Europäische Herzstiftungen machen sich für Herz-Kreislauf-Plan der EU stark
Enorme Gesundheitsgefahren und massive ökonomische Belastung durch Herz-
Kreislauf-Erkrankungen in Zeiten von Krisen und Klimawandel erfordern
konkrete EU-Strategie
60 Millionen Herz-Kreislauf-Patienten und jährlich 13 Millionen
Neuerkrankungen in der Europäischen Union (EU) alarmieren europäische
Herzstiftungen. Mit über 1,8 Mio. Sterbefällen sind Herz-Kreislauf-
Erkrankungen in der EU Todesursache Nummer eins und für 36 Prozent aller
Todesursachen verantwortlich (Krebserkrankungen: 26 Prozent). „Diese
Jahrhundert-Epidemie effektiv einzudämmen, erfordert auf nationaler wie
auch auf europäischer Ebene ein gemeinsames strategisches Vorgehen aller
relevanten Institutionen in Politik, Gesellschaft und im Gesundheitswesen.
Wir, die Patientenvertretungen Europas, haben gemeinsam mit Politikern,
Wissenschaftlern und Gesundheitsexperten die EU und alle Mitglieder des
Europäischen Parlaments dazu aufgefordert, einen dringend benötigten
Europäischen Herz-Kreislauf-Plan aufzustellen“, betonte Dr. Charmaine
Griffiths, Präsidentin des European Heart Network (EHN), der
Dachorganisation europäischer Herzstiftungen, und CEO der British Heart
Foundation, auf der EHN-Jahreshauptversammlung in Mainz. Unter dem Titel
„Neue Wege für die Herz-Kreislauf-Gesundheit in Krisenzeiten“ trafen sich
die Vertreter europäischer Herzstiftungen aus 25 Ländern, um die
Zusammenarbeit, den Austausch und die politische Führungsrolle für einen
europäischen Herz-Kreislauf-Plan zu untermauern. Die Deutsche Herzstiftung
war als EHN-Mitglied Ausrichterin der diesjährigen Jahrestagung.
Innovative Politik, dringliche Anpassungen an Umweltveränderungen, die
Einbindung der Patienteninteressen, Diversität und Inklusion in der
Forschung sowie das sektorenübergreifende Zusammenarbeiten waren die
zentralen Themen, über die das dynamische Netzwerk aus europäischen
Herzstiftungen diskutiert und sein strategisches Vorgehen für die
kommenden Jahre bis 2030 erarbeitet hat. „Wir müssen auf nationaler wie
auch auf europäischer Ebene in engen Austausch mit der Politik, den
Entscheidungsträgern in der Gesetzgebung, treten, um mit konkreten
Maßnahmen die Morbidität und Sterblichkeit zu senken“, sagt EHN-
Vizepräsident Martin Vestweber, Geschäftsführer der Deutschen
Herzstiftung. „Dazu zählen beispielsweise die Stärkung von Grundlagen- und
translationaler Forschung, Programme zur Früherkennung von Risikopatienten
oder eine Initiative zur Digitalisierung als Voraussetzung für die
intersektorale Versorgung.“ Die Zeit drängt. Denn neben der Gefahr für die
Gesundheit von Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürgern sind kardiovaskuläre
Erkrankungen in punkto Kosten auch ein massives ökonomisches Problem – bei
steigender Tendenz.
Neben Gesundheitsgefahr auch massive ökonomische Belastung
Nach Schätzungen verursachen kardiovaskuläre Erkrankungen für die EU-
Wirtschaft jährlich fast 210 Mrd. Euro an Kosten. Etwa 53 Prozent davon
(111 Mrd. Euro) tragen die Gesundheitssysteme, 26 Prozent (54 Mrd. Euro)
verschlingen Verluste an Produktivität in Wirtschaft und Industrie und 21
Prozent (45 Mrd. Euro) verschlingt die häuslich-private Pflege von Herz-
Kreislauf-Patienten.
