelpilze), auch im
Zusammenspiel dieser Pilze mit Viruserkrankungen. „Wir möchten verstehen,
welche Immunzellen wie auf Schimmelpilze reagieren, warum sie bestimmte
Defekte haben, und wie wir solchen Immunzellen helfen können,
Pilzinfektionen besser abzuwehren.“
Rheuma: Wenn sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper
Die Auswirkungen von fehlgesteuerten Immunzellen sieht Privatdozent Dr.
Marc Schmalzing, Leiter des Schwerpunkts Rheumatologie und Klinische
Immunologie am UKW Tag für Tag. Bei rheumatischen und immunologischen
Erkrankungen richtet sich das Immunsystem zum Beispiel gegen den eigenen
Körper, die Immunzellen reagieren über oder verlieren ihre Funktion. Mit
einer Blockierung bestimmter immunologischer Botenstoffe könne diese
Fehlsteuerung der angeborenen und erworbenen Immunzellen gezielt
beeinflusst werden.
Behandlung von Hauttumoren mit Antikörper-basierten Immuntherapien
Gerät das Immunsystem aus der Balance können zudem verschiedenste
entzündliche Hautkrankheiten entstehen. „Erfreulicherweise können wir
diese Entzündungen häufig durch immer präzisere Immunmodulatoren
erfolgreich behandeln“, berichtet Prof. Dr. Bastian Schilling, Leiter der
AG Translationale Tumorimmunologie und Immuntherapie in der Haut-Klinik.
Für ihn ist das Immunsystem Fluch und Segen zugleich. Denn gleichzeitig
werden Hauttumoren vom Immunsystem oftmals spontan erkannt. „Wir können
dieses Phänomen durch Antikörper-basierte Immuntherapien nutzen, um selbst
sehr fortgeschrittene Tumoren zu behandeln und teilweise dauerhaft unter
Kontrolle bringen.“ Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Astrid Schmieder
arbeitet zum Beispiel gerade daran, Tumor-assoziierte Makrophagen
umzuprogrammieren: „Die Makrophagen, auch als Fresszellen bekannt, können
unter geeigneten Umständen das Wachstum von Krebszellen fördern. Wir
versuchen sie so zu verändern, dass sie gegen den Prozess der
Tochtergeschwulstbildung, der Metastasierung agieren und den Tumor
angreifen.“
CAR-T-Zellen zählen zu den großen Hoffnungsträgern in der Krebsmedizin
„Unser Immunsystem ist die beste Waffe gegen Krebs!“ Davon ist auch
Privatdozent Dr. Leo Rasche überzeugt von der Medizinischen Klinik und
Poliklinik II überzeugt. Man müsse dem Immunsystem aber manchmal auf die
Sprünge helfen, sonst kann es die Tumorzellen nicht erkennen und
beseitigen. „In der Hämatologie und Onkologie machen wir das mithilfe von
CAR-T-Zellen, bispezifischen Antikörpern und sogenannten Checkpoint-
Inhibitoren. Dabei leisten vor allem die T-Zellen eine wichtige Arbeit.
Diese Zellen sind Serial Killer, eine einzige kann tausende Tumorzellen
beseitigen.“ Prof. Dr. Michael Hudecek, einer der weltweit führenden
Wissenschaftler für die CAR-T-Zelltherapie ergänzt: „Mit Hilfe dieser
intelligenten CAR-modifizierten Immunzellen ist es möglich, selbst weit
fortgeschrittene Krebserkrankungen wirkungsvoll zu behandeln. CAR-
modifizierte Immunzellen als „lebendes Medikament“ sind in der modernen
Medizin eine der vielversprechendsten Behandlungsmethoden gegen Krebs.“
Das Uniklinikum Würzburg spielt bei der Erforschung, Anwendung und
Ausweitung dieses neuen Arzneimittelprinzips eine international bedeutende
Rolle. Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik II und
Sprecher des NCT-Standortes WERA, gilt als Meinungsführer in der
CAR-T-Zelltherapie, er hat diese als erster in Europa klinisch eingesetzt.
Einsele ist Co-Sprecher in drei verschiedenen Transregio
Sonderforschungsbereichen mit Fokus auf das Immunsystem: TRR 124
„FungiNet“, TRR721 „Steuerung der Transplantat-gegen-Wirt- und
Transplantat-gegen-Leukämie-Im
Strammzelltransplantation“ und TRR 338 „LETSImmun“.
