Kommentar zur neuen Krankenhausreform
Gestern haben sich die Bundesregierung und die Länder auf Eckpunkte bei
der Krankenhausreform geeignet. Dr. Andreas Beivers, Professor für
Gesundheitsökonomie an der Hochschule Fresenius in München, ordnet die
Ergebnisse der Gespräche ein.
Es war ein langes und zähes Ringen zwischen Bund und Ländern, doch nun ist
scheinbar die Einigung erreicht, auch wenn der formale
Gesetzgebungsprozess erst nach der Sommerpause, sprich im Herbst beginnt.
Im Kern beabsichtigt die Reform drei zentrale Ziele: Gewährleistung von
Versorgungssicherheit (Daseinsvorsorge), Sicherung und Steigerung der
Behandlungsqualität sowie Entbürokratisierung, wie das Eckpunktepapier vom
10. Juli 2023 selbst attestiert.
Die Fallpauschalen werden in ihrer Bedeutung deutlich gestutzt
Im Detail: Als äußerst positiv ist anzumerken, dass sich Bund und Länder
nun auf den grundlegenden Modus Operandi der zukünftigen
Krankenhausfinanzierung geeinigt haben: Die Fallpauschalen werden in ihrer
Bedeutung deutlich gestutzt, eine Vorhaltekostenfinanzierung der Kliniken
in Höhe von 60 Prozent soll kommen. Auch wenn dieser Prozentsatz aus
gesundheitsökonomischer Sicht als etwas zu hoch erscheint und die Gefahr
mit sich bringt, dass sich Mehrleistungen für Kliniken nicht mehr so
lohnen, sprich der Anreiz für Fleißige damit gedrosselt wird, ist dies ein
Schritt in die richtige Richtung. Ziel war es, die Kliniken aus dem
Hamsterrad, durch immer mehr Fälle ihre Kosten finanzieren zu können, zu
befreien. Das ist gelungen. Reduziert man aber Leistungsanreize zu stark,
besteht die Gefahr von Rationierung und Wartezeiten – wie wir es aus
staatlichen Gesundheitssystemen kennen.
Planungshoheit bleibt bei den Ländern
Gut ist, dass die Planungshoheit bei den Ländern verbleibt. Denn gerade in
der Pandemie hat man ja gesehen: Gesundheitsversorgung ist eine regionale
Aufgabe, die sich immer im Spannungsbogen zwischen sinnvollen,
bundeseinheitlichen Vorgaben auf der einen, und regionalen
Lösungskonzepten auf der anderen Seite bewegt.
Mangelnder Investitionskostenfinanzierung führt zu Insolvenzen
Schade ist, dass kein Bund-Länder-Durchbruch bei der Lösung der maroden
Investitionskostenfinanzierung der Kliniken gelungen ist. Im Grunde bleibt
hier vieles beim Alten, erweitert um einen Krankenhausstrukturfonds, den
es schon gibt. Wie auch die Prognosen des aktuellen Krankenhaus Rating
Reportes zeigen, sind viele deutsche Kliniken von Insolvenz bedroht – und
dies ist auch ein Grund mangelnder Investitionskostenfinanzierung
den jeweiligen Bundesländern sehr heterogen ist. Dies gefährdet nicht nur
die Existenz vieler Krankenhäuser an sich, sondern kann auch zu einer
Verstärkung und Manifestation sozioökonomischer Versorgungsunterschiede in
Deutschland führen. Gerade in vermögenderen Bundesländern und Regionen
sind die Länder, aber auch einzelne Kommunen und Städte eher in der Lage
ihre Kliniken finanziell zu unterstützen und somit Insolvenzen abzuwenden.
In heute schon strukturschwachen Regionen mit hoher kommunaler
Überschuldung und ggfs. schlechterem Gesundheitszu-stand sowie geringerer
Lebenserwartung kann sich dies anders dar-stellen. Es wäre fatal, wenn ein
kalter Strukturwandel dazu führen würde, soziale Unterschiede – gerade
auch in der Gesundheitsversor-gung – zu vergrößern.
Als besonders positiv ist hervorzuheben, dass sich Bund und Länder nun auf
eine Konkretisierung der Aufgaben, der Rolle und der Finanzierung
sogenannter Ii-Kliniken einigen konnten. Diese sektorenübergreifenden
Versorger (sogg. Level Ii-Krankenhäuser) sind auch in Zukunft
Plankrankenhäuser, und werden auf solide finanzielle Füße gestellt.
Dadurch kann es zum ersten Mal seit Jahrzenten gelingen, die sektorale
Trennung des Gesundheitssystems zwischen ambulant und stationär zu
durchbrechen und gerade auch den Pflegefachberufen eine sehr attraktive
berufliche Perspektive zu bieten. Deren Rolle wurde nun durch den
folgenden Kompromiss gestärkt.
„Eine gute Hüfttransplantation folgt in Bayern keinen anderen Regeln und
Kriterien als in Berlin oder Bremen.“
Lobenswert ist auch, dass die Länder bei der Klassifikation ihrer Kliniken
– beispielsweise im Bereich der Fachkrankenhäuser, maßgebli-che
Mitspracherechte haben bzw. behalten. Dies schaff Flexibilität in den
Ländern und in der Versorgung vor Ort. Das ist zentral – dann die
Versorgung in den Regionen kann nicht aus Berlin vom Schreibtisch aus
geplant werden. Was aber bundeseinheitlich erfolgen sollte, sind Vorgaben
von Qualitätskriterien. Eine gute Hüfttransplantation folgt in Bayern
keinen anderen Regeln und Kriterien als in Berlin oder Bremen. Hier haben
Bund und Länder nun scheinbar gute und pragmatische Lösungen gefunden, die
auch anerkennen, dass Qualität nicht einfach zu messen ist und es
statistische Fallstricke gibt – und dennoch Datentransparenz hergestellt
werden kann, damit die Versorgung zum Wohle der Patientinnen und Patienten
besser wird.
Über die Hochschule Fresenius
Die Hochschule Fresenius mit ihren Standorten in Berlin, Düsseldorf,
Frankfurt am Main, Hamburg, Id-stein, Köln, München und Wiesbaden sowie
dem Studienzentrum in New York gehört mit über 18.000 Studierenden zu den
größten und renommiertesten privaten Hochschulen in Deutschland. Sie
blickt auf eine 175-jährige Tradition zurück. 1848 gründete Carl Remigius
Fresenius in Wiesbaden das „Chemische Laboratorium Fresenius“, das sich
von Beginn an sowohl der Laborpraxis als auch der Ausbildung widme-te.
Seit 1971 ist die Hochschule staatlich anerkannt. Sie verfügt über ein
sehr breites, vielfältiges Fächer-angebot und bietet in den Fachbereichen
Chemie & Biologie, Design, Gesundheit & Soziales, onlineplus sowie
Wirtschaft & Medien Bachelor- und Masterprogramme in Vollzeit sowie
berufsbegleitende und aus-bildungsbegleitende (duale) Studiengänge an. Die
Hochschule Fresenius ist vom Wissenschaftsrat instituti-onell
akkreditiert. Bei der Erstakkreditierung 2010 wurden insbesondere ihr
„breites und innovatives Angebot an Bachelor- und Master-Studiengängen“,
„ihre Internationalität“ sowie ihr „überzeugend gestal-teter Praxisbezug“
vom Wissenschaftsrat gewürdigt. Weitere Informationen finden Sie auf
unserer Websi-te: www.hs-fresenius.de