HEART-Aktionsplan für die EU
Die europäischen Herzstiftungen im Netzwerk des EHN und die europäische
kardiologische Fachgesellschaft (European Society of Cardiology, ESC)
haben ihre Strategie für einen EU-weiten Herz-Kreislauf-Masterplan unter
anderem in den “HEART Actions” für die EU formuliert:
H – Healthy lifestyles: Eine strengere und ambitioniertere EU-Politik, die
durch Gesetzgebung erst einen verbindlichen Rahmen für einen gesunden
Lebensstil ermöglicht. So lassen sich wirkungsvoll insbesondere das
Rauchen, Adipositas und Bewegungsmangel reduzieren.
E – Equality in heart health. Die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-
Erkrankungen ist in den Ländern der EU zum Teil sehr unterschiedlich. Eine
Frau in Litauen hat ein 13-fach erhöhtes Risiko daran zu sterben im
Vergleich zu einer Frau in Frankreich. Diese Sterblichkeitsunterschiede
lassen sich nur auflösen, indem die EU mehr in die Förderung der Herz-
Kreislauf-Forschung investiert.
A – Advancing knowledge. Förderung des Wissens durch Aufstockung der EU-
Mittel für die Erforschung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
R – Registries: Registerdaten als Basis für klinische Studien und
Sicherheitsüberprüfungen neuer Therapien sind notwendig, um Qualität und
Sicherheit neuer und bestehender Therapien kontinuierlich verbessern zu
können. Hier muss die EU investieren und Rahmenbedingungen für eine
Vernetzung von Registern schaffen.
T – Transfer of knowledge: Immer noch erschweren nationale Grenzen
zwischen den EU-Mitgliedstaaten den Transfer wissenschaftlicher Kenntnisse
und anerkannter Methoden in der Prävention sowie der diagnostischen und
therapeutischen Versorgung von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Dies muss sich europaweit ändern.
Wie wichtig dieser Wissenstransfer zwischen den EU-Mitgliedstaaten ist,
zeigt beispielsweise das Problem der Umsetzung der EU-
Medizinprodukteverordnung (EU Medical Device Regulation) zur Erhöhung der
Patientensicherheit. „Dass als Folge dieser Verordnung lebensnotwendige
Medizinprodukte für Kinder, Jugendliche und Erwachsene nach und nach vom
Markt zu verschwinden drohen und dies ein EU-weites Problem ist, scheint
nicht in alle Länder durchgedrungen zu sein“, sagt EHN-Vizepräsident
Martin Vestweber. „Das gefährdet die medizinische Versorgung der Patienten
– insbesondere von Betroffenen mit angeborenem Herzfehler.“
Über das European Heart Network (EHN)
Dem European Heart Network (EHN) gehören knapp 30 europäische
Organisationen an, die sich der Patienteninformation, Aufklärung und
Prävention sowie der kliniknahen Forschungsförderung mit Blick auf
kardiovaskuläre Themen verschrieben haben. Gemeinsam erreicht und vertritt
das EHN rund zwei Mio. Patientinnen und Patienten bzw. deren pflegende
Angehörige in ganz Europa.
Eine gute Vernetzung – nicht nur untereinander – sondern auch mit
entscheidenden nationalen und EU-Institutionen ist erforderlich, um für
Betroffene und ihre Familien eine sichere Lebenswelt zu schaffen und ihnen
die bestmögliche Versorgung zukommen zu lassen. Das EHN ist Mitglied in
der Patients‘ and Consumers‘ Working Party der Europäischen
Arzneimittelagentur (EMA) und bildet gemeinsam mit der europäischen
kardiologischen Fachgesellschaft (European Society of Cardiology, ESC),
das Sekretariat der MEP Heart Group, um den direkten Austausch mit den
Abgeordneten des Europäischen Parlaments aufrechtzuerhalten. Auch in der
Forschungslandschaft sind das EHN bzw. die jeweiligen nationalen
Mitgliedsorganisationen zu unverzichtbaren Partnern geworden – sei es zur
Unterstützung von Forschungsprojekten oder um die Patientenperspektive von
Anfang an strukturiert zu verankern. Zur Homepage:
https://www.ehnheart.org/