Blutplättchen steuern neben Blutgerinnung auch Entzündung und Immunantwort
Neben den weißen Blutzellen, den Leukozyten, haben auch die Blutplättchen,
die so genannten Thrombozyten, wichtige Funktionen im Immunsystem. Sie
sind zentral an der Steuerung von Entzündungsprozessen und der
Immunantwort beteiligt sind, indem sie das Zusammenspiel von Immunzellen
und der Gefäßwand koordinieren und antreiben. Mit diesen gänzlich neuen
und klinisch hochrelevanten Funktionen der Thrombozyten beschäftigt sich
der TRR 240 „Platelets“ unter der Leitung von Prof. Dr. Bernhard
Nieswandt, Direktor des Instituts für Experimentelle Biomedizin. So wurde
in Würzburg der nunmehr international etablierte Begriff der Thrombo-
Inflammation geprägt, um diese neuen Krankheitsprozesse zu beschreiben.
„Thrombo-Inflammation spielt bei einer stetig wachsenden Zahl von
Krankheitsgeschehen, wie Schlaganfall, akutes Atemnotsyndrom, Sepsis, aber
auch bei Tumorerkrankungen eine entscheidende Rolle, was weitreichende
Möglichkeiten für neue Therapieansätze eröffnet“, ist Bernhard Nieswandt
überzeugt.
Thrombo-Inflammation bei Schlaganfall
PD Dr. Michael Schuhmann, Leiter des Klinischen Labors in der Neurologie
verdeutlicht die Relevanz des Immunsystems bei Schlaganfall: „Direkt
während eines Schlaganfallereignisses und somit viel früher als bisher
angenommen kommt es zu einer massiven lokalen Entzündungsreaktion. Dabei
sind T-Zellen und neutrophile Granulozyten beteiligt, und Blutplättchen
greifen steuernd ein. Wir konnten erste wichtige Signalmoleküle dieses
Zusammenspiels zwischen Blutplättchen und Immunzellen experimentell und
sogar unter Zuhilfenahme lokaler Biomarker bei Schlaganfallpatienten
identifizieren.“ Die Verfahren zur lokalen Biomarkergewinnung haben die
Kooperationspartner der Neuroradiologie, Dr. Alexander Kollikowski und
Prof. Dr. Mirko Pham, etabliert. Sie sind zuversichtlich, „dass genau in
diesen winzigen Tropfen Blut direkt aus dem Gehirn während eines
Schlaganfalls wichtige Informationen für neue Therapieansätze, die
speziell die lokale Thrombo-Inflammation modulieren, stecken.“
Die regenerative Macht des Immunsystems auf unser Herz
Darüber hinaus hat sich Würzburg weltweit einen Namen in der aufstrebenden
Fachrichtung Immunkardiologie gemacht. „Unser Immunsystem verhindert zum
Beispiel, dass unser Herz aus dem Takt gerät, es beeinflusst die Alterung
des Herzens und ist wichtig, um zerstörtes Herzgewebe, etwa nach einem
Herzinfarkt, wieder richtig heilen zu lassen“, berichtet Prof. Dr. Stefan
Frantz, Direktor der Medizinischen Klinik I am UKW und Sprecher des SFB
1525 „Interaktionen zwischen Herz und Immunsystem". Auf der anderen Seite
könne eine Überaktivierung des Immunsystems die Funktion des Herzens auch
negativ beeinflussen. „Im SFB beschäftigen wir uns mit genau diesen
Interaktionen zwischen Herz und Immunsystem. Mithilfe der gewonnenen
Erkenntnisse wollen wir die Diagnostik verbessern und ein Fundament für
zielgerichtete immunmodulatorische Therapien legen.“
Das Immunsystem als unerlässlicher Bestandteil aller Organe
Ein starker Partner sowohl im SFB „Cardioimmune Interfaces“ als auch in
vielen weiteren Forschungsprojekten am UKW ist die Max-Planck
Forschungsgruppe Systemimmunologie. Sie wird geleitet von Prof. Dr.
Wolfgang Kastenmüller und Prof. Dr. Georg Gasteiger, die an der Uni
Würzburg die Lehrstühle für Systemimmunologie I und II leiten. Die
Experten fassen zusammen: „Immunzellen spielen eine Rolle bei sehr
unterschiedlichen Prozessen im Körper, zum Beispiel der Regulation des
Stoffwechsels, des regelmäßigen Herzschlags, und der aktiven Erhaltung der
Gesundheit durch Steuerung der Gewebserneuerung. Als fester Bestandteil
der Gewebe unterstützen lokal ansässige auf ihre Umgebung spezialisierte
Immunzellen deren Funktion, Wachstum und Reparatur und interagieren vor
Ort mit den Organen.“