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Die Ulmer Unternehmensgründer Dr. Arthur Dopler und Matteo Mohr erhalten
1,2 Millionen Euro für zwei Jahre aus dem EXIST-Forschungstransfer-
Programm. Das Förderprogramm des Bundes und der EU unterstützt
Gründungsvorhaben, die mit hohem Risiko und Entwicklungsaufwand verbunden
sind. In dem geförderten Projekt geht es um ein neuartiges Protein, das
Fehlregulationen in der Immunabwehr beheben soll. Speziell im Fokus steht
dabei das sogenannte Komplementsystem, ein Teil des angeborenen
Immunsystems, dessen Fehlfunktion mit gravierenden Krankheiten verbunden
ist.

Wenn das Immunsystem massiv gegen körpereigene Zellen anstatt gegen
Krankheitserreger vorgeht, hat der Körper ein Problem: Schwerwiegende
Organ- und Gewebeschäden sind die Folge. Die Ursache hierfür liegt häufig
in genetisch bedingten Fehlregulationen, wodurch lebensbedrohliche
Krankheiten ausgelöst werden. Ein Großteil davon kann bis heute nur
unzureichend oder gar nicht behandelt werden. Bei dem Ulmer Startup, das
pharmakologische und biomedizinische Forschung verbindet, dreht sich alles
um ein vielversprechendes Protein, das in der Lage ist, Fehlregulationen
in einem Teil des angeborenen Immunsystems – dem Komplementsystem –
abzuwenden.

Das Startup, das bereits über das GO-Bio Initial Programm des BMBF
gefördert wurde, erhält nun eine Förderung durch das Programm EXIST-
Forschungstransfer des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz
(BMWK) und des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) der Europäischen
Union in Höhe von 1,2 Millionen Euro für die Dauer von zwei Jahren. Mit
diesem Geld soll es gelingen, das neuartige Protein zu produzieren, es
biochemisch und biophysikalisch zu charakterisieren und dessen Wirksamkeit
in vivo nachzuweisen.

„Unser Ziel ist es, dieses Molekül in die klinische Anwendung zu bringen,
um Erkrankungen des Komplementsystems wirkungsvoller und zugleich
schonender zu behandeln“, sagt Projektleiter Matteo Mohr. Der
Wissenschaftler, der an der TU München Bioprozesstechnik und Management
studiert hat, forscht seit 2022 am Institut für Experimentelle und
Klinische Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde des
Universitätsklinikums Ulm. Zu diesen seltenen, wenn auch gravierenden
Erkrankungen des Komplementsystems gehören beispielsweise die Paroxysmale
Nächtliche Hämoglobinurie (PNH) oder das atypische Hämolytisch-Urämische
Syndrom (aHUS) sowie die C3-Glomerulopathie (C3G). Zum klinischen Bild
solcher Erkrankungen gehören beispielsweise die Auflösung roter
Blutkörperchen, die verstärkte Neigung zu Blutgerinnseln sowie die
Schädigung der Blutgefäßinnenwände oder der Nierenfunktion.

Überreaktionen des Immunsystems führen zu lebensbedrohlichen Erkrankungen

Aufgabe des Komplementsystems als Teil des angeborenen Immunsystems ist
es, Krankheitserreger zu bekämpfen sowie alte und beschädigte Zellen zu
eliminieren, indem diese erkannt, markiert und zerstört werden. Das
Netzwerk aus über 40 verschiedenen Proteinen kann über unterschiedliche
Aktivierungswege in Gang gesetzt werden, die wiederum hochkomplexe
Reaktionskaskaden auslösen. „Dieser Prozess ist strikt reguliert. Mehrere
Mechanismen schützen davor, dass das Komplementsystem überreagiert und
eigene, gesunde Zellen zerstört werden. Durch Genmutationen, aber auch
durch Transplantationen, kann es allerdings zu Fehlregulationen kommen,
die lebensbedrohliche Erkrankungen zur Folge haben“, erklärt Dr. Arthur
Dopler. Der Ulmer Immunbiologe, der nach der Gründung des Startups die
wissenschaftliche Leitung übernehmen wird, hat über das Komplementsystem
promoviert.

Das neuartige Molekül soll nun dafür sorgen, dass ein fehlreguliertes
Komplementsystem wieder richtig reguliert wird. Entwickelt wurde es in
langjähriger Forschung von Professor Christoph Schmidt, der seit 2011 am
Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und
Naturheilkunde der Universität Ulm forscht. Schmidt, der auch der
Doktorvater von Dr. Dopler ist, hat das Protein gemeinsam mit den
Medizinern Professor Markus Huber-Lang (Institut für Klinische und
Experimentelle Trauma-Immunologie) und Professor Hubert Schrezenmeier
(Institut für Transfusionsmedizin) international als Patent angemeldet.
Das neu entwickelte Regulatorprotein basiert auf natürlich vorkommenden
Proteinen des Komplementsystems und vereint deren Eigenschaften in einem
einzigartigen Molekül. Dieser innovative Regulator kann aufgrund seiner
Enzym-ähnlichen Wirkweise eine Vielzahl von Zielmolekülen deaktivieren,
ohne dabei „verbraucht“ zu werden. Im Vergleich zu den bereits verfügbaren
Therapien ist dies ein großer Vorteil, da das neuartige Molekül eine sehr
hohe Wirksamkeit aufweist. Zudem ermöglicht es die Behandlung einer
Vielzahl von Krankheiten und wirkt genau dort, wo es wirken soll.

Mit der EXIST-Förderung soll nun die Wirksamkeit des Regulators in vivo
nachgewiesen werden. Außerdem werden die Gründer einen Produktionsprozess
etablieren, mit dessen Hilfe sich das neuartige Molekül im Labormaßstab
herstellen lässt. Um diese Ziele zu erreichen, wird das Gründungsteam um
zwei weitere Personen verstärkt, die auf die Produktion und Analyse von
Proteinen spezialisiert sind. Das Team wird in den nächsten zwei Jahren
außerdem einen Businessplan erarbeiten, die Unternehmensgründung
vorantreiben und sich um eine Anschlussfinanzierung kümmern. „Danach muss
sich das Projekt den anspruchsvollen und langjährigen Prozessen der
Arzneimittelentwicklung stellen“, so die Startup-Gründer. Hilfestellung
kommt dabei von Professor Holger Barth, dem Direktor des Instituts für
Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und
Naturheilkunde, an dem das Gründungsteam angesiedelt ist. Unterstützt wird
das Gründungsvorhaben vom Entrepreneurs Campus sowie dem Life Science
Inkubator und dem Technologietransfer der Universität Ulm.